Volltext: Illustrierte Kriegsbeilage Nr. 22 1917 (Nr. 22 1917)

rein, so sauber, so still. Eine Tafel: „Zur Feldwache". 
Ungefähr 110 Schritte durch die Drahthindernisse hin¬ 
durch führt der Weg. Kaum 60 Schritte weiter stehen die 
russischen Drahtverhaue. 
Vorne in der ersten Linie herrscht fieberhafte Tätig¬ 
keit. An 30 Sappeure und ebenso viele Infanteristen 
kommen und gehen geschäftig wie die Ameisen. Ein 
metergroßes Loch gähnt am Boden des Grabens. Ein 
Unteroffizier kriecht hinein mit einem Ventilator. Jetzt 
wird Luft hineingepumpt. Ein Minenstollen, der zu 
bett Russen führt und gesprengt werden soll. Eile tut 
not, denn auch die Russen haben einen Stollen ge¬ 
graben bis unter unsere Stellung. Es handelt sich darum, 
wer früher sprengt. Minuten sind da kostbar.... Un¬ 
gefähr 140 Meter ist der Stollen lang. Der Sappeur¬ 
offizier erteilt seine letzten Anordnungen. An dreißig 
Mann kriechen in den Stollen. Ganz vorne die ge¬ 
schicktesten Unteroffiziere. Sie legen den Explosionsstoff, 
ersticken ihn, versehen ihn mit der Zündschnur. Alle von 
dem einen Gedanken beseelt, so rasch als möglich fertig 
zu werden, denn sonst kommen die Russen zuvor, und 
alle fliegen in die Luft. Einer reicht dem andern die 
Verschlüge mit dem Explosivstoff, dann die Sandsäcke. 
Ununterbrochen arbeitet die Luftpumpe, um die im 
Stollen Befindlichen mit einer genügenden Menge 
Sauerstoff zu versehen. Unter der Erde, beim Scheine 
der elektrischen Taschenlampen wird fieberhaft gearbeitet. 
Mehr als 100 Sprengstoffdosen sind bereits in derOeff- 
nung verschwunden, jetzt werden die Sandsäcke hinein¬ 
gereicht. 
Drinnen im Stollen, das Ohr an die Wand gedrückt, 
stehen zwei Horchposten. Sie horchen, ob die Russen 
noch arbeiten, und in welcher Richtung. Jetzt melden sie, 
daß die Russen nicht mehr arbeiten. Von Mund zu 
Mund geht die Meldung. Warum wohl ist es still ge¬ 
worden in dem russischen Stollen? Haben sie nur Ruhe¬ 
pause oder . . . ? Jeder weiß, um was es sich dreht. 
Schon kommt der dringende Befehl: in zehn Minuten 
muß alles fertig sein. Die Saudsäcke fliegen von Hand zu 
Hand. Eine Schichte ist bereits gelegt. Es gibt noch viel 
Arbeit. Mit schweißbedeckten Gesichtern wird sie ge¬ 
macht. Das Surren und Brummen des Luftpumpen¬ 
motors begleitet sie. Noch einige Minuten! Einige sind 
ohnmächtig geworden in der Stickluft da unten, sie 
werden rasch an die Luft befördert und von der Sani¬ 
tätspatrouille gelabt. Endlich fertig. Der Offizier kriecht 
hinein und überzeugt sich, ob alles in Ordnung ist. Es 
stimmt. „Laden!" ertönt das Kommando. Alles entfernt 
sch schleunigst aus dem Maulwurfsgang. iZuletzt der 
Offizier, dessen Antlitz vor Genugtuung strahlt. Die Be¬ 
obachter im Schützengraben sind auf ihren Posten. 
Einige Augenblicke und — ein fürchterliches Krachen, 
erdbebenartige Erschütterung. Die Mine ist explodiert! 
Bei den Russen Jammern, Schreien, ein 
kopfloses Hin- und Herlaufen. Dazu das 
wohlgezielte Feuer unserer Artillerie auf die 
russischen Stellungen . . . und schon stürmen 
unsere tapferen Stoßtrupps vorwärts, um 
die feindwärts gelegene Seite des Minen¬ 
trichters zu besetzen, um sich selbst zu über¬ 
zeugen, welche Verheerungen die Mine in 
den feindlichen Stellungen angerichtet hat, 
um von dort aus den durch die Verwirrung 
entstandenen Erfolg weiter auszunützen . .. 
Schon wenige Minuten nach der Explosion 
ist der Trichterrand von den Unsrigen besetzt, 
die herandrängenden russischen Abteilungen 
sind zurückgeschlagen. Einige Russen, die in 
der Umgebung des Explosionstrichters durch 
einen besonderen Zufall am Leben geblieben 
sind, wurden gefangen genommen. Noch 
nach vier Tagen zitterten sie am ganzen 
Körper, sie brachten nichts anderes heraus 
als: „Gospodim pumiluj“, „Gospodim pumi- 
luj“. „Wir wollen gar nicht mit euch Krieg 
führen, wir werden gezwungen." „Gospodim 
pumiluj“, „Wir wollen gar nicht mit Euch 
Krieg führen." 
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„iDer weiße Herr des schlschlfeldes." 
(Jean Henry [Johann Heinrich! Dnnant, der Gründer des 
Roten Kreuzes.) 
(Fortsetzung.) Von Josef Harter-Hart, Steyr. (Nachdr. Verb.) 
„Nach der Schlacht von Solferino .... Von wie- 
vielen Todeskämpfen und Leiden vermöchten die drei 
Tage vom 25. bis 27. Juni 1859 zu erzählen; durch 
die Hitze, den Staub und den Mängel an Wasser und 
an Pflege sind die Wunden bösartig und recht schmerz¬ 
haft geworden. Ekelhafte Dünste verpesten die Luft .." 
„Auf den Steinplatten der Kirchen liegen, Seite an 
Seite gedrängt, Verwundete jeder Herkunft .... und 
füllen sie bis zum hintersten Winkel. Viele haben nicht 
mehr die Kraft, sich zu bewegen: sie können sich im 
engen Raume nicht mehr drehen oder rühren. Flüche, 
Lästerungen und lautes Geschrei, das sich nicht wieder¬ 
geben läßt, hallen in den heiligen Räumen wieder... 
In ihrer Herzensangst flehen die armen Verwundeten 
um Hilfe und finden keine!" 
„Ein Manu liegt im Sterben, während sein Blut 
über die Steinplatten der Kirche rinnt... Seine Un¬ 
glücksgefährten stoßen ihn mit dem Fuße zur Seite, 
weil er ihnen den Weg versperrt. Ich schützte ihn während 
der letzten Augenblicke seines Lebens und bedeckte sein 
armes Haupt mit meinem Tuche." 
„Ungeheure Ballen Scharpie- liegen da und dort — 
aber es fehlt an Binden, Leinwand und Hemden..." 
VT 
Henerak d. I. Hludokf Stöger-Steiner von Stein- 
stätte«, österr.-nng. Kriegsminister. 
„Bald ziehen sich mehrere der freiwilligen Kranken¬ 
pfleger (gewöhnliche^Touristen!) zurück, denn sie können 
den Anblick dieser Leiden auf die Dauer nicht ertragen..." 
„Ein Kaufmann aus Nauenburg bemüht sich durch 
zwei Tage, Wunden zu verbinden — so gut er es ver¬ 
steht — und für die Sterbenden Abschiedsbriefe an 
deren Familien zu schreiben." 
„Ein alter Sergeant sagt wiederholt mit tiefer 
Trauer und bitterer Ueberzeugung: „Hätte man mich 
1 
Bilder aus Oberösterreich: Aas Kans der Barmherzigkeit (Anheilöaren- 
Spital) in Linz. 
und Spitälern, wo der Tabakgeruch die verpesteten 
Ausdünstungen ein wenig abschwächte. Außerdem 
diente der Tabakgenuß den Verwundeten als Zer¬ 
streuung und Ableitung für ihre Angst, ehe man zur 
Abnahme eines Gliedes schritt; mehrere wurden mit 
der Pfeife im Munde operiert und einige starben sogar 
rauchend." 
„Im Verlaufe meiner Wanderungen drang ich 
in Brescia in eine Flucht von Zimmern, eine Art La¬ 
byrinth. Hier fand ich in einem Zimmer vier, in einem 
anderen etwa zehn oder fünfzehn, in einem dritten 
etwa zwanzig fiebernde Verwundete; sie baten in¬ 
ständig, man möchte ihnen statt kalten Wassers, das 
bisher ihr einziges Getränk bildete, wenigstens etwas 
Fleischbrühe reichen." * 
„Während der ersten Tage nach der Schlacht er¬ 
hielten jene Verwundeten, von denen die Aerzte im 
Vorübergehen halblaut und kopfschüttelnd sagten, es 
sei nichts mehr zu machen, kaum mehr irgendwelche 
Pflege. Und dies war angesichts der wenigen Kranken¬ 
pfleger und der ungeheuren Menge von Verwundeten 
nur natürlich..." 
„Für einen im Spital liegenden Verwundeten, der 
seinen Tod herannahen sieht, liegt schon seit acht Tagen 
ein Brief seiner Familie auf der Post. Flehentlich bittet 
er den Wächter, den Brief zu holen. Der harte Mann 
ttit's nicht. Und der Unglückliche muß ohne diese letzte 
Nachricht von daheim sterben." 
So schilderte er in herzergreifenden Aussprüchen 
seine Erlebnisse auf dem blutgetränkten leichen- und ver¬ 
wundetenbesäten Feld, den jeder Hilfe Entblößten und 
jene seines errichteten Spitales. Keine Zeile, kein Wort 
widmet er seinem Wirken. Klar und deutlich beschreibt 
er die Schrecken und Leiden jener Tage, welche der 
Schlacht folgten. Anknüpfend an die Erlebnisse und 
Selbsterlebtes fragte er: „Wäre es nicht möglich, be¬ 
reits in Friedenszeiten freiwillige Hilfsvereine zu schaffen? 
Diese müßten die verwundeten Krieger pflegen und 
pflegen lassen. Sie müßten zunächst die Militärärzte 
auf dem Schlachtfelde unterstützen und die Verwundeten 
in den Spitälern pflegen, bis sie genesen." (F. f.) 
®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®® 
Literatur. 
Die Kiriderzeitschrift „Kleines Ave Maria" (jährlich 
12 Nummern K 1.36, Verlag Preßverein Linz) hat. schon gegen 
40.000 Abonnenten gewonnen. Das Aprilheftchen bringt: Früh¬ 
lingserwachen, Das patriotische Ministranlenbüblein, Zur öfteren 
heiligen Kommunion, Napoleon auf St.^Helena, Das Märchen 
vom Marienkind, die heitere Erzählung Schuster Lisls blonder 
Riesenzopf. Die Königstochter vom Rhein. Das Maiheftchen 
bringt eine Reihe von lustigen und heiteren Beiträgen, alle von 
hervorragenden Kinderschriftstellern verfaßt. 
Uä Die illustrierten Monatshefte „Ave Maria" (heraus¬ 
gegeben vom Linzer Dombauverein, jährlich 12 Hefte K 2.76, 
00000000000000000000000000000 
Kriegsgedichte. 
Von Chrenkanonikus Georg Wagnlcithner, 
Grieskirchen. (Nachdr. »erb.) 
Das Volk siegt. 
Dem alten Kaiser sank das Schwert 
Aus seiner müden Rechten. 
Da schwang sich Kaiser Karl aufs Pferd, 
Den Krieg gar auszufechten. 
Zur Kirche ging das Mütterlein, 
Mit ihrem Rosenkränze; 
Es siegt ja nicht das Heer allein, 
Es siegt das Volk, das ganze! 
Ganz recht; denn mag die Waffeutat 
Den Feind auch niederringen, 
So kann daheim die Drachensaat 
Doch nur das Volk bezwingen. 
BBBBBBBBEBBBBBBEBBEBBBBBBBEBB 
früher gepflegt, so hätte ich am Leben bleiben können. 
So aber werde ich heute abends tot sein!'" 
„Im Hintergrund der Kirche, in einer Altarnische, 
liegt ein auf Stroh gebetteter afrikanischer Jäger. 
Drei Kugeln haben ihn getroffen... Es ist Sonntag 
und er versichert mir, daß er schon lange nidsts gegessen 
habe! Nachdem ich ihm seine Wunden ausgewaschen, 
ihm etwas Fleischbrühe eingegossen und ihn in einem 
Teppich eingewickelt hatte, führt er mit einem Ausdruck 
unaussprechlichen Dankes meine Hand an seine Lippen." 
„In Volta-beherbergt ein altes, zur Kaserne um¬ 
gestaltetes Kloster verschiedene hundert Oesterreicher. 
In Cavriana liegen in einer Kirche eine Menge Ungarn, 
die 48 Stunden lang keinerlei Hilfe genossen hatten." 
„Mehrere Tage hintereinander verteilte ich Tabak, 
Pfeifen und Zigarren an die Verwundeten in den Kirchen 
nach Deutschland K 3.30) erfreuen sich als Familienblatt in¬ 
folge ihrer künstlerischen Ausstattung, reichen Illu¬ 
strierung und der Fülle interessanten Stoffes einer 
großen Beliebtheit. Aus dem Inhalt der letzten zwei Hefte heben 
wir hervor die hochinteressanten Ausführungen über den jüng- 
stenTag vonWernher von Tegernsee,den Artikel: DieMarianische 
Verehrung in den katholischen Orden Oesterreichs von Alfons 
Zak, den Schluß der Prophetenstimmen von Dr. Marianus, 
die mit vielen prachtvollen Bildern geschmückte Reisebeschreibung 
Ins Wunderland Spanien von Pesendorser, die Schilderung 
der Wallerkapelle von Harter, das Prämonstratenser-Stift 
Schlägl mit vielen Bildern, Der Herrgott von Jnnichen, 
Humoristisches aus dem Schul-und Kinderleben vom Redakteur, 
eine feinstilisierte Lebensskizze über die heilige Katharina von 
Siena Bartholomäus Holzhäuser (mit Bild), Ein tapferer junger 
Leutnant, die Erzählungen Gottesruf von Henriette Brey und 
Komm' heim von Berberich, tief empfundene Gedichte, die stets 
interessante Weltrundschau von N.Wolfgang Stöcker, Literaturrc. 
Gesamtzahl der Bilder 37. Die Zeitschrift tritt demnächst in den 
25. Jahrgang.
	        
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