Volltext: Heimatland Wort und Bild aus Oberösterreich Heft 9 1938 (Heft 9 / 1938)

Kasse 
Von L. Gschwendtner 
Allgemeines 
Es ist den früheren Systemen zum Verhängnis ge— 
worden, daß es ihnen trotz aller Versuche nicht mög— 
lich wurde, den Rassenbegriff in ihre Gedanken— 
welt einzubauen. Dieser Begriff wurde dadurch zum 
Prüfstein des Denkens und zum Wendepunkt zweier 
Welten. Wie alles im Leben erst durch Widerstand 
groß wird und sich zur Klarheit formt, so war auch 
der Rassengedanke erst durch den Kampf, dem er aus— 
gesetzt wär, zu solcher Bedeutung herangewachsen, daß 
er heute in jeder Weise tragend geworden ist. Mit 
zunehmender Ablehnung auf der Seite der Gegner 
verdichtete sich der anfangs noch unklare Begriff, unter 
dem sich die meisten Menschen, selbst solche, die ihn 
anwandten, nichts Bestimmtes vorstellen konnten, um 
einen sich zusehends klärenden Kern. Durch die An— 
sammlung immer neuer Gedanken um diesen Kern 
formte sich allmählich eine Ideenwelt, um die sich vor 
allem die Jugend scharte. Von da an wurde der 
Rassenbegriff revolutionär und durch den zunehmen— 
den Haß immer weiterer Gegner weltbewegend. Mit 
der Zeit gewann seine Werbekraft auslesende Wir— 
kung. Die Schar seiner Anhänger wurde durch ihn 
nach einer bestimmten Richtung hin ausgerichtet; die 
Rasse wurde zum Brennpunkt einer neuen Welt— 
anschauung, die allen Dingen des Lebens ein ganz 
neues Antlitz verlieh und allem einen neuen, und 
vor allem leichter erfaßbaren Sinn gab.— 
Rasse war viele Jahrzehnte hindurch bloß ein Hilfs— 
mittel für die Naturwissenschaft zur Tren— 
nung von solchen Tieren und Pflanzen und später 
auch von Menschen; deren Eigenheit in erster 
Linie durch örtliche Absonderung entstanden 
war und in der Folge meist auch auf diese Gebiete 
beschränkt blieb. Man beschrieb ihre Unterschiede und 
ordnete sie ein im System. Allmählich erkannte man 
aber, daß diese Unterschiede der Ausdru ck von 
Bewegung waren, Rückwirkungen auf verschie— 
dene Umweltseinflüsse. Sehr viel später erst brachte 
man diese Erkenntnis von der Wirkung mit dem 
Begriff der Ent wicklung vorhandener Kräfte und 
Leistungsmöglichkeiten des Lebewesens in Zusammen— 
hang. Damit war allerdings der ursprünglich tote 
Begriff der Rasse um sehr Vieles und überaus Wesent— 
liches bereichert worden: Das Lebendige trat hervor 
Die Form wurde nicht mehr als etwas Star— 
res, etwas an sich Gegebenes angesehen, 
sondern als Ausdruck der Wechselwirkung 
zwischender Umweltund Landschaft und 
den im Leben vorhandenen Kräften, die 
wiederum ihrerseits bis zu gewissem Grad formend 
in ihre nähere und weitere Umgebung einzugreifen 
vermögen. 
Durch die Entdeckung der Erblichkeitsgesetze 
und ihre Weiterentwicklung gewann die Vorstellung 
dieser bewegenden und formenden Kräfte an Bedeu— 
tung. Jetzt erkannte man eine Verbindung; sah, daß 
in diesen Formen und Eigenheiten, in den Kräften 
und Wirkungen nichts Einmaliges oder 
Einzigartiges liegt, sondern fließende, 
Generationen verbindende Werte verborgen 
schlummern. Generationen erwiesen sich unter 
diesem Gesichtspunkt als bloße Träger von Kräften, 
als deren entwickelte Form, die vergänglich ist, wäh— 
rend ihre gestaltende Kraft zur Ewigkeit neigt, da sie 
die Wesenheit der Ewigkeit in sich trägt. Zugleich aber 
erkannte man auch, daß diese Werte, bezw. deren 
Wirken und Auswirkungen Eigenartiges an sich tra— 
gen. Es erwidern nicht alle Wesen auf Außeneinflüsse 
zleichförmig, sondern verschieden. Schon wie sie ihre 
Bauart entfalten, ist durchaus nicht gleich. Es fällt 
aber selbst des Beobachtens Unkundigen auf, daß 
zewisse Gruppen untereinander darin „größere 
Ahnlichkeiten aufweisen als andere. Die in ihren 
Verwandten und Nachkommen zu beobachtenden Ent— 
wicklungsfformen, Bewegungen und Eigenheiten, auf 
Eingriffe von außen her zu erwidern, zeigen größere 
Ähnlichkeiten wie die von anderen Ländern und 
Zonen kommenden Gruppenvertreter. 
Augen auf! 
Wenn man sich auf einer belebten Straße die Men— 
schen ansieht, die einem entgegenkommen, wird man 
zar bald bemerken, daß eigentlich keiner dem anderen 
»ollkommen gleicht. Setzt man diese Beobachtung zu 
Hause fort, wird man dasselbe an den Geschwistern 
wahrnehmen; selbst an (eineiigen) Zwillingen wird es 
mmer etwas geben, worin sie nicht übereinstimmen. 
Die Unterschiede zwischen Geschwistern sind oft so 
groß, daß man, wie so oft im Leben, geneigt ist, nur 
das Trennende wahrzunehmen und das Gemeinsame 
an ihnen zu übersehen. Das letztere aufzusuchen führt 
aber auch hier früher zur besseren Erkenntnis. Meist 
siind die Verhältnisse so, daß die Geschwister in vielen 
Merkmalen ja übereinstimmen. So haben z. B. die 
einen die gleiche Haarfarbe, die anderen die gleichen 
Augen. Zwei oder drei zeigen die gleiche Stirn oder 
eine ganz ähnliche Schädelbildung. Diese wieder haben 
den gleichen Gang, jene dieselbe Art zu lachen oder zu 
prechen. Aber auch auf seelischem Gebiet werden wir 
manches Üübereinstimmende wahrnehmen können. Da—
	        
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