Volltext: II. Jahrgang, 1897 (II. JG., 1897)

Nr. 19. 
OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Seite 147. 
stammt aber erst aus den Siebzigerjahren. Verschiedene 
Umstände verhinderten jedoch die Durchführung dieser 
für den Umschlagsverkehr Wiens so hochwichtigen An¬ 
gelegenheit. Es wurde nur ein Schutzhafen in Fischamend 
angelegt, fern von der Metropole und ungeeignet für 
den Umschlagsverkehr. Der in Korneuburg befindliche 
Werfthafen entspricht hinsichtlich seiner Grösse und 
Anlage nicht den modernen Anforderungen, und so ent¬ 
behrt Niederösterreich heute noch vollständig einer 
Hafenanlage, wie sie der Schiffahrtsverkehr erheischen 
würde. Nun ist die ungarische Regierung daran, bei 
Pressburg einen grossen Schutz- und Verkehrshafen zu 
schaffen, welcher geeignet wäre, den ganzen Verkehr in 
der Donaustrecke ober Budapest an sich zu reissen und so 
den Wiener Platz zu schädigen. 
Anlässlich der am 16. und 17. August 1. J. von der Donau- 
regulierungs-Commission veranstalteten Strömschaufahrt 
(veranlasst durch die Hochwasserschäden) hielt Strom- 
baudirector Weber v. Ebenhof auf dem Schiffe selbst 
über das Hafenanlagenproject einen Vortrag an der Hand 
der Pläne. Darnach soll der Freudenauer Schutz- und 
Winterhafen in dem Dreiecke zwischen dem Donaustrome 
und dem unteren Donaucanale an jener Stelle angelegt 
werden, woselbst sich heute ein abgebauter Arm des 
Strombettes befindet. Derselbe hat eine benützbare Wasser¬ 
fläche von 41-6 Hektar und eine Uferlänge von über 
6000 Meter. Es ist in diesem Projecte Vorsorge getroffen, 
dass dieser Hafen, welcher vorerst als Schutz- und 
Winterhafen zur Ausführung beantragt :st, in der Zukunft, 
sobald sich die Nothwendigkeit herausstellt, als moderner 
Verkehrshafen ausgestattet werden kann, der dann bei 
einer benützbaren Wasserfläche von 57 Hektar und 
8000 Meter Uferlänge den leichten Umschlag für 400 Schiffe 
grösster Construction gestattet. Schon der dermalen zur 
Ausführung projectierte Theil der Gesammtanlage, welcher 
zunächst als Schutz- und Winterhafen dienen soll, wird 
Raum für über 400 Sohiffe bieten, wobei jener Theil des 
Hafenbeckens, der zwischen dem Hafenmunde und der 
Donauuferbahn gelegen ist, nur als Vor- und Manöver¬ 
hafen betrachtet ist. 
Oberhalb der Brücke der Donauuferbahn ist der 
eigentliche Hafen projectiert, welcher aus einem Mittel¬ 
hafen, zwei Seitenhäfen und schliesslich dem Werfthafen, 
der aus Korneuburg hieher verlegt werden wird, besteht. 
Zwischen diesen einzelnen Hafen werden sich Zungen¬ 
quais befinden, welche mit Geleiseanlagen, Verlade¬ 
vorrichtungen, Schuppen, Magazinen, Lagerplätzen und 
Zufahrtsstrassen dermaßen versehen sein werden, wie es 
für einen modernen Hafen erforderlich erscheint. Sämmt- 
liche Ufer werden theils mit Quaimauerungen, theils mit 
gepflasterten und mit Steinplatten geschützten Böschungen 
versehen sein. Es soll dieser Hafen vollkommen hoch¬ 
wassersicher gemacht werden. Auf Wunsch der Donaü- 
Dampfschiffahrts-Gesellschaft, welche mit dem in Korneu¬ 
burg heute zur Verfügung stehenden Raum füi die 
Schiffswerfte bei weitem nicht mehr das Auslangen findet, 
ist am oberen Ende des Hafenbeckens der Raum für die 
Anlage einer modernen Werft in Aussicht genommen. 
Die Kosten für die Ausführung dieser Anlagen sind 
mit zwei Millionen Gulden veranschlagt. Es ist im 
Interesse von Wien gelegen, dass dieser Hafen ehestens 
zur Ausführung gelange, damit nicht der Wiener Platz 
durch die Ausführung des Pressburger Hafens geschädigt 
werde, und damit in dem Momente, wo die schon lange 
zum Bedürfnis gewordene Schiffahrtsstrasse von der 
Donau zur Elbe und zur Oder ausgebaut sein wird, ein 
Centralpunkt zur Bergung der Schiffe und Waren und 
für den Umschlagsverkehr der Schiffahrt vorhanden ist. 
Sollte nach Ausbau des Donau-Oder- und Donau-Elbe- 
canals der Verkehr der Reichshauptstadt, wie zu erhoffen 
ersteht, grosse Dimensionen annehmen, so steht dann 
überdies noch das durch den Wiener grossen Durchstich 
abgebaute Flussbett der alten Donau mit seiner aus¬ 
gedehnten Wasserfläche zur Verfügung, wodurch die 
Grundbedingung gegeben ist, Wien zum Mittelpunkte 
des österreichischen Wasserstrassennetzes zu erheben. 
Nach dieser Richtung sind bereits Detailstudien im Zuge. 
Ausser diesem projectierten grossen Hafen, meldet 
das „Wiener Communalblatt“, aus dem wir vorstehenden 
Aufsatz entnehmen, ist auch für den Donaucanal, dessen 
Umwandlung in einen Handels- und Winterhafen im Zuge 
ist, die Anlage eines entsprechenden Vorhafens für die 
Kleinschiffahrt (grosse Steinboote, Holzschiffe, Trauner, 
Waidzillen, Flösse, Plätten und Obstschiffe) vor der Ab¬ 
zweigung des Donaucanals vom Strome wünschenswert 
und erforderlich, und es sind Studien im Zuge, in der 
Kuchelau bei Klosterneuburg eine derartige Hafenanlage 
zur Ausführung zu bringen. d. r. 
Mode in Bezug auf Einrichtung unserer Häuser. 
Mode ist Stil, Stil im beschränkten Maße, d. h. Aus¬ 
druck des Geschmackes eines kurzen Zeitabschnittes. Die 
Mode kann erfunden werden, ist aber meistens Anlehnung 
an Dagewesenes mit neuen Zuthaten. Vom Wechsel der 
Mode können wir erst in. der schnellebigen Zeit des 
19. Jahrhunderts sprechen. Die Stile vergangener Jahr¬ 
hunderte sind ebensogut Mode, ihre Entwickelung gieng 
eben nur langsamer vor sich, infolge von erschwerten 
Verkehrsverhältnissen. Wie oft finden wir den Fall ver¬ 
zeichnet, dass Kaiser und Oardinäle ihre Architekten und 
Meister einer bestimmten Kunst nach Italien oder anderen 
hervorragenden Kunstcentren entsandten, um Bau- oder 
sonstige Kunstwerke in der neuen Mode auszuführen. 
Genau so ist es heutzutage mit der Mode in Bezug 
auf Architektur und Kunstgewerbe. Wir haben im Laufe 
dieses Jahrhunderts, nachdem der Empirestil abgewirt¬ 
schaftet, sämmtliche Stilarten vergangener Jahrhunderte 
wieder ausgegraben, neu belebt, in Erscheinung treten 
lassen. Sie waren Mode und zwar meist nacheinander, 
zuerst im Aeusseren der Gebäude, dann aber auch in 
der inneren Einrichtung. Noch heute ist Rococo und 
Empire am Ruder, aber schon fühlen wir den Flügel¬ 
schlag der neuesten Mode, der überseeischen, das Klee¬ 
blatt : Englisch-Amerikanisch-Japanisch, welches wir mit 
dem Namen „Englisch“ bezeichnen. „Englisch“ bildet 
das erlösende Wort nach der strengen starren Form des 
Empire mit seinen matten kraftlosen Farben. 
Wie dem Rococo mit seinen verschwommenen 
Schnörkeln das strenge Empire folgen musste, so folgt 
nun der erstarrenden Steifigkeit die Rückkehr zur Natur. 
Les extremes se touchent. Englisch, Amerikanisch und 
Japanisch sind zwar drei ganz streng getrennte Stilformen, 
zeigen aber gemeinsame, charakteristische Eigenschaften. 
Es ist wieder einmal die ostländische Invasion, wie sie 
vor nahezu 200 Jahren unsere Porzellanindustrie beein¬ 
flusst hat, die sich hier geltend macht. Wir dürfen wohl 
das Japanische als den Vater des neu-englischen und 
amerikanischen Stiles betrachten, hierauf beruht die 
Aehnlichkeit beider, während die Abweichungen ihre
	        
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