Volltext: II. Jahrgang, 1897 (II. JG., 1897)

Seite 132. 
OBERÖSTERREICHISCHE bAUZEITUNG. 
Nr. 17. 
liehen Unternehmungen geworden ist, so liegt doch 
immerhin in diesem Wettstreit, sofern er ehrlich geführt 
wird, die kleinere Gefahr für das Gedeihen eines Ge¬ 
schäftes ; die bei weitem grössere Gefahr entspringt viel¬ 
mehr den vielfachen, von vornherein auf ungesunder 
Grundlage ruhenden Etablierungen. Ehe der Handwerker, 
namentlich wenn er ein grösseres Geschäft betreiben 
will, zur eigentlichen Etablierung schreitet, sollte er wohl 
überlegen, ob die für ein Gedeihen seines Unternehmens 
erforderlichen Bedingungen auch wirklich vorhanden 
sind, um der Ooncurrenz in jeder Weise ruhig gegenüber¬ 
treten zu können. Gründliche Erfahrungen und Leistungs¬ 
fähigkeit in seinem eigentlichen Beruf müssen mit dem 
unerlässlichen pecuniären Capital verbunden sein, denn 
ohne letzteres ist die Existenzfähigkeit von vornherein 
ausgeschlossen. Nicht minder darf ausseracht gelassen 
werden, ob die localen Verhältnisse für ein derartiges 
Unternehmen überhaupt Aussicht auf das Vorwärts¬ 
kommen eröffnen. Dann ist vor allem auch auf eine 
möglichst günstige Lage des Geschäftslocales Rücksicht 
zu nehmen, wenngleich hiedurch höhere Kosten entstehen, 
die sich aber indirect immer wieder bezahlt machen. In 
Verbindung hiermit steht ferner eine entsprechende innere 
und äussere Ausstattung der Bureauräume, um den ver¬ 
wöhnten Anforderungen der Neuzeit auch in diesem 
Punkte gerecht zu werden. 
Anderseits ist es richtig, dass der Handwerker heut¬ 
zutage mehr als je gezwungen ist, zu rechnen, sich 
genaue Rechenschaft zu geben über die Möglichkeit und 
Höhe des Gewinnes, d. h. dass der Handwerker kauf¬ 
männisch denken muss. Was nützt ihm alles Capital, alle 
Maschinen, alle Kenntnisse, wenn er nicht kaufmännisch 
richtig rechnet. Der Kaufmann kommt und sagt sich: 
mit der und der Ware ist etwas zu verdienen, das 
Stück darf nur so und so viel kosten, so und so viel 
müssen wir umsetzen, und dann erst wird das Capital 
in Bewegung gesetzt, die Fabrik gebaut, eingerichtet 
und betrieben. Der Kaufmann muss sich dabei erst die 
nöthigen Fachleute anstellen und versteht selbst oft gar 
nichts vom Fach, und doch gedeiht er, während der im 
Fach tüchtige Handwerker daneben zu Grunde geht. Wie 
macht es aber der Handwerker? Er ist vielleicht ein 
guter, brauchbarer Geselle seines Meisters, verdient ganz 
hübschen Lohn, möchte aber zu gern selbständig werden^ 
selbst den Meister spielen. Da ist bald geholfen; ein 
passendes Local wird gemietet, das Nöthigste an Hand¬ 
werkzeug und Waren auf Credit angeschafft, dann wird 
annonciert, womöglich auch geheiratet, so — jetzt kann’s 
losgehen ! Hat sich der Mann etwas erspart oder erheiratet, 
so kann er’s etliche Zeit treiben, d. h. bis die Wechsel 
für die auf Credit gekauften Waren einlaufen und be¬ 
zahlt werden müssen. Da fängt dann der Krebsgang 
an und unser Handwerker findet auf einmal, dass 
er eigentlich weniger verdiente, als sein früherer Lohn 
ausmachte. 
Wie kann das kommen? Unser Freund hat eben nicht 
gerechnet. Wo bei seinem früheren Meister vielleicht fünf 
Gesellen arbeiteten, arbeitet er allein, er muss aber die¬ 
selbe oder vielleicht eine noch höhere Miete zahlen, 
vielleicht auch mehr für Heizung und Beleuchtung aus¬ 
geben. Oder er betheiligt sich an einer Submission. Das 
letztemal hat er 10°/o abgeboten und nichts bekommen. 
Diesmal will er ein übriges thun und bietet 20°/0 ab. Er 
erhält die Lieferung und zahlt Geld dazu. Wie ist das mög¬ 
lich? Er konnte nicht rechnen; die Preise waren für 
Grosshändler zugeschnitten; er, der theurer arbeitet, hätte 
an der vollen Summe vielleicht 10°/o verdient. Eine Be¬ 
rechnung hätte ihm das sicher ergeben. Oder unser Mann 
meinte, weil sein Concurrent zu dem und dem Preise 
liefern kann, müsse es auch bei ihm gehen. Er vergisst 
aber, dass jener, durch besondere Umstände begünstigt, 
billiger liefern kann, als es ihm, ohne Schaden zu leiden, 
möglich ist. Oder das letzte Jahr gieng das Geschäft gut, 
es sind Erübrigungen gemacht worden. Da meint unser 
Meister, es wäre noch besser gegangen, wenn er diese 
oder jene Hilfsmaschine gehabt hätte. Die Einrichtung 
wird geschafft, der Verdienst aber bleibt aus. Die 
Maschine kann wohl mehr leisten, aber die Arbeit dafür 
fehlt, die Arbeitseintheilung stockt, und am Ende des 
zweiten Jahres findet man, dass die Maschine, an¬ 
statt zu verdienen, den Verdienst geschmälert hat. Wieder 
ein Rechnungsfehler. Zuerst die sichere Arbeit, dann erst 
die Erleichterung derselben durch theure Hilfsmittel. 
Kurz — ein Handwerker, der nicht Buch führt und nicht 
calculiert, wird niemals Einsicht in die Rentabilität seines 
Geschäftes haben. 
Im allgemeinen gilt für den Handwerker das, dass 
er bei Berechnung und Feststellung seiner Preisforderungen 
folgende Factoren ganz besonders in Betracht zieht: 
1. Den Einkaufspreis der Rohware, der Halbfabrikate 
oder der fertigen Waren, und zwar den Einkaufspreis 
sammt allen damit verbundenen Unkosten (Spesen), wie 
Verpackung, Verladen u. s. w.; 
2. den etwaigen Abgang am Rohmaterial oder an 
fertiger Ware durch Verderb, Abfall, Bruch u. s. w.; 
3. die Zeit, welche nöthig ist, um ein gewisses 
Quantum fertiger Arbeit herzustellen, oder um einen 
gewissen Vorrath an Waren zu verkaufen; 
4. die Kosten der Miete für Werkstätte und Lager¬ 
räume, die Beleuchtungs- und Heizungskosten, die Löhne 
für Gesellen und Personal, für Inserate, Steuern u. s. w., 
kurz das, was man unter dem Begriff „Geschäftsunkosten* 
versteht ; 
5. die Amortisationsquote für Abnutzung an Werk¬ 
zeug, Maschinen u. s. w. und für allmähliche Tilgung 
des in das Geschäft gesteckten Capitals; 
6. die Zinsen für etwa zum Nutzen des Geschäftes 
gemachte Schulden und endlich 
7. die Quote für den eigenen Lebensunterhalt. 
Wird dies alles bei Berechnung einer Arbeit oder bei 
Feststellung der Verkaufspreise mit in Betracht gezogen, 
dann kommt der richtige Preis, zu welchem der Hand¬ 
werker eine Arbeit liefern soll oder eine Ware verkaufen 
kann, zum Vorschein. Dass solche Calculationen nicht 
leicht sind, dass vielmehr dazu eine gewisse Uebung ge¬ 
hört, das ist einleuchtend; deshalb muss dies alles aber 
auch schon früh gelernt werden, schon als Lehrling und 
dann als Geselle, und zwar muss sowohl der Meister wie 
die Schule hiezu Gelegenheit geben. 
Ein bei der Calculation ferner nicht zu vergessender 
Umstand ist der, dass bei uns in Deutschland leider 
noch die Unsitte besteht, dass der Handwerker für lange 
Zeit borgen muss, resp. dass er oft lange warten muss, 
bis er sein Geld erhält. Hat ein Handwerker mehrere 
solche Kunden, so muss er die Borgzeit mit in seine 
Berechnung ziehen und sich dafür Zinsen zahlen lassen ; 
denn das Geld, welches ihm auf solche Weise vorent¬ 
halten wird, kann er nicht anderweitig verwenden, wo¬ 
durch ihm selbst wieder gar mancher Verlust und 
sonstige Unannehmlichkeiten entstehen.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.