Volltext: Braunauer Heimatkalender 1920 (1920)

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Sobald sich seine rote Mütze zeigte, sah er sich sofort ton wehklagenden, 
schreienden, fluchenden Passagieren umringt, welche in allen möglichen Tonarten auf 
ihn einschrieen. 
Aber nur kurz beorderte er ein paar Bahnbedienstete, welche Passagiere und 
Gepäck einstweilen nach dem Warteraum schaffen sollten, dann stürmte er zu der 
völlig in Dampf gehüllten Maschine. Dort mußte es böse aussehen. 
Zunächst freilich war es ganz unmöglich, etwas zn sehen oder gar in das 
Maschinenhäuschen zn gelangen, da ans zwei Rissen der Kesselwand in dickem Strahl 
glühheißer Dampf ausströmte. Und erst als der - Monteur vorsichtig von außen her 
das Dampfablaßventil geöffnet hatte, war es möglich, Huber und den Heizer herab» 
zunehmen. 
Eilig schaffte man die beiden Körper nach dem Güterschuppen und bettete sie 
dort auf ein flink hergerichtetes Lager. 
Huber sah entsetzlich aus. Das fast völlig gekochte Fleisch löste sich von seinem 
Gesicht, seinen Armen, seiner Brust. Leer starrten seine blutigen Augenhöhlen, und 
die rechte Hand bestand nur mehr aus verbrannten Knochenresten. 
Der herbeigerufene Bahnarzt konnte nur den bereits eingetretenen Tod fest¬ 
stellen und die Ueberführung des in schwerer Ohnmacht liegenden, sonst aber gänzlich 
unverletzten Heizers in das Krankenhaus anordnen. 
Bei den Reisenden und Fahrtbeamten gab es nur leichte Kontusionen und 
unbedeutende Hautrisse zu behandeln. 
Fast ein Wunder war es zu nennen, daß dem alten Führer sein Wagnis, für 
das er fein Leben einsetzte, gelang. Er hatte glücklich sämtliche Personenwagen in 
den Tunnel hineinbekommen. Alles andere lag jenseits teils int Abgrund, teils zer¬ 
schmettert am Tunneleingang. 
Hubers letzte Fahrt war zu Ende. Und nun ruht er auf dem Friedhof seines 
Heimatortes aus von allem Erdenleid, allem Aerger. 
Ueber feinem Grabe erhebt sich ein prachtvoller Denkstein, der in goldenen 
Lettern die Worte trägt: „Niemand hat größere Liebe, denn daß er sein Leben 
läßt für seine Freunde." 
Die dankbaren Passagiere haben diesen Stein dem pflichttreuen Manne ge¬ 
stiftet, der unbedenklich für sie in den Tod gegangen. 
Abend auf dem Tande 
Nun schmiegt sich an die Straße dicht 
Der wiese blasses Angesicht. 
Und manche Seele siech und leer. 
Ach Herr, die Not wär' nicht so groß, 
Fänd' alles heim in deinen vaterschoß! 
Die Wälder stehen schwarz und steil — 
Doch von den Wolken glüht das Heil. 
Das hat der Herr ob Tag und Nacht 
Zum Abendtrost der müden Welt entfacht. 
wie hab ich müde mich gerannt 
Und dich gelästert und verkannt, 
verwirrt vom rmermeß'nen Leid, 
Rührt' ich an deiue Heiligkeit 
Fern hinter duuklen Bergen dort, 
Da rauscht der Stadt verwunschener Grt. 
Trägt ungerührt vom Zorn der Zeit 
Nun über wiffen und Versteh'n 
Darf ich de» Frieden deiner Hände sehn I 
Sein sündenheißes Flammenkleid. 
Doch hier, wo deine Bäume stehn, 
Noch glüht der Wolke gold'ner Strahl 
wie fern ein Kelch Ibetm heil'gen Mahl. 
Doch facht auf dunklem Mantelsaum 
Naht meiner Hütte schon der Traum. 
Hüll' mich uud meiner Brüder weh 
In deine Huld l Eleison, Kyrie ! 
Läßt du dein mildes Abendbanner n>ehn ! 
wie war der Tag des Alagens voll, 
Der nun in Frieden scheiden soll. 
wie war dein Arm so schwer, so schwer, 
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