Volltext: Eckart Nr. 5 1913/14 (Nr 5 / 1913/14)

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1850 erschien in Ulm eine wohlfeile Volksausgabe, 1893 die 4. Auf 
lage (wohl unter Hinzurechnung der beiden oben genannten.) 
Vor Jahren hat Rudolf Ereinz bei Reklam Sailers „Ausgewählte 
Possen" erscheinen lassen. Diese kleine Ausgabe ist jedem für 20 Pfennige 
zugänglich und bedeutet ein Verdienst dieses volkstümlichen Verlags. Sie 
enthält: „Die Schöpfung", „Die sieben Schwaben" und „Die heiligen drei 
Könige". 
Die Hallesche Literatur-Zeitung von 1820 (S. 137) vergleicht Sailer 
mit Aristophanes, Hans Sachs und Abraham a Santa Clara. Der letzte 
Vergleich ließe sich am ersten hören. Aber wozu vergleichen? Sailer ist ein 
ganz Eigener. Auch ist sein spezifisches Volkstum und damit auch sein Dialekt, 
diese oberschwäbische Mundart, wie sie zwischen Ulm und Bodensee, in 
genauerer Umgrenzung um Ehingen und Riedlingen herum gesprochen 
wird, ganz unzertrennlich von seiner Eigenart. In andere Bodenart ver 
pflanzt, würde er tot sein, weit mehr als dies etwa ein verhochdeutschter 
Claus Groth sein würde. Ein Vergleich mit den Obengenannten müßte auf 
einen Vergleich zwischen den Charakteren der Volksarten, aus denen ein 
jeder von ihnen hervorging, hinauslaufen, und Sailer wäre am engsten in der 
seinen befangen, würde in einer am engsten begrenzten erfaßt werden müssen. 
Das spezielle Gebiet, auf dem sich die Muse Sailers ergeht, ist das 
der dramatischen Burleske. Den Dichter treibt einzig die reine Freude am 
Gestalten; er moralisiert nicht, falls man nicht im Sichlustigmachen über 
allerlei menschliche Schwächen etwas derartiges finden will. Bei der 
„Schöpfung" ist eine dramatische Entwicklung mit steigender und sinkender 
Handlung unverkennbar. Das tragische Moment, das allerdings —dem 
Sinn der Burleske entsprechend — als komisch angepackt wird, ist die Er 
schaffung der Eva, die die Freude voll machen sollte, aber die Ursache zur 
Vertreibung aus dem Paradies wird. Die drastisch erfaßte Verschiedenheit 
der Geschlechter — alles in' köstlicher Schnellfertigkeit gegeben — mit den 
daraus entspringenden Schmerzen gibt diesen Partien sogar eine gewisse 
Tiefe. Sonst bleibt der Humor beim Aufziehen, beim Verspotten typischer 
menschlicher Erscheinungen stehen, zumal typisch schwäbischer. 
Die Stoffe sind aus dem schwäbischen Volk hervorgewachsen oder 
aus der biblischen Geschichte ins Volk übertragen. Rur Bauern und Bäue 
rinnen mit den dazu gehörigen Behörden spielen diese Stücke. Auch der 
Herrgott und seine Engel, Lucifer, Herodes, Adam und Eva sind nichts 
als schwäbische Dorfschulzen, Amtsdiener, Bauern. Zuweilen durch den 
ihnen aufgehängten Rang etwas aus dem Häuschen gekommen und unge 
bärdig geworden, wie jener Engel, der von Gott herangerufen wird, damit 
er aufpasse, daß Adam und Eva nicht wieder über den Zaun in den para 
diesischen Apfelgarten steigen, und der, durch den energischen Anruf in seiner 
Ehre gekränkt, sich wie ein durch sein Amt allzu wichtig gewordener Schul 
ung; vor Gott hinstellt:
	        
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