Volltext: Eckart Nr. 5 1913/14 (Nr 5 / 1913/14)

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Lüders und Paul Thumann. Lüders hatte sich neben Waldemar Friedrich, 
der noch in Weimar war, als Kriegszeichner für das Daheim einen Namen 
gemacht; eine derbe, ehrliche, konservativ-altpreußische Unteroffiziersnatur, 
hat er auch nette Kriegserinnerungen veröffentlicht. Thumann stand auf 
der Höhe seines Nuhms und seiner Popularität, seine Bilder wurden mit 
Gold aufgewogen; ein hochgewachsener, vornehmer Mensch, klug-bedächtig 
und von gutem Humor, leidenschaftlicher Skatspieler und Kettenraucher. 
Im bunten Gewühl der Kostüme suchte er mich aus: „Kommen 
Sie, Auerbach will Sie kennen lernen, er schwärmt für Sie." Eine Minute 
später saß ich aus seinem Knie — wegen Platzmangels — und hörte zu, 
wie einer der Größten und Gefeiertsten von damals meine „Schwarze 
Kaschka" auf ihre Vorzüge hin analysierte. „Ich hätte vielleicht den Schluß 
anders gemacht, aber ich möchte diese Novelle geschrieben haben," schloß 
er, und Thumann kniff mich vor Wonne dabei in die Beine. 
Das war nun Auerbach, der neben seinen literarischen Verdiensten 
für einen scharfen und unbestechlichen Kritiker galt, wie Gottfried Keller? 
Ein wunderlicher Mann. Der Typ eines kleinen jüdischen Bankiers 
mit Spitzbäuchlein und Berlocken. Mit seinem naiven Selbstgefühl eine 
anekdotische Figur. In Hofkreisen, in die man ihn zu ziehen versucht, hatte 
man ihn erschrocken wieder fallen lassen. „Ich bin der Auerbach, Sie kennen 
mich" — so pflegte er sich einzuführen. Für leichte Konversation taugte er 
gar nicht, ein paar barocke Behauptungen abgerechnet, die er orakelte, konnte 
man ihn da gradezu trivial finden. Eine närrische Anekdote erzählte Lüders 
von ihm: Gegen Ende des französischen Krieges war er schlachtenbummeln 
gegangen, da hatte er in Straßburg ein populäres Soldatenlied verfaßt, 
in großer Auflage drucken lassen und die Blätter — auf den Closetts aus 
legen lassen, um sie den Soldaten in die Hände zu spielen! Seine Frau 
schlösse ihn ein, behauptete man, damit er arbeite. 
Hinter diesen Schnörkeln aber stand ein feiner geistvoller Kopf und 
ein warmes Gemüt mit bewußt idealen Zielen in Leben und Kunst, ein 
gewissenhaftes künstlerisches Schaffen, das jede Zeile prägte und Fühlung 
mit der deutschen Volksseele hatte — bei ihm wird, wenn er nun druckfrei 
wird, gute Volkslektüre zu holen sein. Daß bei ihm der Former und spino- 
zistisch geschulte Gedankenmensch den Dichter stark überwiegt, bezeichnet 
eine Grenze, über die er doch vielfach hinausreicht. Das Aufkommen des 
Antisemitismus hat ihn im Innersten erschüttert, wenn er wohl auch nicht 
gerade daran gestorben ist, wie man ihm wohl nachgesagt hat. 
Lohmeyer hat ihm einen Nekrolog gedichtet und diesen an seinem 
Grabe in der süddeutschen Heimat gesprochen. 
Eine Droschkenfahrt, die ich mit Auerbach gelegentlich eines andern 
Besuchs in Berlin gemacht habe, gehört zu meinen stolzesten Erinnerungen. 
Er fing da wieder an, mich zu rühmen. Ich wollte wehren. „Und ich sage 
Ihnen," unterbrach er, „es gibt in Deutschland nicht soviel Poeten, die das
	        
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