Volltext: II. Jahrgang, 1897 (II. JG., 1897)

Nr. 22. 
ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Seite 171. 
bäude ist einer eisernen Brücke ähnlich. Diese wird auf 
einem Ende aufgestellt und von einer Steinmauer um¬ 
geben. In diesem zweihundertstöckigen Gebäude muss 
die Brücke natürlich sehr lang sein. Neben diesem Bau 
wird sich das 23stöckige Gebäude der American Surety 
Company etwa ausnehmen wie ein aus der Erde sprossen¬ 
der Schwamm neben einer alten Eiche. Das King-Gebäude 
wird auf jeder Etage 120.000 Quadratfuss Flächenraum 
haben, auf den 200 Etagen also 24 Millionen Quadratfuss. 
Es soll 100.000 separate Bureaux enthalten und unter 
einem Dache 400.000 Personen Arbeitsraum bieten. Das 
Gebäude wird mit elektrischen Fahrstühlen ausgestattet sein- 
Fahrstuhlfabrikanten sind der Ansicht, dass es nicht vie} 
schwieriger sein werde, einen Fahrstuhl für das 200stöckige 
Gebäude zu erbauen, als für ein 20stöckiges. Im King- 
Gebäude werden sich wenigstens 50 Fahrstühle befinden. 
Diese sollen zweierlei Art sein. Manche werden, wenn es 
gewünscht wird, in jedem Stockwerke anhalten, während 
andere, wie Schnellzüge, nur vielleicht im 25., 50., 75. 
100. Stockwerk etc. anhalten werden. Diese „Schnellfahr¬ 
stühle“ werden ihre Reise aus dem Erdgeschoss bis in 
das 200. Stockwerk in 21/2 Minuten zurücklegen, während 
die anderen Fahrstühle etwa 10 bis 20 Minuten zu fahren 
haben werden. In jedem Stockwerk des Gebäudes soll 
sich eine besondere Art von Geschäften befinden, so dass 
im ganzen 200 verschiedene Geschäftsarten in dem King- 
Gebäude vertreten sein werden. In der ersten Etage 
werden sich vielleicht die Juweliere befinden, in der 
zweiten die Eisenwarenhändler, in der dritten die Sattler etc- 
Das Gebäude soll sozusagen eine ganze Stadt unter einem 
Dach vereinen. Es wird nicht an Restaurationen, Barbier¬ 
läden, Kleiderläden, Apotheken, Aerzten etc. fehlen. Das 
grosse Dach soll im Sommer in einen grossen Garten 
verwandelt und im Winter mit einem Glasdach bedeckt 
werden. Das Wetteramt wird wahrscheinlich seine Beobach¬ 
tungen auf dem Dache machen. Vermuthlich wird die grosse 
me des Gebäudes den Wetterbeamten bedeutende Dienste 
x. ;en. Dass das King-Gebäude alle bisher erbauten Ge¬ 
bäude an Höhe überragen wird, braucht kaum gesagt zu 
w den. Es wird aber erwartet, dass, nachdem es erbaut? 
aixviere feuerfeste Gebäude seiner Art in New-York unter¬ 
halb der 23. Strasse errichtet werden. Die Mauern sind 
nach den Plänen nahezu 16 Fuss dick und nehmen nach 
oben zu natürlich an Dicke ab — so lesen wir in einem 
amerikanischen Fachblatt, das dies zu wissen vorgibt. 
Neue plastische Verzierungsweise.*) 
In der neueren Zeit tritt an allen Orten das Bestreben 
zu Tage, die verschiedensten Baulichkeiten, ganz gleich 
zu welchem Zwecke sie bestimmt sind, mit plastischen, 
theils ornamentalen, theils auch figürlichen Verzierungen 
zu schmücken. Wo es sich um monumentale Bauten 
oder solche handelt, die besonders schön und solid aus¬ 
*) Hierzu bemerkt die „Deutsche Bauhütte": Diese Ver¬ 
zierungweise ist schon seit vielen Jahren in Amerika in Gebrauch, 
sogar in noch weitgehenderem Maße, da häufig die ganzen Flächen 
der Decken und Wände mit einer Art Kammarbeit behandelt 
werden, in welche hinein oder durch welche sich die oben be¬ 
sprochenen freien Ornamente hindurch schlingen; meist werden 
die Friese und Umrahmungen mit gröberen, die Flächenfelder mit 
feineren Kämmen schnörkelartig bearbeitet. Aber diese Behand¬ 
lungsweise hat bei Innenwänden einen grossen Nachtheil: die 
dadurch entstehenden Erhabenheiten und Rauhheiten der senk¬ 
rechten Wände sind Staubfänger und geben den Wänden bald ein 
schmutziges Aussehen durch den auflagernden Staub, der aller¬ 
dings andererseits die Qrnamentierung kräftiger her vor treten lässt. 
geführt werden sollen, wird immer Sandstein benützt 
werden, doch wo dies, der hohen Kosten wegen nicht 
angängig ist, wird Gips, zuweilen auch Cement oder ge¬ 
brannter Thon zur Verwendung gelangen. Es ist nicht 
zu leugnen, dass ein Bauwerk, mit plastischen Verzierungen 
versehen, immer einen angenehmeren und freundlicheren 
Eindruck machen wird, als ein solches, wo dergleichen 
nicht vorhanden sind. Doch ist die Herstellung von 
plastischen Ornamenten nicht so leicht ausführbar, da 
für die Ausführung in Sandstein wie auch in Gips u. s. w. 
erst Modelle geschaffen werden müssen, die für das zuerst 
genannte Material, als Vorlagen, von den Steinbildhauern 
benutzt und in mühsamer und zeitraubenderWeise copiert 
werden, während dieselben, sollen die Verzierungen nur 
etwa in Gips oder Cement ausgeführt werden, durch 
wiederholtes Abformen, Transport, Versetzung und einen 
nochmaligen Farbenanstrich an Schärfe der Modellierung 
einbüssen. 
Da wurde nun in neuester Zeit ein Verfahren, wenn 
auch nicht erfunden, so doch erneut zur Anwendung 
gebracht, welches keine der zuletzt bezeichneten Uebel- 
stände aufzuweisen hat, ausserordentlich haltbar ist, trotz 
etwaiger flacher Behandlung kräftig wirkt, auch keines 
Modelles, sondern nur eines geschickten Bildhauers, der 
im Zeichnen und Modellieren, sowie im Erfinden von 
Ornamenten, Figuren, Blumen, Blüten und Blättern be¬ 
wandert ist, bedarf. Diese neue Verzierungsweise, man 
könnte sie ein Auftrag verfahren nennen, wird wie folgt 
zur Ausführung, gebracht: Zunächst wird mit Kohle die 
auszuführende Verzierung in grossen Umrissen aufge¬ 
zeichnet und dieselbe aus dem Putz mit dem Eisen aus¬ 
geschnitten oder ausgehackt, dann wird je zur Hälfte 
Kalk mit Cement gemischt, etwas feingesiebter „Fluss¬ 
sand“ hinzugefügt und diese Mischung, da, wo die Ver¬ 
zierung hinkommen soll, mit dem Gipseisen aufgetragen 
und sofoit mit dem Modellierholz und Gipseisen in die 
gewünschte Form gebracht. Es ist durch dieses Ver¬ 
fahren möglich, die mannigfaltigsten Modellierungen und 
Gestaltungen der Ornamente wie Reliefs vorzunehmen, 
man kann dieselben und dies ist besonders wertvoll, auch 
unterschneiden, wodurch eine bedeutungsvolle Wirkung 
und Schattenbildung, selbst bei ganz flacher Behandlung, 
erzielt wird. — Auch ist es möglich, Aenderungen ohne 
grosse Mühe und Kosten vornehmen zu können. 
Als ein beredtes Beispiel dieser neuen Verzierungs¬ 
weise sei eine Villa in der Parkstrasse in Dresden genannt, 
die von dem Architekten Grothe aus Braunschweig im 
gothischen Stil praktisch und schön erbaut und von dem 
Bildhauer Hasenohr in der geschicktesten Weise reich 
und elegant im Aeusseren wie auch im Inneren decoriert 
wurde. — Man sieht da beispielsweise einen Fries, durch 
dessen Blätterlaub ein Stab gesteckt ist und der von dem 
Laubwerk in ganz charakteristischer Weise umschlungen 
wird; Füllungen mit Wappen, Putten mit Früchten u. s. w., 
und da der Besitzer ein Freund der Jagd ist, so fehlen 
auch die Hinweise auf dieselbe nicht, so sehen wir in 
einer der Füllungen einen nackten Jungen mit einem 
Spiesse, der einen Hasen zu erlegen sucht, während in 
einer anderen eine Pute mit einem grossen Raubvogel 
sich in einen Kampf eingelassen hat. Ferner gibt es 
Füllungen, in denen Bänder mit Ornamenten umschlungen 
eingeordnet sind; das Letztere ist nicht stilistisch streng 
gehalten, sondern im Gegentheil, es ist mehr unsymme¬ 
trisch und namentlich naturalistisch gehalten, die Blatt¬ 
partien erhalten hier und da kleine Ueberfälle, wodurch
	        
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