Volltext: Illustrierte Kriegsbeilage Nr. 36 1917 (Nr. 36 1917)

Samstag, 8. September 
Sine Feldpost starte. 
Wie Infanterist Szerencse Jöska vom Infanterie- 
Regiment Rr. 86, 3. Kompagnie, fiel. 
Er wischte sich den Schweiß von der Stirne 
und seufzte tief auf. Viel tiefer, als wenn der Herr 
Zugsführer Molnar nach der unendlich langen 
Winternacht Befehl gab, die Arbeit einzustellen. 
Die Arbeit ist nämlich schwer, aber Buchstaben aufs 
Papier zu setzest — das ist Jammer und Plage. 
So meint Infanterist Szerencse Jöska. Dann legt 
er das Notizbuch schön zusammen — seinen 
Schreibtisch. Die Feldpostkarte aber nahm den ge¬ 
wohnten Lauf. Zuerst in die Hände des Herrn Zugs¬ 
führers Molnär. Die erste Zensur. Die Karte ent¬ 
hält nichts Anstößiges. Die gewöhnliche Formel. 
„Datum am 2. Juni 1916. 
Filgelibte Eltern! Diese majne Zajlen mögen 
Euch in frischester Gesuntheit antrafen, wajter 
taste Euch mit, daß wir uns hir wolbefinden, Ir 
müßt kajne Anxt haben, es schtirbt ja hir nicht 
jeder, und dan wenn ich auch schterben tuh, schterbe 
ich für majn libes Faterland, das lassen wir aber 
nicht zu, daß der Russe Gewalt darüber krigen 
soll. Ich las auch die Juli grüsen, den Schwaga 
und Euch aus der toasten Ferne 
Euer libender Sohn 
Infanterist Szerencse Jöska." 
Die Post nahm die Feldpostkarte mit. Sie hatte 
die Karpathen noch kaum hinter sich, als die Russen 
mit einer ungeheuren Masse aufbrachen, um in das 
ungarische Vaterland einzudringen. Das sollte ihnen 
aber nicht glücken. Dort an der Spitze Worobin- lg 
jöwka standen die Bakas aus der Bäcska und em- " 
pstngen die Russen mit einem Kugelregen. Vom 
Bergabhang stürzten zehn- bis vierzehnfache feind¬ 
liche Schwarmlinieu über die von Rosenhecken be¬ 
wachsenen Felder vor den Drahthindernissen tot 
nieder. In bis zum Himmel ragender Staub- und 
Rauchwolke lungert noch hie und da ein Russe ver¬ 
wundet, die übrigen liegen bereits starr da — auf Be¬ 
seht des allmächtigen Zaren. Die Bakas aber erzählen 
einander freudestrahlend, wie jeder geschossen, wie viele 
er vom Feinde getroffen, wie der Russe herüberqewinkt, 
wie er aufs Hindernis gestoßen, aber nur einen Schlag 
^ Gräben. Sie muß herausgeschafft werden, schleunigst. 
'I Die Ordonnanz, die den Befehl überbrachte, ist 
gänzlich durchnäßt. Die Bakas rüsten lautlos. Voran 
I der Kompagniekommandant, ihm nach die Bakas, 
unter ihnen Infanterist Szerencse. Sie sind schon 
beim vordersten Graben, weiter weg ist die Tra¬ 
gi verse und der Russe. Er muß sehr erschrocken sein, 
er fuchtelt mit Handgranaten herüber. Die Kom- 
pagnie nimmt den Russen gegenüber Stellung. Der 
gj Russe bemerkt etwas, es geht auf den Graben los. 
1 Sausend schmettern die „Schweren" nieder, da muß 
3 rasch gehandelt werden. Der Kompagniekomm an- 
1 dant befiehlt „Sturm", die Leute springen flott aus 
Sj dem Graben. Voran die Zugskommandanten, dicht 
1 neben einem Infanterist Szerencse Jöska. Sie stur» 
1 men, das Schrapnell zieht wahre Straßen in ihre 
l| Schar. Für einen, der ausfällt, treten sofort zwei 
3 ein. Zwischen den schwarzen Türmen der Granate 
blicken hie und da russische Maschinengewehre her» 
S vor. Die Bakas stürmen vorwärts, und der Russe 
schickt sich bereits an, das Gewehr vom Grabcnrand 
* wegzuschaffen. Noch ein — zwei Augenblicke und 
Jt die Bakas sind gleich dort. Jetzt ertönt auf einmal 
|i der Hurraschrei. Der Schlachtruf der zweihundert 
■ Bakas übertönt den Lärm der Maschinengewehre, 
Schrapnelle, Granaten, und alle überschreit der allen 
voranstürmende Infanterist Szerencse Jöska. Noch 
zehn Schritte. Noch ein Hurraruf. Hurr .. . schreit 
Infanterist Szerencse Jöska, doch weiter geht's 
nicht bei ihm. Der Schrei erstickt in seinem Halse, er 
stürzt vorgebeugt nieder, das scharfe Bajonett springt 
in die Wand des Grabens, über seine Lippen kommt 
kein Laut mehr. 
Sankt Petrus mochte wohl große Augen ge¬ 
macht haben, als vor dem Tore des Paradieses 
Infanterist Szerencse Jöska mit einem . . . rah 
sich einstellte. Er mußte wohl meinen, die Ungarn 
hätten einen neuen Kampfruf, statt Hurra! nur 
mehr ... rah! 
versetzen konnte und schon tot hinfiel, wie der russische Zu Hause aber, die gesegneten Fluren der Theiß 
Offizier die Richtung zeigte. Jeder hat was zu erzählen, entlang, in der Türe des kalkweißen Wirtschaftshauses, 
und auch Infanterist Szerencse Jöska erzählt. übernimmt Michael Szerencse die rote Feldpostkarte, 
Jetzt wäre es schön zu rasten, Befehl kommt aber, holt das alte Augenglas hervor und buchstabiert die 
vom Vater Gaksch, dem Herrn Oberst. Bei Cebröw zer- schwerfälligen Zeilen, während „Mutter" am Saume 
störte der Russe mit Trommelfeuer den Graben. Die der blauen Schürze nagt, daß ja „Vvtta" die b ange 
zehnte russische Schwarmlinie ist bereits in unseren Besorgnis nicht bemerke; er aber liest laut: „. . . und 
dan wenn ich auch schterben tuh, schterbe ich für majn 
libes Faterland..." 
Die Knpferdachaönahme vom neuen Dom in Linz. 
(Phot. Schwarz, Linz.) 
Die prächtige Kopie „Maria mit dem geneigten 
Kanpte" in der Karmelitenkirche in Linz. 
(Phot. Flicßer, Linz.) 
Atters- «nd Invalidenheim „Iranziskusheim" in Grieskirchen, G.-He
	        
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