Volltext: Braunauer Heimatkalender 1921 (1921)

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Ende. Zu Ende die Qual des Höffens und des Zweifelns, ob er, der 
ihre Lippen geküßt, der ihr heimlich heiße Liebesworte zugeflüstert, sie 
auch zu seinem Weibe machen werde. Warten habe sie sollen, bis er sich 
vergewissert, ob seine Heirat mit einem armen Mädchen nicht gegen die 
Familienbestimmung verstieß, die ihm ein reiches Erbe verklausulierte. 
Nicht, daß er ohue diese Erbschaft arm gewesen wäre, aber — „es reicht 
nicht für uns beide," hatte er gesagt. „Wir wollen doch leben, Liebling, 
nicht bloß vegetieren. Wenn ich jetzt heimreise, will ich mich nochmals 
genau über alles orientieren. Vielleicht geht's doch!" 
Sie Hatte erschauernd die Schultern eingeduckt und sich plötzlich 
voll Leidenschaft an ihn gehängt. 
„Die schwarze ober die weiße Kugel — denk dran, daß es das 
für mich bedeutet. Und — geht's nicht, dann schreib's mir nicht! 
Schreib' kein Nein, nur wie für mich die Kugel gefallen ist — schwarz 
— oder weiß — das schreib mir —." 
Dann war er abgereist zu seinen vornehmen, reichen Verwandten 
und sie hatte gewartet, Wochen und Wochen lang, bis endlich Ostern 
kam. Und in aller Osterfrühe sein Brief. Wie sie den an die Lippen 
preßte, bevor sie ihn erbrach! Weiß, es war weiß! Und wie sie am 
Boden lag, als sie's endlich begriffen, was er ihr schrieb. 
„Es geht nicht, es ist unmöglich. Ich finde keinen Lichtstrahl der 
Hoffnung für uns, mein armes Lieb. Schwarz — es ist schwarz —" 
Sie empfand nur immer diese letzten Worte. Die wühlten sich in 
sie hinein wie grausame Hände, die alles Licht in ihr erstickten, er¬ 
würgten. Grausam, grausam, am Fest der Auferstehung sie totzuschlagen. 
Es ging nicht, es war unmöglich. Und warum's unmöglich war, 
das hatte sie bald darauf erfahren — seine Verlobung mit einer reichen 
Braut. Das schlug sie vollends tot und half ihr doch beim Verwinden. 
Den Stolz peitschte es ihr wach und die schamvolle Erkenntnis, daß sie 
ihm ja nicht einen Augenblick lang etwas anderes gewesen war als ein 
Zeitvertreib, ein Spielzeug. Das arme Mädchen küßt man wohl, doch 
heim führt man sich die reiche Braut. 
Vorüber! Die Schmach, der Schmerz, die Liebe verwunden, be¬ 
graben, und kein Ostern konnte Gestorbenes wieder zum Auferstehen rufen. 
Sie hat das Licht gelöscht, sucht ihr Lager auf und wird beim 
hellen Morgensonnenglanz von den Stimmen der Kinder geweckt. 
„Tante Anna, Tante Anna, hat der Osterhaf die Eier schon gelegt?" 
1 .Sie kleidet die ungeduldigen Kleinen an, geht mit ihnen suchen, 
nnd in Haus und Garten versteckt finden sie des Osterhasen wunder¬ 
same Gaben. 
„Tante Anna," will das kleine Mädchen wissen, „hat der Osterhaf 
auch im Birkenwäldchen Eier gelegt?" 
Sie schüttelt den Kopf und geht dann doch mit den Kindern zum 
Wäldchen hinüber. Eine Weile fnchen die Kleinen auch da voll Eifer, 
daun, wie sie keine Beute finden, kauern sie sich am Boden nieder nnd 
beginnen von den mitgebrachten süßen Schätzen zu schmausen.
	        
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