Kasse
Von L. Gschwendtner
Allgemeines
Es ist den früheren Systemen zum Verhängnis ge—
worden, daß es ihnen trotz aller Versuche nicht mög—
lich wurde, den Rassenbegriff in ihre Gedanken—
welt einzubauen. Dieser Begriff wurde dadurch zum
Prüfstein des Denkens und zum Wendepunkt zweier
Welten. Wie alles im Leben erst durch Widerstand
groß wird und sich zur Klarheit formt, so war auch
der Rassengedanke erst durch den Kampf, dem er aus—
gesetzt wär, zu solcher Bedeutung herangewachsen, daß
er heute in jeder Weise tragend geworden ist. Mit
zunehmender Ablehnung auf der Seite der Gegner
verdichtete sich der anfangs noch unklare Begriff, unter
dem sich die meisten Menschen, selbst solche, die ihn
anwandten, nichts Bestimmtes vorstellen konnten, um
einen sich zusehends klärenden Kern. Durch die An—
sammlung immer neuer Gedanken um diesen Kern
formte sich allmählich eine Ideenwelt, um die sich vor
allem die Jugend scharte. Von da an wurde der
Rassenbegriff revolutionär und durch den zunehmen—
den Haß immer weiterer Gegner weltbewegend. Mit
der Zeit gewann seine Werbekraft auslesende Wir—
kung. Die Schar seiner Anhänger wurde durch ihn
nach einer bestimmten Richtung hin ausgerichtet; die
Rasse wurde zum Brennpunkt einer neuen Welt—
anschauung, die allen Dingen des Lebens ein ganz
neues Antlitz verlieh und allem einen neuen, und
vor allem leichter erfaßbaren Sinn gab.—
Rasse war viele Jahrzehnte hindurch bloß ein Hilfs—
mittel für die Naturwissenschaft zur Tren—
nung von solchen Tieren und Pflanzen und später
auch von Menschen; deren Eigenheit in erster
Linie durch örtliche Absonderung entstanden
war und in der Folge meist auch auf diese Gebiete
beschränkt blieb. Man beschrieb ihre Unterschiede und
ordnete sie ein im System. Allmählich erkannte man
aber, daß diese Unterschiede der Ausdru ck von
Bewegung waren, Rückwirkungen auf verschie—
dene Umweltseinflüsse. Sehr viel später erst brachte
man diese Erkenntnis von der Wirkung mit dem
Begriff der Ent wicklung vorhandener Kräfte und
Leistungsmöglichkeiten des Lebewesens in Zusammen—
hang. Damit war allerdings der ursprünglich tote
Begriff der Rasse um sehr Vieles und überaus Wesent—
liches bereichert worden: Das Lebendige trat hervor
Die Form wurde nicht mehr als etwas Star—
res, etwas an sich Gegebenes angesehen,
sondern als Ausdruck der Wechselwirkung
zwischender Umweltund Landschaft und
den im Leben vorhandenen Kräften, die
wiederum ihrerseits bis zu gewissem Grad formend
in ihre nähere und weitere Umgebung einzugreifen
vermögen.
Durch die Entdeckung der Erblichkeitsgesetze
und ihre Weiterentwicklung gewann die Vorstellung
dieser bewegenden und formenden Kräfte an Bedeu—
tung. Jetzt erkannte man eine Verbindung; sah, daß
in diesen Formen und Eigenheiten, in den Kräften
und Wirkungen nichts Einmaliges oder
Einzigartiges liegt, sondern fließende,
Generationen verbindende Werte verborgen
schlummern. Generationen erwiesen sich unter
diesem Gesichtspunkt als bloße Träger von Kräften,
als deren entwickelte Form, die vergänglich ist, wäh—
rend ihre gestaltende Kraft zur Ewigkeit neigt, da sie
die Wesenheit der Ewigkeit in sich trägt. Zugleich aber
erkannte man auch, daß diese Werte, bezw. deren
Wirken und Auswirkungen Eigenartiges an sich tra—
gen. Es erwidern nicht alle Wesen auf Außeneinflüsse
zleichförmig, sondern verschieden. Schon wie sie ihre
Bauart entfalten, ist durchaus nicht gleich. Es fällt
aber selbst des Beobachtens Unkundigen auf, daß
zewisse Gruppen untereinander darin „größere
Ahnlichkeiten aufweisen als andere. Die in ihren
Verwandten und Nachkommen zu beobachtenden Ent—
wicklungsfformen, Bewegungen und Eigenheiten, auf
Eingriffe von außen her zu erwidern, zeigen größere
Ähnlichkeiten wie die von anderen Ländern und
Zonen kommenden Gruppenvertreter.
Augen auf!
Wenn man sich auf einer belebten Straße die Men—
schen ansieht, die einem entgegenkommen, wird man
zar bald bemerken, daß eigentlich keiner dem anderen
»ollkommen gleicht. Setzt man diese Beobachtung zu
Hause fort, wird man dasselbe an den Geschwistern
wahrnehmen; selbst an (eineiigen) Zwillingen wird es
mmer etwas geben, worin sie nicht übereinstimmen.
Die Unterschiede zwischen Geschwistern sind oft so
groß, daß man, wie so oft im Leben, geneigt ist, nur
das Trennende wahrzunehmen und das Gemeinsame
an ihnen zu übersehen. Das letztere aufzusuchen führt
aber auch hier früher zur besseren Erkenntnis. Meist
siind die Verhältnisse so, daß die Geschwister in vielen
Merkmalen ja übereinstimmen. So haben z. B. die
einen die gleiche Haarfarbe, die anderen die gleichen
Augen. Zwei oder drei zeigen die gleiche Stirn oder
eine ganz ähnliche Schädelbildung. Diese wieder haben
den gleichen Gang, jene dieselbe Art zu lachen oder zu
prechen. Aber auch auf seelischem Gebiet werden wir
manches Üübereinstimmende wahrnehmen können. Da—