Volltext: Heimatland Wort und Bild aus Oberösterreich Nr. 17 1931 (Nr. 17 / 1931)

In der Stadt der Meistersinger 
Zu meinem großen Beschämen muß ich gleich eingangs 
gestehen, daß ich, während unser DeZug durch die fränkische 
Hochebene dahinbraust und sich dem ehrwürdigen Rürnberg 
nähert, eine kindliche Gedankenreihe nicht los werden kann; 
im Geiste sehe ich Lebkuchen in allen Formen, lebzelterne Her— 
zen und aus ebensolchem süßen Material gefertigte Reiter. 
Zu dumm, daß man solche Jugenderinnerungen nicht los wer— 
den kann. Ja, ich rieche fast im Geiste den süßlichen Duft, der 
dieser leckeren Ware ausströmt. Als ob Nürnberg nicht andere 
Herrlichkeiten besäße als „ausgerechnet Lebkuchen“/ ¶— 
Aber da rollt schon unser Zug in die große Bahnhofshalle 
ein. Was ist das für ein Bahnhof. Eine ganze kleine Stadt 
mit ihren verschiedenen Geschäftsladen erscheint auf verhält— 
nismäßig kleinem Raume hier, vereint. Neben großen Restau— 
rantsälen und Warteräumen, Waschlokalitäten und eigenen 
Zimmern für einzelreisende Damen, erblickt man Zigarren— 
und Obstgeschäfte, Buchhandlungen und Blumenläden, wo man 
sowohl für frohe als traurige Anlässe gleich fertiggestellte Bu— 
ketts oder Kränze erhält; ein Theaterkartenbureau, Friseur— 
läden für Herren und Damen, eine Konditorei, ein Photo— 
graph usw. finden sich da — ja vielleicht sogar ein „Standes- 
amt“ und eine Leichenbestattungsunternehmung; aber ich habe 
mich dafür nicht weiter interessiert. Dagegen erregte meine 
besondere Aufmerksamkeit ein „Streckenbriefkasten“, der in 18 
Fächer unterteilt, und mit den verschiedenen Fahrtrichtungen 
der abgehenden postbefördernden Güge versehen ist. Bis fünf 
Minuten vor der Abfahrt eines solchen Huges kann jedermann 
NRürnberg: Westportal der Lorenzkirche 
noch einen Brief in eines dieser Fächer werfen —, 
muß er das richtige mit der betreffenden Fahrtaufchro 
sehene wählen. 
Meinem Prinzipe getreu, stets beim Besuche einen 
mir die Stadt zuerst von einer „erhöhten Warke“ hug 
sehen, eile ich durch die breite Königsstraße und bo 
Pegnitzbrücke sowie den Hauptmarkt der alten Burg zu 
ich doch seit Kriegsbeginn nicht mehr in dieser altehrwi— 
Stadt und deren bauliches Bild ist mir zum größten Tey 
dem Gedächtnis entschwunden. 
Gochgiebelige Häuser säumen die steil ansteigende 
straße ein, die zuletzt in einen kleinen Platz mündet, vo 
zinige kleine Gäßchen ausgehen. Windschief steht em 
dreistöckiger Fachwerbbau, der Gasthof „zum Maulbeerh— 
da. Im Vorgarten räkeln sich in wärmender ESonn⸗ 
Katzen. Geradeaus aber und zur linken Hand erhebk 
steilem Hügel die alte „Faiserburg won Nürnberg“ 
eine schmale, nur von eigenartig ausgewaschenen und 
zöhlten Sandsteinfelsen unterbrochene Anlage führ 
Straße und ein Fußpfad mnoch höher hinan zur Buroe 
Bewor man jedoch. duvch den hohen, gewölbten do— 
eintritt, lädt ein breiter Altan zum Verweilen ein. dau 
an die verwitterte Steinbrüstung und sehe auf das 
liegende, alte Nürnberg herab . 
Scharf zeichnen sich die charakteristischen Türmen 
dalduskirche, der Lorenzer- und Jakobskirche ab, links dan 
taucht der zarte gotische Turm der Frauenkirche auf; w 
drüben grüßen der Hauptbahnhof und das neue Stadtth 
herüber, während ein Wald von hohen, schlanken, raude 
Fabrikschloten die große Bedeutung Nürnbergs als win 
Industriestadt dartut, und blauer Dunst über den entfern 
Stadtteilen schwebt. Gerade unter mir jedoch ein Gewirr 
Gassen und Gäßchen, uralten Häusern und Häuschen u 
ten, braunen und grauen Dächern und angerußten, oft 
fen Schornsteinen — das typische Antlitz Alt-Nürnbe 
Durch eine Anzahl Torbogen, zwischen zinnenbewor 
Mauern und an der „Hasenburg“ vorbei geht's nun 
Vorhof der Burg, die im 12. Jahrhundert von Kaiser 
barossa erbaut und zur Residenz erhoben worden woar 
der uralten Linde im verträumten Burghof, in dem einf 
Hofgericht“ abgehalten wurde, steht nur mehr ein klihl 
Stumpf. Aber auch Spiel und Tanz ah vor vielen hehy 
derten dieser Platz; vorbei am „tiefen Brunnen“ geht 
der Ostseile der Burg mit ihrem halbverwitterten „he 
turm“, während etwas außerhalb der „fünfeckige Turm 
hen vistoritern ais ehemallger ronnscher Wwerttürm ann 
eine wuchtige Masse in die Höhe schiebt. Da eine ganze 
von Jahrhunderten an der Gestaltung der Kaiserbur 
arbeitete, ist der ganze Bau alles eher als eine einhe 
Schöpfung; dennoch ist der Beschauer won einer ganz wu 
baren künstlerischen Einheit gefesselt .... 
Nun hinab von der Burg auf anderem Pfade. Beh 
ich in der Winklergasse vor einem bescheidenem, alten 
auͤf dem eine Tafel verkündet, daß hier im Hinterhauze gine p 
21. Mai 1471 Rürnbergs größier Maler, Albrecht Olret der bert 
Sohn eines aus Ungarn eingewanderten —A 8 
boren wurde. Noch ein zweites Haus in der Burgstrafe —P d 
sich rühmen, Dürer in feinen Kindertagen beherbergt 
ben. Allen Besuchern bekannt ist aber das Albregrd 
daus⸗ in der ein stigen Zisselgafse, das der schon zum ten 
enden Künstler hevangereifte Dürer 15009 erstand. Nei duskivt 
regelmäßige Grundrißgestaltung“ auf abschüssigem c Peake 
die überkragtem Stockwerke und die unregelmäßige Anordꝛ 
von Türen und Fenstern geben dem Bau einen ungemen 
zarren und doch malerischen Reiß.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.