Volltext: II. Jahrgang, 1897 (II. JG., 1897)

Seite 162. 
ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Nr. 21. 
theilung der Wege daroh Schaffung einiger Hauptpunkte 
fehlt ganz, und so ist es in dem engen Gewirre oft selbst 
dem Einheimischen schwer, die Ruhestätte seiner Lieben 
aufzufinden. Freilich fällt die Friedhofsanlage in eine 
Zeit, in welcher man weder die finanziellen Mittel, noch 
die technischen Kräfte zur Verfügung hatte, den Friedhof 
einer Landeshauptstadt würdig anzulegen, und deshalb 
jetzt gegen die beiden Provinzstädte Wels und Ried in 
dieser Hinsicht zurückstehen muss. Bekanntlich gehören 
die Friedhöfe in genannten Städten zu den schönsten, 
die wir in Ober Österreich aufzuweisen haben. Während 
der Welser Friedhof von einem schönen Renaissancebau 
umrahmt wird, umschliesst den Gottesacker in Ried ein 
stilvolles gothisches Bauwerk mit 91 Arcaden, das auf 
den Beschauer einen überaus günstigen Eindruck macht. 
Was die Ausschmückung der Gräber auf dem Linzer 
Friedhöfe anbetrifft, so findet sich darin manches Er¬ 
freuliche. Unter den Monumenten kommen alle Arten 
vor: die runden, die pilaster-gezierten viereckigen, die 
als Baldachin ausgebildeten, deren Hauptzweck die Auf¬ 
nahme der Porträtfigur ist, und mehrere Obeliske, doch 
nur wenige davon von edlem Gestein. Nur das einzige 
gothische Denkmal an der Ruhestätte der Familie Wim- 
hölzel, nach dem Entwürfe des Bauleiters am Maria 
Empfängnisdom, kann Anspruch auf wahre künstlerische 
Gestaltung machen. Unter den neu angelegten oder um¬ 
gestalteten Grabstätten greifen wir das Epitaphium der 
Familie Dürrnberger heraus, welches nach Ableben des 
bekannten Hof- und Gerichtsadvocaten Herrn Dr. Adolf 
Dürrnberger die tiefgebeugte Gattin des Verschiedenen, 
Frau Olga Dürrnberger, im alten Friedhofe, Section VIII, 
Nr. 149, durch den hiesigen Architekten Herrn Raimund 
Jeblinger umgestalten liess. 
Der Architekt hat es, wie vorstehende Illustration 
ausweist, verstanden, mit einfachen Mitteln die Grabstätte 
schön und dauerhaft zu zieren, und derselben eine be¬ 
sondere anziehende Eigenart zu verleihen. Schon das 
in der Mitte aufgestellte schmiedeiserne Kreuz aus 
Windischgarsten, dem Hauptort, wo einst die Schmiede¬ 
eisenkunst in Oberösterreich ihre herrlichsten Blüten 
trieb, liefert den Beweis, dass die Auftraggeberin zur 
Ausschmückung des Epitaphiums im Sinne ihres ver¬ 
storbenen Gatten handelte,, und daher nur Gegenstände 
von künstlerischem Werte anbringen liess. Das kunstvoll 
ausgeführte Kreuz, vielleicht schon 200 Jahre alt, enthält 
in der Mitte ein zu öffnendes Thürchen, und im Innern 
eine gravierte Kupfertafel mit einer Inschrift. Sowohl das 
Gitter als die Umrahmungen der Stifttafeln, welche aus 
geschliffenen Kehlheimer Platten gefertigt sind, wurden 
nach den Motiven des Kreuzes laut Vorlage des Architekten 
vom Kunstschlosser Mittermayer in Ottensheim kunstvoll 
ausgearbeitet und bilden zusammen ein harmonisches 
Ganzes. 
Wir schliessen unseren Aufsatz mit dem Wunsche, 
dass bei der Anlage eines neuen Friedhofes in Linz alle 
erwähnten Fehler in Bezug auf Anordnung und Aus¬ 
schmückung vermieden werden mögen, denn hier muss 
Zweck und Form übereinstimmen, denn hier ist nur das 
wahrhaft praktisch, was wahrhaft ideal ist, was dem 
inneren Bedürfnisse des Volkes entspricht. Das innere 
Bedürfnis geht beim Einzelnen aber stets darauf hinaus, 
dem geliebten Todten die letzte Ruhestätte möglichst 
schön zu gestalten. Das sehen wir täglich an dem weh- 
müthigen Behagen, mit welchem die Gräber stets von 
neuem geschmückt und unterhalten werden, an jener 
liebevollen Sorgsamkeit, mit welcher man das Grab 
gerade so herzurichten sich bestrebt, dass es auch den Ge¬ 
fühlen, den Wünschen und dem Geschmacke des Ver¬ 
storbenen entsprochen haben würde. Also der Einzelne, 
der Stifter des Denkmals hat den besten Willen, hat das 
Bedürfnis nach vollendeter Gestaltung, und es liegt that- 
sächlich also nur an der mangelhaften Gesammtanlage 
der Friedhöfe, wenn wir meist unbefriedigt diese Stätte 
verlassen. Kornhoff er. 
Vorzugspfandrecht der Bauhandwerker. 
Im österreichischen Abgeordnetenhause haben die 
Abgeordneten Dr. Gustav Pessler und Genossen einen 
Gesetzesentwurf zum Schutze der Bauhandwerker ein¬ 
gebracht, welchen wir umso freudiger begrüssen, als 
derselbe mit jenem Gesetzesentwurfe, welchen der Ver¬ 
band der Wiener Bauinteressenten im April d. J. beschlossen 
und sowohl der Regierung als auch dem Abgeordneten¬ 
hause im Wege einer Petition vorgelegt hat, in allen 
Details vollkommen übereinstimmt. 
Der Antrag der Abgeordneten Dr. Gustav Pessler 
und Genossen Iahtet: 
„Bedenklich vermehren sich die Fälle, dass Gewerbe¬ 
treibende, welche Arbeiten bei Neubauten übernehmen, 
in schwindelhafter Weise um die von diesen Arbeiten 
ausstehenden Beträge gebracht werden. 
Es bilden sich nämlich ganze Consortien, welche sich 
mit speculativem Bau von Häusern befassen, jedes noch 
im Rohzustände befindliche Stockwerk verpfänden und 
dann ihre Zahlungsunfähigkeit erklären. Der Bau wird 
dann von einem .Mi.tglie.da dieses Schwindelconsortiums 
im Licitationswege erstanden und der Baugewerbe¬ 
treibende ist um die Frucht seines Fleisses gebracht, in 
vielen Fällen zu Grunde gerichtet. Da diese Vorkommnisse 
sich in äusserst bedenklicher Weise wiederholen, ist ein 
gesetzlicher Schutz gegen solche empörende Ausbeutung 
dringlich nöthig, und beantragen daher die unterfer¬ 
tigten Abgeordneten: Das hohe Haus wolle dem folgenden 
Gesetzesentwurfe die verfassungsmässige Zustimmung 
ertheilen.“ 
Der Gesetzentwurf lautet : 
„1. Das Ansuchen um Ertheilung der Bewilligung 
zu einem Baue ist vorerst dem Gerichte, bei welchem 
das Grundbuch über das Grundstück geführt wird, zum 
Zwecke der Anmeldung im Grundbuche vorzulegen, das¬ 
selbe ist von dem Eigenthümer des Grundstückes in be¬ 
glaubigter Form zu unterfertigen. Das Grundbuchsgericht 
hat das Gesuch unter Bekanntgabe sämmtlicher Gläubiger, 
für welche auf dem Grunde Pfandrechte zur Zeit des ge¬ 
stellten Ansuchens bestehen, an die zur Bewilligung des 
Baues berufene Behörde erster Instanz zu leiten. 
2. Die Baubehörde hat zu der über das Ansuchen 
um Baubewilligung anzuordnenden commissionellen Ver¬ 
handlung sämmtliche Pfandgläubiger (auf das Grund¬ 
stück) zu laden. 
3. Erhebt ein Pfandgläubiger gegen den Bau Ein¬ 
sprache, so darf derselbe nur dann bewilligt werden, 
wenn der Grundeigenthümer den Betrag der betreffenden 
Schuld bezahlt, eventuell bei Gericht erlegt. 
4. Die geschehene Anmerkung des Ansuchens um 
Baubewilligung hat die Wirkung, dass diejenigen For¬ 
derungen, für welche das Pfandrecht erworben worden 
| ist, im Falle der Zwangsversteigerung des Gebäudes ihre
	        
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