Volltext: Braunauer Heimatkalender 1930 (1930)

57 
Bestrafte Neugier. 
In einem Bbteil der Dritten sah ein Kapuzinerpater und 
lispelte fein Brevier, wenn er nur bald fertig wäre, dachten 
sich die Zahrtgenossen. £s waren Herren, denen man das echte 
tTlünchnertum, Frohsinn und Vierdurst, ansehen konnte. Sie 
hatten sich an diesem Pater nicht getäuscht, er war ein capucinus 
jocosus. wie er das Buch weggelegt hatte, verflog aller Ernst 
auf feiner Stirne und immer gemütlicher wurde die Unterhaltung. 
Die kleine, heitere Gesellschaft bedauerte es, als sie sich München 
und dem Hbfchied näherten. Da kam einem der Herren plötzlich 
ein Gedanke, so aufregend, dafz ihm vor Schrecken der Kneifer 
von der Nase fiel, verblüfft fragte er: „Bber Herr Pater, was 
machen Sie heute in München? wo kehren Sie zu?" „Im Kloster 
Sankt Bnton," antwortete der Pater, „wie aber," liefe sich eine 
teilnahmsvolle Stimme Horen, „finden Sie den weg? Sehen 
Sie doch, es dunkelt schon, wie Sie selbst sagen, find Sie in 
München ganz unbekannt." Jedoch nicht verlegen, erwiderte 
der Pater: „Ich nehme ja die Straßenbahn." „Ohne Geld?" 
fragte der Herr mit dem Kneifer. Des Paters Bugen leuchteten 
schelmisch auf und wegwerfend sagte er: „was brauche ich Geld?" 
„Da find wir neugierig wie das geht," erscholl es im Chore, 
„und wir fahren mit." „Bitte, fahren die Herren mit," lud der 
Kapuziner höflich ein, „dann werden die Herren schon sehen, 
wie es geht." wirklich sie sahen es auch. Bis sie in der Straßen¬ 
bahn saßen, begehrte der Pater vom Schaffner eine Karte nach 
Sankt Bnton und fügte schmunzelnd bei: „Die Herren hier be¬ 
zahlen." Die Herren lachten hellauf und jeder wollte bezahlen. 
Der Herr mit dem Kneifer wurde Sieger. Bis der Schaffner 
feine Pfennige hatte, sprach der Kapuzinerpater mit leisem hohn: 
„wissen jetzt die Herren, wie es geht?"
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.