Volltext: Braunauer Heimatkalender 1926 (1926)

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unb Hüterbuben stehen knieschlotternd unb bie Kinder verstecken sich 
Hinte.- den Rockfalten bet Weiber. 
„Ja, jetzt h>M ich>'s auch)" sagt der Hiuterstoißer unb fein 
Fernrohr zittert wie ein Lamplschweif. 
„Wie schant's denn ans?" fragen bie Dörfler angstbeKommen. 
„Mir kommt vor, wie ein Drudenkreuz," sagt ber Hinter- 
stoißer. 
„Ans is," jammert die Annamirl, die sich auf solche Zeichen 
auskennt, „dann bedeutet es ben Jüngsten Tag." 
„Halt aus," verbessert sich jetzt der Hiuterstoißer, „mir scheint, 
die Geschichte hat einen Schwanz —• wie ein Komet." 
„Nachher ist's doppelt g'fehlt," «meint die Annamirl, „denn ein 
Komet am hellichten Tag ist das allergrößte Unglück, das man sich 
denken kann." 
Jetzt ist der Komet schon so groß, baß man ihn mit Jreient1 
Auge sehen kann. Man hört auch schon ein Surren und Sausen 
— sind bas schon die Posaunen von Jericho, die den jüngsten Tag 
anblasen? Und das Ungeheuer kommt gerabe auf ben Sandhügel 
zu. Dem Hinterstöißerloisl geht vor Angst das Gewehr los,^ und 
feinem Vater fällt das Fernrohr aus der Hand. Die Haare stehen 
jedem zu Berg, und schwitzen tun sie ärger wie bei der Ernte. Tod- 
und läßliche Sünden fallen ihnen ein, bie schwere 9Jlenge,_ schier 
mehr, als auf dem Sandhügel Platz Haben. Ja, Sünden, so schwarz 
oft wie Bauerngeselchtes von „schwarzen" Säuen... 
In dieses Meer von Angst unb Entsetzen tönt jetzt wie Engels¬ 
ruf die Stimme des Weberpoldlhansl: „Das ist ja ein Flieger!" 
„Hältst gleich; dein gotteslästerliches Maul," poltert bie alte 
Annamirl, der gerade eine besonders schwere Jugendsünde einge¬ 
fallen ist bei ihrer Gewissenserforschung. Aber schon erhebt sich 
eine Stimme der Verteibigung: „Der Hansl könnt' nicht unrecht 
haben." Der Großknecht vom Steinjakl sagt's, der vielleicht noch 
zu wenig Sünden hat, weil er ja vier Jähre int Felde war, wo 
es kein Kammerfenster gibt. Die Stimmen, die das grausliche 
Himmelszeichen für einen Flieger halten, m'e'hten sich, besonders 
Bei den Feldzüglern, so daß auchi bie ärgsten Sünder den Blick 
Wieder nacy oben zu richten wagten. Unb richtig, jetzt segelt bas 
Flugzeug schon prächtig Wer den Sandhügel wegj, und von der 
Angst der Dörfler bleibt nicht mehr viel als höchstens da und bort 
ein Vorsatz, wenigstens die gröbsten Sünben zu nteiben, weil das 
Unheil für diesmal so glücklich unb gnabig abgewendet ist. 
Wre aber die Dörfler jetzt toieber in bie Stuben zurückkehren, 
um die unterbrochene Mahlzeit fortzusetzen, müssen sie zu ihrem 
Erstaunen bemerken, daß das Himmelszeichen doch eine Bedeutung 
gehabt hat. Denn beim1 Hiuterstoißer svwvhll wie auch beim Stein- 
fast, beim WeberpoM wie beim Senzfoauern, und nicht zuletzt beim' 
Girgüvieser ' ist kein Fasert Fleisch! inehr auf dem Tisch, und fein 
Mensch weiß, lov es hingekommen ist. Jetzt denken die Hausväter 
mit einiger Sorge an die „schwarzen Säue", und etwän war das' 
Flugzeug doch! ein Himmelszeichen, zur Warnung für die Zukunft. 
Denn mit rechten Dingen ist das unerklärliche Verschwinden der'
	        
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