Volltext: Eckart Nr. 5 1913/14 (Nr 5 / 1913/14)

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so selbstverständlich beglückt, so hoffnungsvoll Antwort gäbe. Auch rückwärts 
in der Geschichte sehen wir jede hohe Kultur auf der Anerkennung des 
Menschenwertes, auf einer idealen Auffassung des Menschenwesens beruhen. 
Unsere Zeit hat die Natur und den Menschen neu und tief erforscht, sie hat 
der Herkunft des Menschen mehr Teilnahme und Sorgfalt gewidmet als 
seiner Bestimmung, sie hat die tiefste Bescheidenheit geübt und den Menschen 
entthront. Kein Dichter konnte am Beginn dieses Jahrhunderts die Mensch 
heit mit jener großen und reinen Gebärde begrüßen, mit der Schiller es vor 
hundert Jahren getan hat. Dafür aber ist, wenn man äußeren Zeichen 
trauen darf, der Blick unserer Gebildeten stärker und trostbedürftiger als je 
auf Goethe gerichtet. Noch fehlt viel daran, daß wir den Mut hätten die 
Erben seiner Hoffnungen zu werden. Aber die Erkenntnis ist da, daß Goethe 
uns nicht den Abschiedsgruß einer untergehenden Kultur bedeuten darf, 
sondern den Ruf zu einer kommenden.*) 
Literarische Erinnerungen. 
Von Victor Blüthgen.**) 
4. 
Der Winter brachte Anknüpfungen mit dem damaligen Leipziger 
Schriftstellerkreise, auf den ich noch eingehender zu sprechen komme. Im 
Anschluß an die „DeutscheJugend" aber auchzuderenVerlegerAIphonsDürr, 
dem feinsinnigen Förderer des älteren Holzschnittes und der älteren zeich 
nerischen und koloristischen Malerei: der Carstens, Preller, der Dresdener 
Schnorr von Carolsfeld, Ludwig Richter bis auf Oskar Pletsch, dessen Sachen 
er ganz ankaufte, und des Romantikers Schwind. Für die „Deutsche Jugend" 
brachte er Opfer, bis der farbige Holzschnitt, den zuerst Brend'amour in 
Düsseldorf einführte, und die bunten Kinderbücher der Ereenaway sich 
durchsetzten — die Wandlung in der Mode wollte Dürr im Gegensatz zu 
Lohmeyer nicht mitmachen, die schöne Jugendzeitschrift ging auf Simion 
in Berlin, dann auf Kröner in Stuttgart über und starb schließlich bei Richter 
in Hamburg. Jugendzeitschriften werden immer ihr Mißliches haben wegen 
des wechselnden Publikums. Zu Dürr kam Fedor Flinzer, der geniale 
Tierillustrator und Theoretiker des Zeichenunterrichts, der Zeicheninspektor 
der Leipziger Schulen war und die Tochter von Richard Wagners Lieblings 
schwester Klara zur Frau hatte; seine beiden Töchter sind mir nachmals 
Schwägerinnen geworden. Im übrigen war ich fleißig; für die „Deutsche 
Jugend" entstand damals einiges jetzt Populäre, wie das Drachenlied und 
Zeisleins Traum zu Flinzerschen Vignetten, und zu einer Zeichnung von 
Pletsch das viel deklamierte „Ätsch, wir haben Besuch gekriegt". 
*) Die Einführung Hermann Kesses wird in der von Witkowski herausgegebenen 
Goetheausgabe im Verlag Ullstein erscheinen. 
**) Nachträglich zu den Ausführungen in Nr. 3 noch eine Berichtigung: mein 
Elberfelder Redaktionsgenosse hieß nicht Habermann, sondern Hauser.
	        
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