Volltext: Heimatland Wort und Bild aus Oberösterreich Dezemberheft 1937 (Heft 12 / 1937)

Heiligennamen und in roter Schrift astronomische 
Bemerkungen über den Eintritt der Sonne in die 
Zeichen des Tierkreises, den Beginn der Jahreszei¬ 
ten und die Zeit des Aufganges einzelner Sterne. 
Am Rande stehen die goldenen Zahlen; im ersten 
Jahr eines Zyklus haben alle mit I bezeichneten 
Tage Neulicht, im zweiten die mit II usw. So wurde 
der Kalender zu einem „ewigen", nach dem man 
durch Jahrhunderte das Osterfest bestimmen konnte. 
Bemerkenswert ist, daß auch biblische Ereignisse auf 
bestimmte Tage verlegt werden, so die Er¬ 
schaffung der Welt als prima dies saeculi auf den 
18. März und der Beginn der Sintflut durch die 
Angabe, daß Noe an diesem Datum die Arche be¬ 
trat. Vis ins 17. Jahrhundert machte die Festsetzung 
dieser Tage den Chronologen viel Kopfzerbrechen und 
veranlaßte sie zu langen gelehrten Abhandlungen. 
Die astronomischen Daten beruhen sämtlich auf dem 
alten Kalender des Ptolemäus (3. Jhd. n. Chr.), sie 
beweisen, daß in langer Zeit die Himmelskunde keine 
Fortschritte gemacht hat, doch ist den arabischen For¬ 
schungen durch Anführung der Tag- und Nachtglei¬ 
chen secunctum moclernorum ot>8ervatione3 Rechnung 
getragen. Auch die Unglückstage, die in unserem 
Kalender in lateinischen Worten am Anfang jedes 
Blattes vermerkt sind, haben seit den Römern ihren 
Platz nicht geändert und die Warnung, von Mitte 
Juli an, wenn die Sonne ins Zeichen des „brennen- 
' den" Löwen tritt, bis zum November einen Aderlaß 
vorzunehmen, ist ebenfalls uraltes Vermächtnis. Je¬ 
des Blatt schließt am nmtern Rande mit einem Vers 
aus Aufonius (400 n. Chr.), der auf das den betref¬ 
fenden Monat beherrschende Tierkreiszeichen auf¬ 
merksam macht. So vermittelt uns die Handschrift 
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ein Bild vom Denken und Wissen 
der Vorfahren aus lang ver¬ 
schollener Zeit; das Buch lag in 
den Händen der ersten Mitglie¬ 
der des ehrwürdigen Stiftes und 
ist wahrscheinlich, da ein Perga¬ 
mentband von diesem Umfange 
eine Kostbarkeit ersten Ranges 
war, auch vom heiligen Stifter 
selbst benützt worden. 
Ins 14. Jahrhundert führt 
uns eine Kalenderhandschrift des 
Stiftes K r e m s m ü n st e r, die 
in mehrfacher Beziehung von be¬ 
sonderer Bedeutung ist. Um das 
Jahr 1330 beschäftigten sich in 
Paris mehrere Gelehrte mit dem 
Kalender; es war immer klarer 
geworden, daß die Angaben des 
alten Kalenders infolge des un¬ 
genauen Ansatzes der Jahreslänge und des Verhält¬ 
nisses des Mondumlaufes zu ihr mit dem Himmel 
nicht mehr in Übereinstimmung waren. Diese Wissen¬ 
schafter, unter ihnen ein Johannes von Sachsen, schlu¬ 
gen eine Verbesserung vor, die sich bisher in keinem 
Kalender nachweisen ließ, und in dem Kremsmün- 
sterer Stück wohl zum erstenmal zur Anwendung 
gelangte, so daß man annehmen muß, daß seine An¬ 
gaben mittel- oder unmittelbar aus Paris stammen. 
Bestärkt wird man in dieser Meinung dadurch, daß 
der erste Teil der Handschrift Planetentafeln des 
obengenannten Johannes enthält, die für diese Stadt 
berechnet sind. Durch diese Tafeln ist Johannes von 
Sachsen in der Geschichte der Himmelskunde bekannt 
geworden, er erklärt, daß er sie zur Vertiefung der 
Studien in der Astronomie für Paris geschaffen habe. 
Der Kalender gehörte dann einem Bürger von Vöckla¬ 
bruck, dem Ulrikus, Sohn eines Fleischers Johannes 
aus Aspach, der sich als öffentlicher Notar und latei¬ 
nischer Schulmeister von Vöcklabruck bezeichnet. Von 
seiner Hand stammen mehrere Eintragungen recht¬ 
licher Natur, darunter ein Geleitbrief für einen Mit¬ 
bürger vom Jahre 1378. Dann kam das Buch in den 
Besitz des Dr. Johannes Seldt de Leubs, der um 
1440 Pfarrer in Krems war, und es nebst anderen 
dem Kloster des hl. Agapitus hinterlassen hat. 
Das eigentliche Kalendarium hat gegenüber dem 
Lambacher eine wesentliche Bereicherung erfahren. Da 
der Mondlauf sich durch einen Zyklus von 4 X 19 = 
76 Jahren um vieles bester darstellen läßt, erhält der 
Mondkalender nun vier Spalten für je 19 Jahre, in 
welchen die goldenen Zahlen, hier durch Buchstaben 
ersetzt, mit der Stunde des Neumondes eingeschrie¬ 
ben sind. Das erste Jahr, für welches die Tafel gilt,
	        
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