Volltext: Johannes von Gmunden, der Begründer der Himmelskunde auf deutschem Boden

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Rudolf Klug. 
Vor diesen drei Gelehrten finden wir auf deutschem 
Boden keinen namhaften Vertreter mathematischen und 
astronomischen Wissens. Wohl hatten diese Zweige in den 
Klöstern von alters her immer eine Pflege gefunden, Hermann 
der Lahme, der Hermannus contractus des Klosters Rei 
chenau am Bodensee (gest. um 1050), sei hier als einer der 
frühesten und bedeutendsten Kenner der beiden Wissen 
schaften genannt. Doch niemand dachte an eine Erweiterung 
oder Vertiefung, man begnügte sich mit der Erhaltung der 
von den Griechen und Arabern überkommenen Erkenntnisse. 
Allgemeinere Verbreitung fanden sie erst durch die Hohen 
Schulen, besonders die von Paris. Als Heinrich von Langen 
stein 1 um 1314 das Statut der Wiener Universität nach dem 
Vorbild des Pariser Studium generale entwarf, nahm er auch 
diese Fächer auf, und es wurden den Vorlesungen die näm 
lichen Schriften wie dort zugrunde gelegt. 
In der Mathematik hatte man die Zusammenstellung des 
Johannes de Sacrobosco Be algorismo, die in Versfonm die 
Vorschriften für die vier Grundrechnungsarten und die viel 
gebrauchten Proportionen enthielt. In Wien tauchen schon 
1391 die Vorlesungen Arismethica und die Proportiones 
breves des Bradwardinus auf, die sich mit den früheren bis 
tief ins 16. Jh. hinein behaupten. Ein sehr merkwürdiger 
Gegenstand ist die immer wiederkehrende Vorlesung Lati 
tudo formarum nach dem berühmten französischen Gelehrten 
Oresme (gest. 1382 in Paris), von der Günther in seiner 
Geschichte der Mathematik sagt: ,Dieser offizielle Gegen 
stand hat sich bei näherem Zusehen als völlig identisch mit 
unserer Koordinatengeometrie erwiesen. Forma ist eine von 
der Zeit abhängige Erscheinung, latitudo die nach einem be 
stimmten Maßstab gemessene Darstellung der Wucht, mit der 
eine Erscheinung auf unsere Sinne wirkt. Die latitudo ist 
1 Heinrich von Langenstein in Hessen studierte in Paris, war dort 
seit 1363 Lehrer der Philosophie, beschäftigte sich auch mit Mathe 
matik und Astronomie. Infolge der durch die Kirchenspaltung 
hervorgerufenen Streitigkeiten verließ er Paris und folgte 1383 
einem Puf nach Wien, wo er sich durch seine Ratschläge wie durch 
seine Lehrtätigkeit die größten Verdienste erwarb.
	        
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