Volltext: Braunauer Heimatkalender 1920 (1920)

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Seinen Humor ließ er sich aber durch die verhängnisvolle Verwechslung nicht nehmen,, 
sondern sang lustig das nun populär gewordene Siejx Merkwürdigerweise blieb er 
von der schrecklichen Krankheit verschont. Als echter Wiener Lumpazivagabundus üeß 
er sich durch den schauderhasten Vorfall nicht einschüchtern, sondern führ e fein lockeres 
Leben noch lange fort und spielte den leichtlebigen Wienern noch oft zum Tanze 
und zum Trunke auf. 
Die Spielleidenschaft in früheren Zetten. Die Leidenschaftfürdie 
Hazardspiele hat eine Jahrhunderte alte Geschichte; Sparta hatte die Glücksspiele 
streng verboten, Rom gestattete sie nur unter gewissen, genau festgelegten Bedingungen. 
In Paris artete das Spiel, das unter Ludwig XIII. so gut tote gauzlich untersagt 
war, unter der Regierung Ludwigs XIV. zu einer zügellosen Leidenschaft, zu wahrem 
Wahnsinn aus; die Spieler verlören jeden sittlichen Halt, jeden ©tun für SDtorai, 
und es kam so weit, daß man selbst Betrügereien beim Spiel gelten ließ. Ging doch 
der König mit schlechtem Beispiel voran, indem er am Spieltisch das Gluck ver¬ 
besserte, wo und wie er nur konnte. Des Königs Geliebte, die Montespan, verlor 
in einer Nacht im Kartenspiel vier Millionen. Wahrend der Regentschaft (Philipp 
von Orleans führte die Regentschaft für den minderjährigen Ludwig XV.) trat öte 
Krankheit in ein akutes Stadium. De Gallier erzählt, daß ent Edelmann die Gattm 
des Regenten verhöhnte, weil sie nicht spielen wollte: „Sie spielen nicht, Madame. 
saate er. „Dann sind Sie ja zu gar nichts gut!" Um zu zeigen, daß sie doch zu 
etwas gut sei, setzte sich die Herzogin sofort an den Spieltisch und verlor an_emem 
Abend 1,500.000 Franks, die der portugiesische Gesandte gewann. An dieser Sitten¬ 
verderbnis vermochte auch dir Revolution nichts P ändern — tut Gegenteil, die 
Spielleidenichaft ergriff jetzt alle Bevölkerungskreise. Man spielte tn den poUüscheit 
Klubs, in den Schenken, in den Kaffeehäusern, überall. Napokon kam «nf den Ge¬ 
danken, das Spiel an Unternehmer zu vergeben, um daraus Geld sur tue gehermen 
Fonds zu schöpsen. Die in Florenz erscheinende „Naztone der wir diese Angaben 
entnehmen, weist noch darauf hin, daß von allen Komödien Goldoms einzig und 
allein „Der Spieler" einen ausgesprochenen Mißerfolg hatte. M fcmtn »Erinner¬ 
ungen" tröstet sich der Dichter darüber mit den Worten: Stuck fiel durch, 
also war es schlecht." In Wirklichkeit aber fiel es Nicht durch, weil es, schlecht war. 
sondern weil es den Venetianern, die alle ein wenig von der Spielleidenschaft be¬ 
sessen waren, Moral predigte. Und die Venetianer fanden, daß etne Predigt m die 
Kirche gehöre und nicht ins Theater. Und wie wird heute gespielt. 
Herr im Hanse. Nach einer altindischen Sage wendete sich ein jung- 
verheirateter Mann an feinen Vater um Rat, wer eigentlich Herr m MM« — 
der Mann ober die Frau. Der Vater lächelte und sagte: „Hier, tnetn Sohn, sind 
hundert Hühner und ein Pferdegespann. Lade die Hühner auf den Wagen und wo 
immer ein Ehepaar wohnt, forsche nach, wer Herr tm Hause sei. xSst s die Frau, 
lasse ein Huhn zurück, ist's der Mann, gib ihm emes deiner Pferde. , 
Nachdem der junge Ehegatte bereits neunundneunzig Hühner verteilt hatte, 
kam er an ein einsam stehendes Farmhaus und stellte die übliche ^age wer Herr 
im Hanse sei. „Dasein selbstverständlich ich, "erwiderte mit stolzem Selbstbewußtsein 
der Farmer. „Kannst du das beweisen?" Da nes der Farmer seme Frau, die denn 
auch eifrig bestätigte, was er behauptet. „Wähle dir also emes memer Pferde aus, 9 
sagte wohlzufrieden der Besucher. „Da möchte ich wohl den Braunen haben. „Nimm tz 
ihn nur." Aber da zog die Farmersfrau ihren Mann beiseite, und nach etner längeren b 
Zwiesprache sagte dieser: „Ich denke! ich möchte doch lieber den Schimmel." „Nichts tj 
da — du bekommst das Huhn!" sagte der Besucher und fuhr mit fernem leeren d 
Wagen nach Hause.
	        
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