Volltext: Braunauer Heimatkalender 1920 (1920)

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O rx Silber Geschwindigkeit eines abgeschossenen Pfeiles mußte diese fürchterliche 
Last von hmten auf den Zug prallen, alles zerschmetternd — vernichtend. Herrgott, 
die vielen Passagiere! Rettungslos waren sie verloren! 
Und es gab keinen Ausweg — keinen! 
.. Die haarscharfe Kurve voraus erforderte ein mäßiges Fahrttempo. Mit voller 
größtmöglichster Dampfkraft — und nur einzig und allein eine solche konnte vor 
dem heransausenden Unheil retten — in die Kurve hineinrasen, war Wahnsinn — 
sicherer Tod. 1 1 
Der Zug mußte ja sofort aussetzen und in den Abgrund fliegen. 
Hubers Herzschlag stockte. Eiskalt glitt es ihm über den Rücken. Falt irr 
zuckten seine Augen rechts und links in das vorüberfliegende Gelände, als könne von 
da aus eine Rettung kommen. 
Der alte, in Sturm und Drang des Lokomotivführerdienstes ergraute Mann 
Merte und bebte am ganzen Leibe. Nicht aus Furcht. Die kannte er nicht Aber 
die ungeheuere Erregung machte ihn momentan wanken. 
Setzt hatten die entsetzlichen Güterwagen das Gefälle erreicht. Mit einem 
zähen Ruck schossen sie vorwärts und sausten in rasender Fahrt heran. Ihr Rollen 
und Knattern übertönte das Heulen des Sturmes. 
Huber stöhnte auf und erhob wie abwehrend die Arme. Sein Blut begann 
Zu sieden. In wilder Hast zuckten die Gedanken durch sein schwirrendes Hirn, suchend, 
alle Möglichkeiten blitzschnell erwägend. 
Nur noch Sekunden blieben ihm, um einen Entschluß zu fassen. Näher und 
naher raste das Verderben. 
an r®ie binzig mögliche Rettung hieß Volldampf. Aber konnte, durfte er diesen 
Wahnsinn begehen? — Zwar : wenn er den Schluß seines Zuges bildeten 
zwei Guterwagen. Die flogen ohne Gnade in den Abgrund. Wohl auch noch ein 
oder gar zwei Personenwagen. Aber vielleicht — vielleicht glückte es, den Rest des 
Zuges heil m den Tunnel zu steuern, einen Teil der Passagiere zu erhalten. — 
O x neln Herrgott, Erbarmen! Und doch — es mußte versucht werden! 
Laut und deutlich donnerte und prasselte der heranrufende Tod bereits unmittelbar 
hmter dem Zuge. 
,r Da straffte .sich plötzlich die zusammengesunkene Gestalt des alten Führers. Sein 
lolblafses Gesicht zuckte. In einem unheimlichen Feuer loderten seine Auaen. 
Er hatte mit dem Leben abgeschlossen. 
, ^Mit fester Hand riß er das Dampfvenül auf. In tollem Wirbel begannen so- 
fort öte Triebräder der Maschine sich zu schwingen. Den Bruchteil einer Sekunde 
noch verharrte diese in der alten Geschwindigkeit, dann schoß sie plötzlich mit einem 
iahen Satz 'vorwärts. Die Kuppelungen spannten sich zum Reißen und klangen. Aber 
sie hielten. Und die Wagen folgten der voranstürmenden Maschine. 
Die Fahrt auf Leben und Tod begann. 
Der von dem unheimlichen Dampfdruck förmlich davongeschleuderte Zug schien 
die Geleise kaum noch zu berühren. 
Vorwärts — dort, wo die beiden Schienenstränge zusammenzufließen schienen, 
taucht jetzt ein, dunkler Punkt auf, der sich stetig vergrößert und in rasender Eile 
dem Zuge entgegenfliegt. Mit weit aufgerissenen, vor Erregung blutunterlaufenen 
Augen starrt Huber unverwandt darauf hin. 
Dort liegt die Entscheidung! Wie wird sie ausfallen? 
Um aufrecht zu bleiben, muß er sich mit beiden Händen fest anklammern 
Bei der rasenden Geschwindigkeit stößt und schleudert die Maschine ganz entsetzlich.
	        
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