Volltext: Braunauer Heimatkalender 1923 (1923)

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den wehrlosen Bewohnern von Weilern, Dörfern und Städten begangen 
wurden. Selbst weibliche Gauner und Räuberheldinnen tauchten damals 
auf, die es im großen Stile trieben. Merkwürdigerweise griff beim 
Publikum und selbst in den besseren Ständen eine gewisse Sympathie 
mit den geriebensten Gaunern und Räubern und eine stille Bewunderung 
für ihre abenteuerlichen'Taten um sich; mau stattete ihnen Besuche in 
den Gefängnissen ab und bedachte sie mit Spenden. Gewissenlose Roman¬ 
sudler benützten diese Stimmung und stellten die gefangenen und ge¬ 
richteten Räuber als Helden tragischen Geschicks dar, indem sie ihre 
Hinrichtung mit einer Gloriale umgaben. 
Seit Anfang des 18. Jahrhunderts begann die Polizei einen furcht¬ 
bar blutigen Kampf gegen das verbrecherische Treiben der Gauner und 
Räuber. Ganze Banden wurden hingerichtet. So wurden z. B. im No¬ 
vember 1726 in Gießen von einer Gaunerbande fünf Männer gerädert, 
t neun Männer gehenkt, drei Männer und acht Weiber geköpft. Da es 
aber nicht möglich war, die scharenweise eingefangenen Landstreicher und 
Gauner alle hinzurichten, mußte man Armen-, Arbeits- und Zuchthäuser 
errichten und die schwersten Verbrecher zu Festuugs- und öffentlichen 
Bauten verwenden. Dennoch hatten derartige Maßnahmen keinen vollen 
Erfolg; die unaufhörlichen Kriege unb die allmähliche Abschaffung der 
Folter begünstigten sogar bie weitere Ausbreitung bes Räuberwesens, 
das sich immer mehr zu einer sorgsam gepflegten Kunst entwickelte. Der 
im Jahre 1745 zu Hildburghausen hingerichtete Bandenführer Hans 
Georg Schwarzmüller gestand, daß seine seit 50 Jahren bestehende Bande 
in der Stärke von 150 Mitgliedern durch Schwaben, Bayern, Sachsen, 
Hannover und Hessen sich erstreckte und streng organisiert war. Die 
Wildheit und Roheit der Räuberanführer dieser Zeit übertrifft noch die 
Verworfenheit der Räuber zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges, die 
sich immerhin noch durch einen Zug von Räuber-Romantik, einen Hang 
zu Abenteuern und räuberische Tapferkeit hervortaten, wobei auch manche 
Züge von Menschlichkeit durchschimmerten. „In den schleichenden Banden 
des 18. Jahrhunderts erkennt man aber die bedachte Schule des Ver¬ 
brechens, den leisen Tritt des tückisch lauernden Bösewichts, der mit Ver¬ 
bissenheit mit dem tiefsten Groll gegen die sich zu einem Widerstande 
immer mächtiger heranbildenden Sicherheitsbehörden, die Gelegenheit er¬ 
schleicht, zur Nachtzeit, den Schläfer überfällt, beraubt, unter scheußlichen 
Mißhandlungen langsam hinschlachtet oder mit Kissen erstickt und zuletzt 
in Brand steckt, was er nicht mit sich schleppen kann. Wütende Rachsucht, 
boshafte Tücke, hämische Freude am Elend anderer, selbst der Kameraden, 
blutige Grausamkeit und ruchlose Lieberlichkeit charakterisieren Erscheinungen 
wie Hannikel, Wenzel, Rottele, Duli, Postel, Bastarbi, ben Hundssattler, 
den Bayrischen Hiesel, bas Sonnenwirtle, bie Mantua, Christine Schat- 
tinger, bas Schleiserbärble u. a., von denen bie llntersuchungsakten haar- 
sträubenbe Tatsachen enthalten." Um bie Mitte bes 18, Jahrhunderts 
trat bie Kunz'sche, Mehnert'sche nnd Hessische Bande, von 1758 bis 1768 
die fränkische und thüringische Bande mit großer Kühnheit auf. Reh* 
mann von der hessischen Bande stürmte mit 20 Kameraden die Fronfeste 
zu Brehua nnd befreite seinen Genossen Christels Schmied ans ihr: 
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