Volltext: II. Jahrgang 1905 (II. Jahrgang 1905)

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abwendig’ gemacht würden.“1) Der Grund für dieses 
milde Vorgehen lag in dem Priestermangel.* 2) Daraus 
läßt sich schließen, daß die Aufzeichnungen der Visita¬ 
toren die ungünstige kirchliche Lage sicher nicht über¬ 
trieben haben. 
Ferner ist bei der Beurteilung der Visitation 
Punkt 6 der Instruktion zu beachten: die Visitatoren 
sollen wohl acht geben, ob sich aus den Aussagen nicht 
abnehmen lasse, daß Geistliche und Weltliche sich ge¬ 
genseitig verglichen.3) Man setzte also wenigstens 
für einzelne Fälle ein Einverständnis des Volkes mit 
dem Priester voraus. Dies war der Fall, wenn vom 
Volke selbst der Anstoß zur Einführung neuer Ein¬ 
richtungen ausgegangen war und der Seelsorger sich 
dem Drängen seiner Untergebenen willig gefügt hatte. 
Da werden die Zechpröpste gewiß nicht zu Ungunsten 
des Priesters ausgesagt, sondern zu einem auch nicht 
einwandfreien Wandel desselben geschwiegen haben.4) 
Die Angaben des Visitationsberichtes sind also 
teilweise mit Vorsicht zu benützen, wie die über den 
Empfang des Abendmahles unter einer oder zwei Ge¬ 
stalten oder über die Predigt. Während Pfarrer Horner 
(Kopfin g) an gibt, daß keines seiner Pfarrkinder die hei¬ 
lige Kommunion sub utraque specie empfange, „zeigen 
*) Vgl. Wiedemann, Geschichte der Reformation und Gegen¬ 
reformation I 133. Reichen her ger, Wolfgang von Salm 21. 
2) So rechtfertigte auch Erzbischof Ernst auf der Salzburger 
Synode (1542) die allmähliche Reform des Klerus damit, daß es 
sich nicht mehr darum handle, ob wenige gute Priester vielen 
schlechten vorzuziehen seien, „sed an expediat magis habere ali- 
quos malos sacerdotes quam nullos; denn ad istam angu- 
stiam sind wir gekommen.“ Vgl. Reichenberger 13 f. 
3) Kn öp fl er, Kelchbewegung 46. 
4) Ein Beispiel bietet die Aufzeichnung über Esternberg. 
Die Zechpröpste der Pfarrkirche sagten aus: „Pfarrer und Gesell¬ 
priester halten sich unärgerlich.“ Die Zechpröpste der Bruderschaft 
dagegen klagten über die Trunksucht des Priesters, die so arg 
war, daß oft ein Kind drei Tage ungetauft bleiben mußte. Wir 
können doch wohl nicht annehmen, daß die Zechpröpste der Pfarr¬ 
kirche nicht darum gewußt hätten.
	        
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