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OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG.
Nr. 22.
reizende Schattenwirkungen hervorgebracht werden. Doch
auch dem Humor wurde Thor und Thür geöffnet, z. B.
über dem Eingang zum Pferdestall befindet sich eine
halbrunde Füllung, in der ein Stallbursche mit der Stall¬
laterne in der Hand eingeordnet wurde, dem aber, weil
er die Zeit verschlafen, zur Strafe für diese Uebelthat
vom Pferde gerüffelt und die Mütze vom Kopfe gezogen
wird. Dieser Vorgang ist so originell und humoristisch
dargestellt, dass ein jeder bei der Besichtigung dieser
Füllung heiter gestimmt wird. Auf der anderen Seite
befindet sich ein Balken von Sandstein, in dessen Mitte
nachträglich, auf Anordnung der Baupolizei, noch eine
eiserne Schiene eingezogen werden musste, was keines¬
wegs an diesem Bau, der ein solider, schöner und inter¬
essanter genannt werden muss, gut aussieht. Um nun
diesen Schönheitsfehler zu erklären, hat der Bildhauer
flugs unter der Füllung dieser Balken einen Polizisten
in halber Grösse, etwa bis zum Gürtel mit Ornament
umschlungen, angebracht, der, mit einem tüchtigen
Schnauzbart versehen, mit strengem Blick und beiden
Händen nach oben, eben auf die nachträglich eingezogene
unschöne Schiene zeigt. Die Innenräume der Villa wurden
auch nicht in der üblichen Weise mit gezogenen oder
gegossenen Gliederungen und Ornamenten von Gips, wie
sich solche hundertfach überall vorfinden und in der lang¬
weiligsten geometrischen Eintlieilung angebracht werden,
ausgeschmückt, sondern dies neue Verfahren wurde auch
hier angewendet, doch nur mit dem Unterschiede, dass
zu dem Kalk nicht Cement, sondern Gips gemischt wurde.
— So wurden, um Beispiele anzuführen, im Speisezimmer
ein Apfelzweig als Motiv verwendet, der sich in der
ungezwungendsten Weise, vielfach verschlungen, mit
Blättern und Früchten versehen, in der Mitte der Saal¬
decke um den elektrisches Licht spendenden Kronleuchter
herumwindet und denselben in der geschmackvollsten
Weise einfasst, während aus den vier Ecken Wein-,
Hopfen-, Gersten- und Weizenzweige heraus durch Gliede¬
rungen, die die Wand von der Decke scheiden, hindurch¬
wachsen und sich über dieselbe nach der Mitte zu aus¬
breiten. Im Wohnzimmer wurde die Rose als Motiv ver¬
wendet. In einem anderen kleinen Raum finden wir die
Buche mit sammt ihren Blättern, Blüten uud Früchten
und im Treppenhause sehen wir, wie auch an der ge¬
wölbten Erkerdecke Epheu-, Winden- und Mispelzweige,
sowie wilder Wein und andere Pflanzen lustig aus Phantasie¬
köpfen emporwachsen. — Nachdem wurden diese plasti¬
schen Verzierungen von einem Maler in der geschicktesten
Weise, der Natur entsprechend, gemalt, und machen
•dieselben, weil flott entworfen und ausgeführt, den an¬
genehmsten und originellsten Eindruck und gereichen
auch dem ausführenden Kunstgewerbetreibenden, wie
auch dem Architekten, der die Idee gab, zur Ehre, und
wird an diesem Bau auch wieder einmal bewiesen, dass
da, wo ein geschickter, feinsinniger und kunstgeübter
Architekt mitwirkt, das Kunstgewerbe, zunächst Bild¬
hauerei und Malerei, dann aber auch alle übrigen Fächer
(Schmiede, Tischler, Gürtler, Holzschnitzer, Drechsler)
wohl gehoben werden können. In den letzten Tagen
wurde ein weiterer Bau (ein Bäckerhaus am Georgplatz
in Dresden) fertiggestellt, den der schon genannte Architekt
Grothe auch gezeichnet hatte. Bei dem Entwurf des
Schmuckes dieses Baues wurde Rücksicht auf das Ge werbe,
das in seinem unteren Raum betrieben wird, Bäckerei
und Conditorei, genommen, und man sieht dementsprechend
Weizen- und Kornähren, Wein- und anderes Laub, ver¬
schiedene Embleme und Initialen angebracht, auch Gnomen,
welche in den verschiedensten Stellungen und Situationen
das Bäcker- und Conditoreigewerbe flott betreiben. Die
ganze Decoration macht einen malerischen und guten
Eindruck und gereicht nicht nur dem betreffenden Hause,
sondern auch dem ganzen Platze zur Zierde, wie auch
den Künstlern zur Ehre, und würde noch etwas mehr
Zeit und Geld auf dieselbe verwendet worden sein, so ist
bestimmt anzunehmen, dass diese Decoration eine noch
schönere und zu einer Sehenswürdigkeit, zu einem Wahr¬
zeichen von Dresden, geworden wäre. — Immerhin ist
dieselbe, so wie sie ist, auch bemerkens- und sehenswert
und sollten dergleichen Fagaden doch recht oft und
überall, zum Nutzen der Bildhauer, zur Zierde der be¬
treffenden Gebäude und zur Ehre der Auftraggeber, aus¬
geführt werden, dies um so mehr, als es auch möglich
ist, schon bestehende Gebäude mit diesen neuen Decora-
tionen auszuschmücken.
Die Beurtheilung des Eisens in der Praxis.
Unter „Eisen“ im landläufigen Sinne werden von den
drei verschiedenen Arten dieses Metalles — Roheisen,
Schmiedeeisen und Stahl — nur die beiden ersteren ver¬
standen; über diese sollen im Nachstehenden, und zwar
im Hinblick darauf, wie sie in der Praxis zu beurtheilen
sind, einige Angaben folgen.
Beim Roheisen unterscheidet man: weisses Roheisen
(silberweissglänzend), graues Roheisen (hell und dunkel¬
schwarzgrau) und halbiertes Eisen. Beim Einkauf muss
man sich vorerst über den Zweck klar sein, zu dem das
Eisen verwendet werden soll. Weisses Roheisen kann als
Gusseisen nicht verwendet werden, weil es nicht dünn¬
flüssig wird, mit stumpfen Ecken und concaver Ober¬
fläche erstarrt und sich wegen seiner Härte schlecht ver¬
arbeiten lässt. Das beste weisse Roheisen ist das Spiegel-
eisen, das schön krystallinisch, härter, glänzender und
dünnflüssiger als die anderen Sorten ist und bis 30 Per¬
cent Mangan enthält, wodurch es sich leichter zu Stahl
verarbeiten lässt. Weisses Roheisen (Schmelzpunkt 1400
bis 1500° 0.) wird in der Regel nur zur Herstellung von
Schmiedeeisen und Stahl verwendet, niemals jedoch als
Gusseisen. Graues Roheisen ist das eigentliche Giesserei-
eisen (Schmelzpunkt 1100 bis 1200° G.), das behufs Her¬
stellung von Schmiedeeisen und Stahl gefeint, d. h. zu
weissem Roheisen umgewandelt werden muss. Eine
Legierung beider Eisenarten ist das halbierte (Forellen-)
Eisen. Dieses ist billiger, wie graues Roheisen.
Das Schmiedeeisen, welches auch Stabeisen genannt
wird, weil es im Handel in Gestalt von Stäben vorkommt,
ist von sehnigem, körnigem Gefüge und erst bei 2100° C.
schmelzbar. Es enthält 0*1 bis 0’5 Percent Kohlenstoff
chemisch gebunden. Je weniger Kohlenstoff das Eisen
besitzt, desto weicher ist es, zuviel bewirkt Rothbruch.
Rothbruch gestattet Verarbeitung in der Kälte, aber
nicht in der Wärme. Der umgekehrte Fall findet bei Kalt¬
bruch statt, der das Schmieden zulässt. Faulbruch erlaubt
weder das eine, noch das andere. Das neutrale Eisen ist
frei von diesen üblen Eigenschaften. Ferner unterscheidet
sich das Schmiedeeisen noch als „trocken“ und „schlackig“.
Alles Eisen hat mehr oder weniger Schlacke, und zwar
von 1 bis 3 Percent. Hat es zu wenig Schlacke, dann
ist das Eisen krystallinisch anstatt sehnig und es wird
als trockenes Eisen bezeichnet. Trockenes Eisen hat
manchmal eine ziemlich hohe .Bruchgrenze, aber geringe