Volltext: Eckart Nr. 5 1913/14 (Nr 5 / 1913/14)

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tonnen, was Sie können, wie ich Finger an den Händen habe. Wo haben 
wir denn Nachwuchs? Nennen Sie doch welchen!" Ich nannte Jensen. 
„Jensen?" sagte er. „Der kann nicht, was das letzte Wort ist und was ich an 
strebe: Menschen schaffen. Aber Sie könnens" — und dabei hob er mit einer 
theatralischen Geste den Arm — „so wahr die Sonne über uns scheint!" 
Das war anfangs der achtziger Jahre. Man wird sich nicht wundern, 
wenn ich der Nichtachtung, mit der die Stürmer und Dränger, die bald 
nachher Sensation machten, mich behandelten, ziemlich kühl gegenübertrat. 
Als ich von dem Berliner Künstlerfest nach Leipzig zurück kam, war 
— Ernst Keil gestorben. An einer Eallensteinversetzung, die man heute 
glatt operiert hätte. 
Ich ging mit Thumann hinter seinem Sarge her. Als wir in dessen 
Hotel nach der Uhr sehen wollten, waren unsere beiden Uhren genau zur 
selben Zeit stehen geblieben. 
Vom Sterbebett Keils her wurden zwei Dinge berichtet: erstlich, 
daß dem wunderbaren Schmerzstiller Morphium in der Gartenlaube ein 
Denkmal gesetzt werden sollte, zweitens, daß er als Ersah für die Lücke, 
die er ließ, meinen Eintritt in die Redaktion wünschte. (Fortsetzung folgt.) 
Sebastian Sailer. 
Von Julius Havemann. 
Er ist wohl heute durchaus ein Verschollener zu nennen, dieser fröh 
liche und urwüchsige schwäbische Pfarrer; ein Berühmter ist er, der zu seinen 
Lebzeiten nicht einmal daran dachte, seine Possen und Schnurren im Druck 
erscheinen zu lassen, außerhalb seines Schwabenwinkels nie gewesen. Zum 
mindesten nicht als Dichter. Und doch ist er ganz gewiß auch ein rechter 
Dichter gewesen. Heute, 200 Jahre nach dem Tage seiner Geburt, dürfen 
wir uns seiner wohl erinnern, ohne damit Gefahr zu laufen, daß man uns 
nachsagt, wir müßten uns einen sonst nirge'nds gütigen Maßstab zurecht 
gemacht haben, um auch die Leistungen dieses deutschen Mannes den 
Freunden künstlerischer Darbietungen als beachtenswert hinstellen zu 
wollen. 
Sailer war ganz das Kind seiner engeren Heimat, war durchaus 
ein Schwabe. Wenn wir uns der Heimatkunst freuen,^ so bezeugen wir 
damit unsere Achtung nicht dem Geiste der räumlich Beschränkten oder 
gar des Partikularismus; wir vertrauen uns nur eben dem auch in der Kunst 
gern an, der, was er darstellt, auch bis in alle Tiefen und Eigenheiten hinein 
genau kennt und es aus dem verwandten Blut heraus richtig versteht und 
auszudrücken weiß. Wir suchen das Wesen eines Bruderstammes so echt 
wie möglich im Werke des dem Boden Entsprossenen und aus ihm alle 
seine Lebenssäfte Saugenden zu erfassen.
	        
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