Volltext: Heimatland Wort und Bild aus Oberösterreich Nr. 20 1931 (Nr. 20 / 1931)

Besuch in Traber 
Lieblich wie nie baut sich das Mühlviertel an diesem son— 
nigen Morgen wor uns hin. Frühlingsfroh murmeln die Wäs⸗ 
erlein in den Talgründen, der Wald trägt schon zarten, hell—⸗ 
grünen Schimmer. Einsame Höfe stehen frank und stolz auf 
den sanftgerundeten Hügeln. In den freundlichen Dörfern amn 
der Straße herrscht sonntägliche Geschäftigkeit. Wie Bienlein 
surren die eifrig schwatzenden Leute durcheinander und die 
Männer stehen behäbig und wichtig vor der Kirchentüre. 
Schon schwingt der Mesner im grellfarbenen Kittel und blen— 
dend weißem Rochet das Rauchfaß, daß die Kohlen langsam 
zu glühen beginnen. Ministrantenbüblein wurlen durcheinan⸗ 
—D00 Himmel ist 
'o leuchtend blau und weiße, runde, —X 
behaglich und ein wenig faul auf die Berge. , 
In Waxenberg nimmt uns das „Bergauto“ auf. Und nun 
der Wald! Der einzige, herrliche Mühlviertler Wald! Feier— 
lich und gerade stehen die Fichten und Föhren, der Buchen 
Knospen sind schon groß und prall, im hellsten Grün lugen 
die ersten Blätter aus der braunen Hülle. Eifrig zwitschern 
die Meislein und irgendwo fern ruft ein Kuckuck. Ein bühler 
Hauch weht uns an, tief, tief trinken unsere armen, verstaub— 
ten Lungen die reine, klare Luft. Wie ein geduldiges Pferd— 
hen zieht das kleine Auto seine Last das steile Sträßlein em⸗ 
por. Ein wundersamer Blick tut sich auf, stolz und abweisend 
blaut der Sternstein auf und rechts und links die Mühlwviert— 
ler Wälder, unermeßlich, dunkel und geheimnisvoll. Der Bo⸗— 
den wird karger, Schlüffelblumen stehen klein und zaghaft in 
den Wiesen und die Buschwindröschen lassen ergeben ihr zar— 
tes Köpflein vom Winde zausen, der jahraus, jahrein im 
Mühlviertel über die Höhem weht. 
nd dann grüßt weiß und schimmernd und lieblich Tra— 
berg von der Höhe. Mit kühner Grazie nimimt unser Auto 
den Berg — wir sind im Passionsspieldorf. Es träumt in den 
Mittag. Aus kleinen Fenstern quillt eine Uberfülle blühender 
Blumen. Sonst ist eigentlich im Dorf nicht. viel zu merken. 
Nur das Gesicht der Leute ist anders, sie sehen so feierlich 
drein, und wichtig und vergnügt zugleich, daß man fühlt, wie 
ehr das Spiel „ihr Sach'“ ist. Nach dem Segen aber wird die 
behäbige Stille lebendig, es sieht aus, als sei das scheue Dörf— 
lein auf einmal ein gut Stück gewachsen, herrschend im weiten 
Umkreis thront es auf seinem Berg. Kommen aber auch von 
allen Seilen die Memnschen herzu, auf allen Steigen und We— 
gen und Sträßlein wandern die Leute daher, eine breite, 
schwanze Menschenmasse pilgert den Traberg hinauf. Hell und 
blendend leuchten die weißen Kopftüchel der Weiber hevaus, 
das ist ein Nicken und Plauschen, ein Grüßen und Kommen in 
einemfort. Wie ein riesiger Bienenschwarm surrt und summt 
es ohne Unterlaß. Ein altes, windschiefes, verwittertes Mar— 
terl steht werwumdert am Weg. .. — 
Wir aber lassen uns von dem Mendchenstrom willig trei— 
ben, hinaus zum Festspielhaus. Es ist ein großer, alter Stadel, 
massiv gemauert, wuchtig hingelehnt an den sauberen, freund⸗ 
lich schimmernden Hausstock. Einen besseren Platz hätte man 
für ein volkstümliches Spiel gar nicht finden können. Frei— 
lich wär's wohl das idealste, die Passion im Freien zu spie— 
len, im Angesicht der schweigenden Wälder und herben Schön⸗ 
—— noch recht kühl 
uͤnd der Wind weht ruhlos über die Berge. Und im Sommer 
haben die Bauernleute keine Zeit zum Spielen, da rufen Fel⸗ 
der und Weiden und der Schweiß fließt um kargen Mühl⸗ 
bdiertler Boden, nicht aber um eine schöne Red' und unis Rol⸗ 
lenlernen. 
Noch ist eine Stunde Zeit bis zum Beginn. Abev schon 
umdrängen die Schaulustigen das Gehöft. Eine kleine Licht⸗ 
350 
maschine ist aufgestellt, sie arbeitet mit Hochdruck und sann— 
als habe sie den Löwenanteil der Arbeit zu leisten 4 
ten „Standerln“, die für die leibliche Erbauung de 
chauer während der beiden großen Pausen zu otgen 
ind bereits in lebhaftem Betrieb. „Aftert danah krgt 
nehr!“ sagt ein altes Bäuerlein weise und beißt —* 
Henuß in seine Knackwurst. Gibt's doch hier allerlei 
ames, Würste und Weißbrot, Pomerantschen und hitin, 
Ainge, die uns verwöhnten Städtern so selbstwerständlih 
illtäglich sind, die aber die Bäuerin auf ihrem einsanen, 
oft wochenlang nicht hat, denn Geld und Gelegenheit 
mnapp. Gendarmerie und Feuerwehr sind da. Auf dem 
deltor prangt zwar ein Riesenbogen Packpapier mit der 
chrift: „Rauchen polizeilich verboten!“ aber man kann 
doch micht wissen — und so steht beim nahen hausteih 
Pumpe und der hange Schlauch ist schußbereit. Diese rihe 
ßorsorge gibt ein gutes und sicheres Gefühl, einen frun 
ichen Auftakt. 7 
Sm Hof des Bau ernhauses, dessen Eingang eine e 
Mühlviertler Schönheit, frisch und resch, vor „Unbefus 
vie ein Feldherr verteidigt, tut sich bereits des Epieles 
»erwelt auf. Das heilige Land im Mühlviertell Pharh 
vandeln im gemessenen Schritt über den Hof, auf der bu 
itzen die Hohenpriester mit ihren schimmernden Bprustschib 
vie seltsame, fremde Schaustücke. Mitten im Hof steht Pilen 
ind sammelt seine Legionen, Judas, der Verröter, klime 
chon mit den Silberlingen. Ein übermütiger Teufel hi 
zuͤrchs Tor auf die Bühne. Die weinenden Frauen su 
hre Kinderschar und dort, flattert nicht dort ein Ghtül 
immelblauer Mantel aus sorgsam verlehnter Tür? Ah 
bird wohl die Mutter des Herrn sein. Im Traidkasten sJ 
ie Frauen ihr Gewandzimmer, steife Stoffe knistern ou 
srwartung und Geheimnis. In weißen Schleiern wartet si 
saleng. Auf dem Heuboden haben die Mannerleut ihre— 
erobe“. Ernst umd feierlich lehnen die Apostel an der P 
üͤbermenschlich groß erscheinend im Halbdämmer. Nur 
umd wann huscht ein Sonnenstrahl durch eine Lucke und 
lirrend und eigen über seltsames, buntes Gewand .(llhhi 
Dann aber ist der Beginn. Ist auch Zeit dazu. Oen dalel— 
allen schwingt'die Erwartung leise vibrierend, zittertDre Bi 
arge Unruhe; ein paar Weibeérleute hat die Neugier tbute 4 
Jjanz zapplig gemacht, sie können nicht schnell genug hun 
ommen. Unermüdlich schluckt das breite Tor die Men 
in. Da schüttern drei Trompetenstöße durch die Scheun 
— Machmittagsdinn 
ließt wie ein übergoldeter Schleier ineinander. wi 
Zühne flammt das Licht auf — vot und grün. Dicht go 
itzen die Menschen auf den hölzernen Bänken, — 
aöpfe sieht man wor sich, neben sich, hinter sich. Kein 
vinzigstes Plätzchen ist mehr frei. Ein paar besonders s 
urschen haben sich im „1. Rang“ eine prachtvolle bon 
erichtet, bis zur Hälfte des riesigen Raumes läuft n 
n Obergefchoß das nach vorne offen ist und darim du 
zusbewahrt wird. Ihre Füße baumeln vergnügt über s 
Wpfen aber die umsichtige Feuerwehr macht die erh 
zeit ein Ende und die WVertreter der „oberen hehntn 
ie ihren Freisitz nur sehr ungern aufgeben werden — 
hefördert. Das Summen und Surren der Stimmen 
ämpft auf · und ab, brandet an die Mauern, die so 
wuchten, aus riesenhaften Granitblöcken. gemauert, 
zus dem Urschoß der Berge. Dicke Strohbündel in 
terlucken wehren der Sonne lockendes Licht, hoch 
Bühne das Kreutz, ernst und schwarz und mahnend. — 
o Mensch ...“ Aus dem Gebäöälk ragt ein riesiges Rod 
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