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Bestrafte Neugier.
In einem Bbteil der Dritten sah ein Kapuzinerpater und
lispelte fein Brevier, wenn er nur bald fertig wäre, dachten
sich die Zahrtgenossen. £s waren Herren, denen man das echte
tTlünchnertum, Frohsinn und Vierdurst, ansehen konnte. Sie
hatten sich an diesem Pater nicht getäuscht, er war ein capucinus
jocosus. wie er das Buch weggelegt hatte, verflog aller Ernst
auf feiner Stirne und immer gemütlicher wurde die Unterhaltung.
Die kleine, heitere Gesellschaft bedauerte es, als sie sich München
und dem Hbfchied näherten. Da kam einem der Herren plötzlich
ein Gedanke, so aufregend, dafz ihm vor Schrecken der Kneifer
von der Nase fiel, verblüfft fragte er: „Bber Herr Pater, was
machen Sie heute in München? wo kehren Sie zu?" „Im Kloster
Sankt Bnton," antwortete der Pater, „wie aber," liefe sich eine
teilnahmsvolle Stimme Horen, „finden Sie den weg? Sehen
Sie doch, es dunkelt schon, wie Sie selbst sagen, find Sie in
München ganz unbekannt." Jedoch nicht verlegen, erwiderte
der Pater: „Ich nehme ja die Straßenbahn." „Ohne Geld?"
fragte der Herr mit dem Kneifer. Des Paters Bugen leuchteten
schelmisch auf und wegwerfend sagte er: „was brauche ich Geld?"
„Da find wir neugierig wie das geht," erscholl es im Chore,
„und wir fahren mit." „Bitte, fahren die Herren mit," lud der
Kapuziner höflich ein, „dann werden die Herren schon sehen,
wie es geht." wirklich sie sahen es auch. Bis sie in der Straßen¬
bahn saßen, begehrte der Pater vom Schaffner eine Karte nach
Sankt Bnton und fügte schmunzelnd bei: „Die Herren hier be¬
zahlen." Die Herren lachten hellauf und jeder wollte bezahlen.
Der Herr mit dem Kneifer wurde Sieger. Bis der Schaffner
feine Pfennige hatte, sprach der Kapuzinerpater mit leisem hohn:
„wissen jetzt die Herren, wie es geht?"