Volltext: Eckart Nr. 5 1913/14 (Nr 5 / 1913/14)

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gnügte er sich damit, bald von dieser, bald von jener Seite aus einen blitzen 
den Lichtstrahl darauf zu werfen, von Zeit zu Zeit, wenn in seinem ideen 
reichen Kopfe ein Gedanke darüber aufbrodelte, ihn in seiner ungefügen 
Form zu fassen und ohne Zusammenhang niederzuschreiben. Erst später, 
als man die ganze romantische Bewegung als etwas Historisches überblicken 
konnte, — was übrigens bis heute noch nicht in vollständig befriedigender 
und abschließender Weise geschehen ist —, suchte man auch dem Begriffe 
der Ironie im Sprachgebrauche der Romantiker näher zu kommen und 
mutzte daher wieder ausgehen vom ersten Auftauchen dieser Erscheinung in 
ihren Schriften. Dabei hat man dann die schon oben angedeutete Wandel 
barkeit des Begriffes festgestellt und gesehen, datz z. B. die von dem jungen 
Tieck angewandte Ironie ganz verschieden ist von dem, was man späterhin 
als eigentliche „romantische Ironie" bezeichnete, und um deren Bestim 
mung sich Friedrich Schlegel besonders verdient geinacht hat; und wiederum 
erkannte man eine Änderung in der Art der Ironie, wie etwa Heine sie 
über seine Werke ausbreitete. 
Da Friedrich Schlegel von der romantischen Ironie behauptete, 
sie sei die echt sokratische, so müssen wir zunächst zusehen, was das Altertum 
unter der dem Sokrates zugeschriebenen Ironie verstand. Bekanntlich nannte 
Sokrates seine Lehrmethode „Mäeutik" (Hebammenkunst) und meinte da 
mit die Art, wie er die Wahrheit aus seinen Schülern herauszog. Er stellte 
sich selbst unwissend, zergliederte die Behauptungen, die die Rede ergab, 
deckte die falschen Begriffe als widerspruchsvoll auf und entwickelte so in der 
Dialektik durch geschickte Fragen die Wahrheit. Diese „Schelmerei" nannten 
die Alten Ironie. Auch heute noch hat das Wort einen Teil dieses Begriffes 
erhalten, wenn er sich auch so umgeändert hat, datz wir damit einen Spott be 
zeichnen: scheinbares Eingehen auf eine falsche Ansicht, die man auf die Spitze 
treibt, dadurch ihre Unhaltbarkeit klar macht und der Lächerlichkeit preisgibt. 
Es ist in der Regel ein feiner Spott, der durch die Ironie ausgeübt wird, und 
nur im Ubermatze angewandt oder zu weit ausgedehnt, wirkt sie verletzend; 
man spricht dann von bitterer oder beißender Ironie, Epitheta, die auch dem 
Spotte zukommen und die Ironie in die Nähe des Sarkasmus rücken. 
In diesem Sinne hat auch die Romantik die Ironie zuerst angewandt 
und fand einen ihrer ersten und auch späterhin eifrigsten Vertreter der Praris 
in dem jungen Tieck. Von Jugend an zu Scherz und heiterer Laune auf 
gelegt, übte er die Ironie zur Belustigung seiner Genossen ebensowohl wie 
zur eigenen Errettung aus melancholischen Stimmungen und quälenden 
Zweifeln, an andern und an sich selbst. Diese Naturanlage zeigte sich dann in 
feinen Dichtungen, anfangs etwas unbewußt und im alten Sinne zutreffend, 
dann mehr und mehr absichtlich zur eigenen, romantischen Ironie übergehend. 
Es mutz dabei festgehalten werden, datz Friedrich Schlegels theoretische Aus 
einandersetzungen erst erschienen, als bereits eine Reihe Tieckscher Erzählun 
gen mit ironischem Einschlage veröffentlicht war. Aber noch schwebte die
	        
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