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spielten, um sich ein Nachtessen zu verdienen. Frauen und Töchter von
Beamten verdingten sich als Mägde oder gehörten , der — Stadt —.
(Ganz ähnlich ist es heute.)
Eine furchtbare Bestechlichkeit riß ein und untergrub das Ansehen
des früher mit Recht so hochgeachteten österreichischen Beamtenstandes."
Was uns diese hohe Finanzautorität mit klarer und nicht anzweifel-
barer Wahrhaftigkeit schildert, paßt so gar nicht zu den Lobeshymnen
„Ach, es war einmal!"
Aber wo bleiben die Lumpereien? Richtig, dieser hätten wir
beinahe ganz vergessen: Also, flugs vier solche herausgebeutelt aus der
moderigen Welt der guten alten Zeit, wo der Biedersinn, die Ehrlichkeit,
die Redlichkeit und Treue am hellichten Tage und in stockfinstrer Nacht
der Menschen stete Begleiter waren, wo es noch nicht so verderbt zu¬
gegangen ist wie heute.
So beginnen wir also mit der Lumperei Nummer 1.
Im Jahre 1779, am 29. März, brach in Schärding im damals
Johann Paul Pexerischen Brauhause, welches heute zum Hotel Altmann
gehört und die Buchhandlung Heiudl beherbergt, infolge Fahrlässigkeit
Feuer aus; 80 Häuser und die zierliche St. Sebastians-Kirche wurden
zerstört. Die Stadt Straubing hatte eine namhafte Brandsteuer der Stadt
Schärding zugewiesen. Weil Schärding damals schon österreichisch war,
mußte das Geld den Weg über Wien nehmen.
Die Schärdinger, erfreut über die treue Hilfe der braven ehemaligen
Schwesterstadt, dankten für den Betrag von 70 Gulden herzlichst.
Die Straubinger aber machten große Augen. Was soll das heißen,
dachten sie sich, wir schicken den Schärdingern 700 Gulden und die Ab¬
brändler bedanken sich nur für 70 Gulden. Wo blieben die restlichen
630Wulden>? Ja, wo blieben sie? fragen auch wir etwas befremdet. Die
eingehende Untersuchung, die über diese kuriose Geschichte gepflogen wurde,
ergab, daß ein Beamter in Wien der Ansicht war, daß den Schärdingern
zehn Prozent der geschenkten Summe auch genug sein müssen. Diese irr¬
tümliche Meinung,' welche, wie man sieht, keine neuzeitliche Erscheinung
ist — verschaffte dem biederen Beamten einen Posten beim Schiffzuge
in Ungarn. Als Schisfsknecht hatte der feine Großstadtrechenmeister Ge¬
legenheit, die wunderlichen Verkettungen des menschlichen Daseins philo¬
sophisch zu betrachten und das Zusammenwirken von Feuer und Wasser
auch in feinem Falle wieder untrüglich feststellen zu können. Hätte es
anno 1779 in Schärding nicht gebrannt, hätte er auch keine nasse Be¬
schäftigung bei den Donau-Schiff zügen gefunden.
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Die Lumperei Nr. 2 zeigt uns, daß der Ausspruch eines berühmten
Mannes: „Behüte mich Gott vor meinen Freunden, vor meinen Feinden
behüte ich mich selbst" einer tiefen Menschenkenntnis entsprungen ist.
Anno 1809: Der Franzos ist um bie Wege und stiehlt und raubt
und sengt und brennt. Da gilt es schnell sein und alles Wertvolle in
Sicherheit bringen.