Volltext: Eckart Nr. 5 1913/14 (Nr 5 / 1913/14)

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Die Ironie in der Romantik. 
Von Dr. Joseph M. Faßbinder. 
Seit ihrem Bestehen hat die romantische Schule es sich gefallen lassen 
müssen, daß mit ihr eine Vorstellung des Unklaren, Verschwommenen, aufs 
engste verbunden wurde. Es liegt dies nicht nur an dem Mystizismus, dem 
Seltsamen und Abenteuerlichen, das vielfach in ihren schöngeistigen Werken 
herrscht; sondern auch diejenigen, die sich gegenüber dem verständnislosen 
Publikum, den „Platten", berufen fühlten, ihren Ideen einen wissenschaft 
lichen Ausdruck zu geben, die mit philosophischen, vor allem ethischen und 
ästhetischen Untersuchungen ihre Anschauungen klar legen wollten, sind 
selten zu ihrem Ziele gekommen. Vor allem mutzte das den Erfolg sehr be 
einträchtigen, datz die ästhetischen und kritischen Abhandlungen zu sehr 
vom Augenblicke eingegeben waren; es fehlte die zeitliche Ferne, um Theorien 
und Grundsätze von objektiv gültiger Fassung aufzustellen, und so mutzte 
man oft heute verleugnen, was man gestern auf den Thron gehoben hatte. 
Man behauptete, allgemein wahre Gesetze aufzustellen, und übersah dabei, 
datz diese doch nur auf dem Wege der Deduktion aus den bis dahin vorhan 
denen Kunstwerken abgeleitet werden mutzten. Jedes neue Dichtwerk, 
jede unabhängige, selbständige Leistung eines bahnbrechenden Geistes, ja 
sogar außerhalb der Kunst jede neue oder neu zu Ehren gekommene philo 
sophische Ansicht brachte die mühsam aufgestellte Theorie in Gefahr, veraltet 
zu sein, nicht mehr die Gesamtheit der unter sie begriffenen Erscheinungen 
zu umfassen, oder gar vollständig einer Umwertung zu bedürfen. Anstelle 
der festen Gesetze, die ja in der Kunsttheorie immer etwas Gewagtes an sich 
tragen, traten Schlagwörter, die eine Zeit lang faszinierten, Bewunderung, 
Staunen und Aufregung hervorriefen bei denen, die sie nicht verstanden, 
Widerspruch bei denen, die sie wörtlich begriffen, und unwillkürliche 
Änderungen erfuhren von denen, die sie erfaßt zu haben glaubten. 
Kann man dies von einer ganzen Reihe von Ideen behaupten, die 
mit der Romantik eng verbunden sind, wie vor allem mit dem Begriffe der 
„Romantischen Dichtung" selbst, so ist eines der besten Beispiele für dieses 
Fließen der Anschauungen der Begriff der Ironie, der früh auftaucht, An 
wendung findet und dann festgelegt wird, ohne mit seinem ursprünglichen 
Sinne noch überein zu stimmen, und auch ohne nach seiner genauen Be 
stimmung stand zu halten. Vor allem ist es Friedrich Schlegel, der Kritiker 
und Philosoph der Schule, der die Theorie über diesen Begriff weit gefördert 
hat, ohne sich einmal zu einer klaren, alle Zweifel und Mißdeutungen aus 
schließenden Definition herbeizulassen. Man kann daraus vermuten, datz 
er selbst etwas nicht ganz Greifbares, etwas mehr Gefühltes als in seinem 
Innersten Erkanntes darunter sah und sich entweder scheute, den Schleier 
von diesem Heiligtums zu lüften, oder aber, was wahrscheinlicher ist, es nicht 
vermochte, da der Begriff ihm ständig unter den Fingern zerfloß. So be
	        
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