Volltext: Braunauer Heimatkalender 1928 (1928)

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Arbeit ist Gottesdienst. 
Die ganze Olatur ist gleichsam ein großes, 
herrliches Buch, wo jeder Buchstabe, das 
heißt zedes Geschöpf, sagt und lehrt, daß 
Gott Gutes gibt. ES kommt nur darauf 
an, daß man es erkennen will. 
A. Stolz. 
Die Natur ist auch ein großartiges Lehrbuch. Ähre Lehren und 
Winke sind nicht mit Buchstaben geschrieben, sondern liegen in Ge¬ 
stalten und Farben in unendlicher Ausdehnung und Fülle vor uns. 
Strenge, Gesetzmäßigkeit, Ordnung und Zusammenklang herrschen in 
der Natur. Von einem Mittelpunkte geht die Handlung des Ganzen 
aus, jedes einzelne strebt wieder dienend und erhaltend diesem Mittel¬ 
punkte zu. 
Eines ergänzt das andere, steht zu ihm in natürlicher Wechsel¬ 
beziehung. Alles hat seine Zeit, hat seinen Ort und seine Bestim¬ 
mung. Die Sonne geht jeden Tag zur bestimmten Minute aus und 
unter, feinen Augenblick früher und keinen später. Es mag Sommer 
oder Winter sein. Tag oder Nacht, gut oder schlimm, der Mensch 
und sein unruhiges Geschlecht mögen treiben, was sie wollen, die 
Ordnung wird nie unterbrochen. Wie im großen, so im kleinen. Der 
Wandervogel kommt und geht, wenn seine Zeit da ist. Äede Pflanze, 
jedes Kräutlein hat eine bestimmte Zeit des Blühenö und des Melkens, 
einen bestimmten Ort. Das Beilchen blüht im Frühling, die Herbst¬ 
zeitlose im Herbste, der Noggen auf dem Mer, die Alpenrose auf 
den Alpen, die eine pflanze im Wasser, die andere auf dem Lande. 
Jedes Geschöpf, öer unzufriedene Mensch ausgenommen, füllt freudig 
und treu die ihm angewiesene Stelle aus, sie mag bedeutend oder 
unbedeutend fein. 
Das Naturreich, das Arbeitsfeld des Landmanneö, ist ein sicht¬ 
bares Abbild des unsichtbaren Geisterreiches, seines Zusammenwirkens 
und feiner Ordnung und ist wieder Vorbild für das Neich öer sicht¬ 
baren Geister. Die Natur sieht bei ihrer Einrichtung aus das Wohl 
des Ganzen, dem das einzelne sich zum Opfer bringen muß. Hierin 
liegen tiefe Lehren und Winke des Herrn der Schöpfung, für den 
Aufbau einer gesellschaftlichen Ordnung, für den Herrscher wie für den 
Untertanen. Die Natur macht feine Sprünge. Sie übereilt sich nicht ■ 
und gelangt doch zu ihrem Ziele. Die Werfe Gottes entstehen nicht 
auf einmal. Erst das Samenforn, dann der Keim, dann Halm, Blatt 
und Blüte, endlich die Frucht. Sicher und still, aber bestimmt wan¬ 
delt sie ihren Weg, stufenweise zu immer größerer Vollfommenheit 
ansteigend. Auch darin liegt eine tiefe Lehre für jeden, für den Land- 
mann, für jeden Beamten und Lehrer, für den Handwerfsmann, wie 
für jeden einzelnen Menschen. Der Mensch täuscht sich, wenn er 
glaubt, auf einen Schlag ein vollfommenes Werf vollenden oder selbst 
vollfommen werden zu sönnen. 
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