Volltext: Illustrierte Kriegsbeilage Nr. 5 1917 (Nr. 5 1917)

Sonntag, 4. Keöruar 
sonst unser Zucker war, zwei leere Zigarrenkisten waren Am sechsten Tage sahen wir uns ängstlich in allen 
schon angefüllt mit dampfendem Reis und standen auf Ecken um, ob nicht doch noch irgendwo versteckt Reis 
dem Fußboden herum, und immer höher noch stieg die stände. — Und dann brach aus allen Herzen ein be¬ 
drohende Flut und immer ängstlicher spähte Fritz an freiendes Atmen aus. Die Seele jauchzte auf, denn wir 
allen Ecken, auf den Regalen, unter den „Betten" nach hatten durchgehalten. 
neuen Gefäßen. Und überall Reis, Reis, Reis! Mancher von uns erklärte mir später, daß er lieber 
Ein Minenüberfall konnte nicht schlimmer auf unser in den dichtesten Granathagel ginge als noch einmal 
Nervensystem wirken als diese unendliche Menge Reis, so viel Reis zu essen. 
so aus dem Nichts der zirka 10 Pfund Reis entstanden. Ich selber sagte nichts. Aber wenn ich hin und wieder 
Endlich, nachdem aber auch alles angefüllt war, an Unterständen vorbeikomme, woraus mir Reisluft ent- 
und wir noch einige Löffel ausschütten mußten, gelang gegenweht, dann beeile ich mich immer, recht schnell fort- 
es uns mit vereinten Kräften, Meister dieses tobenden zukommen. Man kann ja nie wiffen, ob dort etwa „Hilfe" 
Elementes zu werden — und wir hatten „unsern Milch- gebraucht wird. 
reis zu Pfingsten". 
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fteuten uns,' daß es nun auf einmal so reichlich war; tinr mri Tf^hrort 
wir konnten uns dieses Pfingstwunder nicht erklären mt 81Ibcin- ^ » ' 4lulJltU. (Nachdr.tiet8-) 
und brachten es eben mit Pfingsten zusammen. Am Mitten im Kriege feiert das Stift Reichersberg die 
zweiten Feiertag aßen wir schon etwas ^weniger und Erinnerung an seine Wiedererstehung vor 100 Jahren, 
die durch die 
Prälat Konrad 
. _- ---J Meindl trug 
sich schon im- 
Schneeschuhpalroüilke in den Alpen. mer mit dem 
(Jllustrationsprobe aus dem im Verlage des kath. Preßvereines Linz erschienenen Werke „Oesterr.-ung. Weltkriegssuch" von M. Pelzer, Band I, Preis mit Postzusendung 2 K) Gedanken, diese 
Gedenktage in 
lachten nicht mehr. Mancher ging schon nach „einem einer besonderen Schrift entsprechend zu würdigen und 
Schlag" stillschweigend hinaus. Am dritten Feiertag in der Erinnerung festzuhalten. Der bittere Tod hat ihm 
sahen schon manche halb bittend zum Feinde hinüber, die unermüdliche Feder aus der Hand genommen. Seinem 
daß er vielleicht einen Volltreffer in den Unterstand Andenken seien nachfolgende Zeilen geweiht. Sie sind 
jage, damit der Reis auf diese Weise sein Ende fände zumeist seinen Schriften entnommen, vorzüglich jener: 
— denn wegwerfen durften wir doch nichts. Darüber „Die Schicksale des Stiftes Reichersberg von 1770 
waren wir uns stillschweigend einig, wo jeder sich er- bis 1822 von Konrad Meindl. Passau 1873." 
innerte, von „Reiskarten" in den Heimatszeitungen ge- In den Jahren nach 1780 zeigte das politische Ba- 
lesen zu haben. — Der Volltreffer kam nicht und so rometer auf Sturm. Es war der Klostersturm. Viele 
wurde auch am dritten Feiertag Reis gegessen. uralte und hochverdiente Klöster und Stiftungen fielen 
Am vierten Feiertag aß ich schon keinen mehr; ich ihm zum Opfer. Am 27. Dez. 1787 erschien der gefürchtete 
hatte Respekt davor bekommen. In der Nacht vorher Landrat Valentin Eybl von Linz als kaiserlicher Kom- 
hatte unser Koch einige Male laut im Schlafe auf- miffär in Reichersberg. Eybl nahm ein genaues Inventar 
geschrien: „Der Reis! Der Reis! Ich ertrinke! Der Reis aller beweglichen und unbeweglichen Güter auf und setzte 
wird verrückt!" Im Gegensatz dazu hörte ich nicht das das Stift zugunsten des Religionsfonds in Admini- 
geringste Geräusch der sonst unsern Nachtschlaf störenden stration. Dieselbe wurde jedoch dem Propste Ambros 
Mäuse und Ratten. Kreuzmayer übertragen. Das Schlimmste war damit 
Am fünften Tage nachher wurden die letzten Spuren vorderhand abgewandt, aber es war der Anfang kom- 
vertilgt und Pfingsten mit dem „schönen Pftngstessen" mender Leidenstage. Es kamen die Kriegsjahre mit all 
war für uns endgültig vorüber. ihrem Elend und Not. Sechsmal nacheinander erfüllte 
£>er ttelsbreL 
Pfingsterirmerungen aus dem Beobachtungsleben 
von Art-Maat. Gröger. 
Pfingsten besteht laut Kalender aus zwei Feiertagen. 
Aber der Kalender gilt hier ja nicht an der Front. 
Sonntage sind für uns trübe, regnerische Tage, an denen 
wenig zu tun ist, und als Feiertage sehen wir nur die 
Urlaubstage an. Pfingsten 1916 war für uns aber ein 
besonderes Fest. 
Wir saßen im Unterstand und berieten, was gekocht 
werden sollte. Eine Gulaschkanone kennen wir aus Be¬ 
obachtung nicht. Wir kochen selbst. Und wenn ich früher 
über diese Hausfrauenarbeit erhaben gelächelt habe, so 
habe ich hier gelernt, daß „Kochen" wirklich eine Kunst ist. 
Pfingsten sollte nun gar ein Festessen gekocht werden. 
Wir hatten einen Sack mit Reis entdeckt und wollten 
nun zum ersten Male — natürlich ohne Kochbuch — 
Milchreis kochen. 
Unser Koch, im Zivilleben Dachdecker, war unseres 
Erachtens auch 
im Kochen auf ssSE&BS33S3^HS^?~‘^'~’’; 
der Höhe. Er 
hatte zwar auch I 
noch nie Reis 
gekocht, meinte 
nücst wohl auch 
Wasser!" 
licher Gedanke .. 
kam uns nur, 
ob der halbe 
Sack, dessen 
Gewicht wir 
auf ungefähr l,#jf /. 
10-12Pfund ■pF : 
taxierten, auch sS* 
für uns zehn HpP*, 
Mann reichen | 
würde. Alle 
erklärten aber, RHE 
wenn es so et- llr 
was Gutes 
gäbe, gerne 
weniger zu 
essen. Ernst 
nahm nun un¬ 
sern Kochtopf, L^————— 
füllte ihn halb 
mitWafferund 
machte ein or< 
deutliches 
Feuer darunter. Wir lagen fast alle im schönen Früh¬ 
lingswetter vor dem Unterstand und plauderten von der 
Heimat und zogen Vergleiche mit früheren Pfingsttagen. 
Da plötzlich kommt Ernst ganz entsetzt aus dem 
Unterstand gestürzt, hochrot im Gesicht und aufgeregt. 
Seine sonst so friedlich blickenden schwarzen Augen rollten, 
seine Haare standen ihm zu Berge. Er brüllte uns förm¬ 
lich an: „Kommt bloß schnell rein, kommt bloß schnell 
rein, ich glaube der Reis ist verrückt geworden!" 
Wir alle in den Unterstand und bleiben wie an¬ 
gewurzelt an der Tür stehen. 
Unser lieber Kamerad Fritz stand da am Ofen mit 
unserm großen Schöpflöffel und schöpfte und schöpfte, 
während der Reis immer höher im Topf stieg und aus 
feinem Bett zu treten drohte. Es schien uns der reinste 
Mannaregen, oder passender gesagt Reisregen zu be¬ 
glücken. Immer mehr Reis trat aus dem Topf und 
Kamerad Fritz schöpfte und schöpfte. — 
Zwei Kaffeekannen, drei alte Konservenbüchsen, zwei 
Waschschüsseln, neun Trinkbecher, eine Blechdose, in der
	        
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