Volltext: Braunauer Heimatkalender 1930 (1930)

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eilte er schnurstracks zu Klaras elterlichem fjaufe, mit dem Vor¬ 
satz, sich durch keine wie immer gearteten Zwischenfälle ab¬ 
bringen zu lassen. Mit zitternder Hand zog er an dem Glocken¬ 
strang, der ein sonderbar klägliches Gebimmel hören lief*. Die 
Tür öffnete sich und ein entzückendes junges Mädchen stand 
ihm gegenüber. Eber, o Schreck, es war nicht Klara, sondern 
deren Schwester. 
„Guten Morgen, Herr Franz!" sprach sie lächelnden An¬ 
gesichtes, „was führt Sie denn schon zu so früher Stunde zu 
uns?" Franz fühlte, wie unter ihrer spöttischen Miene feine 
Vorsätze gleich Strohhalmen zusammenknickten. Hilf- und willen¬ 
los streckte er ihr das Bukett entgegen. „Eh, diese Blumen find 
reizend, ich danke Ihnen vielmals," fuhr Paula fort, und nahm 
dem völlig Entgeisterten den Maiglöckchenstrauß aus der Hand. 
1-i-i-i-ist da-a-as Fräu-äulein Kla-a-ara zu Haufe?" stotterte 
Franz hervor. „Eh, Sie wollen meine Schwester sprechen?" er¬ 
widerte Paula mit gemachter Naivität. „Sie ist noch in der 
Kirche, dürfte aber sehr bald kommen, wollen Sie vielleicht 
indes ein wenig im Hausgärtchen warten?" 
Franz folgte mechanisch dieser Aufforderung. Ganz ver¬ 
dattert fetzte er sich auf die grüne Bank und bemerkte kaum, 
dafz deren frifcher Anstrich feinen festlichen Kleidungsstücken 
eine schmähliche Spur ausdrückte. Alles schien sich gegen ihn 
verschworen zu haben, sogar die Stiefmütterchen, die ihn mit 
boshaften gelben Augen anblickten. Ls dauerte nur wenige 
Minuten, bis Klara erschien, doch diese Zeit schien ihm eine 
Ewigkeit. Freudig bewegt schritt sie Franz entgegen. Aber als 
sie den Blumenstrauß in der Schwefterhand bemerkte, wurde 
sie blaß, und auch Franz vermochte feine Fassung nicht mehr 
wiederzufinden. Die Affäre hätte wohl ganz unglücklich ge¬ 
endet, wenn nicht im letzten Augenblick die gute Tante Eulalia 
am Schauplatz erschienen wäre. Diese würdige Frau, eine ehr¬ 
same Witwe, war gleichsam der gute Schutzgeist ihrer Nichten. 
Sie wußte daher schon lange, wie es um Klaras Herz stand, 
und beschloß in dem Augenblick, als sie die verzweifelte Situ¬ 
ation erkannte, -helfend einzugreifen. Gerade als sich Franz 
empfehlen wollte, richtete sie an ihn die freundliche Einladung: 
„Nicht wahr, Herr Zranz, Sie kommen doch nächsten Samstag 
nachmittags zu meiner ©eburtstagsjaufe? Meine Nichten wer¬ 
den auch dort fein; du kommst doch auch, Klara?" wandte 
sie sich an ihre Nichte mit ermunterndem Blick. „Ja," sagte 
Klara, „ich komme auch," und sah mit den Augen eines ver¬ 
wunderten Rehes zu Franz empor. Dieser, vordem dem Unter¬ 
gänge nahe, griff nach der Tante tröstlichen Worten wie nach 
einem Rettungsfeil und mehrere Zentnerlasten fielen von feinem 
bedrückten Herzen. 
Die Geburtstagsjaufe der Tante war herangekommen, 
und diese hatte als Hausfrau vom alten Schlag sich nicht spot¬ 
ten lassen. Goldgelber Gugelhupf und duftender Kaffee hatten 
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