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OBERÖSTERREICHISCHE bAUZEITUNG.
Nr. 17.
liehen Unternehmungen geworden ist, so liegt doch
immerhin in diesem Wettstreit, sofern er ehrlich geführt
wird, die kleinere Gefahr für das Gedeihen eines Ge¬
schäftes ; die bei weitem grössere Gefahr entspringt viel¬
mehr den vielfachen, von vornherein auf ungesunder
Grundlage ruhenden Etablierungen. Ehe der Handwerker,
namentlich wenn er ein grösseres Geschäft betreiben
will, zur eigentlichen Etablierung schreitet, sollte er wohl
überlegen, ob die für ein Gedeihen seines Unternehmens
erforderlichen Bedingungen auch wirklich vorhanden
sind, um der Ooncurrenz in jeder Weise ruhig gegenüber¬
treten zu können. Gründliche Erfahrungen und Leistungs¬
fähigkeit in seinem eigentlichen Beruf müssen mit dem
unerlässlichen pecuniären Capital verbunden sein, denn
ohne letzteres ist die Existenzfähigkeit von vornherein
ausgeschlossen. Nicht minder darf ausseracht gelassen
werden, ob die localen Verhältnisse für ein derartiges
Unternehmen überhaupt Aussicht auf das Vorwärts¬
kommen eröffnen. Dann ist vor allem auch auf eine
möglichst günstige Lage des Geschäftslocales Rücksicht
zu nehmen, wenngleich hiedurch höhere Kosten entstehen,
die sich aber indirect immer wieder bezahlt machen. In
Verbindung hiermit steht ferner eine entsprechende innere
und äussere Ausstattung der Bureauräume, um den ver¬
wöhnten Anforderungen der Neuzeit auch in diesem
Punkte gerecht zu werden.
Anderseits ist es richtig, dass der Handwerker heut¬
zutage mehr als je gezwungen ist, zu rechnen, sich
genaue Rechenschaft zu geben über die Möglichkeit und
Höhe des Gewinnes, d. h. dass der Handwerker kauf¬
männisch denken muss. Was nützt ihm alles Capital, alle
Maschinen, alle Kenntnisse, wenn er nicht kaufmännisch
richtig rechnet. Der Kaufmann kommt und sagt sich:
mit der und der Ware ist etwas zu verdienen, das
Stück darf nur so und so viel kosten, so und so viel
müssen wir umsetzen, und dann erst wird das Capital
in Bewegung gesetzt, die Fabrik gebaut, eingerichtet
und betrieben. Der Kaufmann muss sich dabei erst die
nöthigen Fachleute anstellen und versteht selbst oft gar
nichts vom Fach, und doch gedeiht er, während der im
Fach tüchtige Handwerker daneben zu Grunde geht. Wie
macht es aber der Handwerker? Er ist vielleicht ein
guter, brauchbarer Geselle seines Meisters, verdient ganz
hübschen Lohn, möchte aber zu gern selbständig werden^
selbst den Meister spielen. Da ist bald geholfen; ein
passendes Local wird gemietet, das Nöthigste an Hand¬
werkzeug und Waren auf Credit angeschafft, dann wird
annonciert, womöglich auch geheiratet, so — jetzt kann’s
losgehen ! Hat sich der Mann etwas erspart oder erheiratet,
so kann er’s etliche Zeit treiben, d. h. bis die Wechsel
für die auf Credit gekauften Waren einlaufen und be¬
zahlt werden müssen. Da fängt dann der Krebsgang
an und unser Handwerker findet auf einmal, dass
er eigentlich weniger verdiente, als sein früherer Lohn
ausmachte.
Wie kann das kommen? Unser Freund hat eben nicht
gerechnet. Wo bei seinem früheren Meister vielleicht fünf
Gesellen arbeiteten, arbeitet er allein, er muss aber die¬
selbe oder vielleicht eine noch höhere Miete zahlen,
vielleicht auch mehr für Heizung und Beleuchtung aus¬
geben. Oder er betheiligt sich an einer Submission. Das
letztemal hat er 10°/o abgeboten und nichts bekommen.
Diesmal will er ein übriges thun und bietet 20°/0 ab. Er
erhält die Lieferung und zahlt Geld dazu. Wie ist das mög¬
lich? Er konnte nicht rechnen; die Preise waren für
Grosshändler zugeschnitten; er, der theurer arbeitet, hätte
an der vollen Summe vielleicht 10°/o verdient. Eine Be¬
rechnung hätte ihm das sicher ergeben. Oder unser Mann
meinte, weil sein Concurrent zu dem und dem Preise
liefern kann, müsse es auch bei ihm gehen. Er vergisst
aber, dass jener, durch besondere Umstände begünstigt,
billiger liefern kann, als es ihm, ohne Schaden zu leiden,
möglich ist. Oder das letzte Jahr gieng das Geschäft gut,
es sind Erübrigungen gemacht worden. Da meint unser
Meister, es wäre noch besser gegangen, wenn er diese
oder jene Hilfsmaschine gehabt hätte. Die Einrichtung
wird geschafft, der Verdienst aber bleibt aus. Die
Maschine kann wohl mehr leisten, aber die Arbeit dafür
fehlt, die Arbeitseintheilung stockt, und am Ende des
zweiten Jahres findet man, dass die Maschine, an¬
statt zu verdienen, den Verdienst geschmälert hat. Wieder
ein Rechnungsfehler. Zuerst die sichere Arbeit, dann erst
die Erleichterung derselben durch theure Hilfsmittel.
Kurz — ein Handwerker, der nicht Buch führt und nicht
calculiert, wird niemals Einsicht in die Rentabilität seines
Geschäftes haben.
Im allgemeinen gilt für den Handwerker das, dass
er bei Berechnung und Feststellung seiner Preisforderungen
folgende Factoren ganz besonders in Betracht zieht:
1. Den Einkaufspreis der Rohware, der Halbfabrikate
oder der fertigen Waren, und zwar den Einkaufspreis
sammt allen damit verbundenen Unkosten (Spesen), wie
Verpackung, Verladen u. s. w.;
2. den etwaigen Abgang am Rohmaterial oder an
fertiger Ware durch Verderb, Abfall, Bruch u. s. w.;
3. die Zeit, welche nöthig ist, um ein gewisses
Quantum fertiger Arbeit herzustellen, oder um einen
gewissen Vorrath an Waren zu verkaufen;
4. die Kosten der Miete für Werkstätte und Lager¬
räume, die Beleuchtungs- und Heizungskosten, die Löhne
für Gesellen und Personal, für Inserate, Steuern u. s. w.,
kurz das, was man unter dem Begriff „Geschäftsunkosten*
versteht ;
5. die Amortisationsquote für Abnutzung an Werk¬
zeug, Maschinen u. s. w. und für allmähliche Tilgung
des in das Geschäft gesteckten Capitals;
6. die Zinsen für etwa zum Nutzen des Geschäftes
gemachte Schulden und endlich
7. die Quote für den eigenen Lebensunterhalt.
Wird dies alles bei Berechnung einer Arbeit oder bei
Feststellung der Verkaufspreise mit in Betracht gezogen,
dann kommt der richtige Preis, zu welchem der Hand¬
werker eine Arbeit liefern soll oder eine Ware verkaufen
kann, zum Vorschein. Dass solche Calculationen nicht
leicht sind, dass vielmehr dazu eine gewisse Uebung ge¬
hört, das ist einleuchtend; deshalb muss dies alles aber
auch schon früh gelernt werden, schon als Lehrling und
dann als Geselle, und zwar muss sowohl der Meister wie
die Schule hiezu Gelegenheit geben.
Ein bei der Calculation ferner nicht zu vergessender
Umstand ist der, dass bei uns in Deutschland leider
noch die Unsitte besteht, dass der Handwerker für lange
Zeit borgen muss, resp. dass er oft lange warten muss,
bis er sein Geld erhält. Hat ein Handwerker mehrere
solche Kunden, so muss er die Borgzeit mit in seine
Berechnung ziehen und sich dafür Zinsen zahlen lassen ;
denn das Geld, welches ihm auf solche Weise vorent¬
halten wird, kann er nicht anderweitig verwenden, wo¬
durch ihm selbst wieder gar mancher Verlust und
sonstige Unannehmlichkeiten entstehen.