Volltext: Illustrierte Kriegsbeilage Nr. 33 1916 (Nr. 33 1916)

Sonntag, 13. August 
Ar. 33. 
fliit übe nmi jii feinet itbeniiiBisiitii mm. 
Bon F. Schrönghamer-Heimdal. (Nachdr. Verb.) 
Oft, wenn ich so in die Stadt komme und die 
Buben und Mädel sehe, wie altklug und naseweis sie 
auf ihre jungen Jahre schon sind, muß ich an einen 
gewissen Franz denken, den ich einmal recht gut gekannt 
habe. Dieser Franz nämlich hat oft, wenn sich die Ge¬ 
legenheit dazu schickte, den Ausspruch getan: „Die kleinen 
Buben brauchen nicht so viel zu wissen." 
In der Stadt ist es aber so, daß die Buben schon 
alles wissen und die Mädchen sind erst ganz gescheit. 
In der Stadt lernen sie auch schon so viel in der 
Schule, als sollten die Buben lauter Professoren und 
Ratsherren werden. Und was gibt es außerhalb der 
Schule nicht alles zu sehen, zu hören, zu riechen und 
zu schmecken! Die Schaufenster, die Kinos, allerhand 
Ausstellungen und Festlichkeiten drängen sich in Sinn 
und Seele, und so kommt es, daß die Stadtkinder schon 
alles kennen, vieles, ehe sie sollten. Aber einen laufenden 
Hasen und eine lebendige Lerche haben wohl die wenigsten 
gesehen. Dafür 
können sie nichts; 
auch dafür nicht, 
daß sie schon so 
viel wissen und 
erfahren, was in 
späteren Jahren 
auch noch früh ge¬ 
nug wäre. Daran 
sind die Großen 
schuld, die sich in 
Gegenwart der 
Kinder oft kein 
Blatt vor den 
Mund nehmen 
und auch in ihrem 
BenehmenAerger- 
nis geben, ohne es 
zu wollen. Bei 
den Bauern hat 
man Ehrfurcht 
und Rücksicht auf 
die Kinderseele 
und alles ist still, 
wenn „Schindel 
auf dem Dache" 
sind, das will hei¬ 
ßen, wenn Kinder 
etwas Unziem¬ 
liches sehen oder 
hören könnten, 
was für ihr Alter 
noch nicht paßt. 
Wie aber der Franz zu seiner Weisheit kam, will 
ich jetzt erzählen: Als er noch ganz klein war und eben 
erst laufen konnte, hopste er einmal die Dorfgasse hin¬ 
unter. Vor dem Blaslbackofen blieb er stehen, weil die 
Blaslin gerade schürte. Es war ein großes, lustiges 
Feuer im Ofen, in dem die Blaslin mit langem, eisernem 
Schürhaken herumstach und die Glut auf den Backherd 
gleichmäßig verteilte. Wie das geschehen war, legte sie 
das glühende Eisen neben sich ins taufrische Gras. Da 
stieg denn gleich eine heftige, zischende Rauchwolke auf 
und der Franzl wunderte sich: da ist Rauch, aber kein 
Feuer. So etwas hatte er noch gar nie gesehen und 
das mußte er gründlich untersuchen. Er ging hin und 
hob den Haken auf. Weil er ihn aber am falschen 
Ende erwischte, schrie er gleich gottsjämmerlich und ließ 
das Eisen wieder fallen. Und die Blaslin schimpfte noch 
dazu: „Du dummer Bub', schau, warum bist du so 
neugierig." 
In dem Sommer ist der Franzl ganz brav gewesen, 
hat nichts mehr angerührt, was nach Heißsein hergesehen 
hat' und hat sich auch nicht mehr verbrannt. 
Im Winter aber ist das anders, da ist's nicht mehr 
Wie sich der Reitknecht einmal einen Eisstock 
schaut ihm der Franzl zu und wie er fertig ist, 
fragt er ihn gleich, wie man das Eisschießen 
geht so", sagt der Knecht und schützt den 
Stock über den Stubenboden hin. „Laß mich's auch 
probieren", sagt der Franzl. „Gleich", sagt der Knecht, 
aber, weil er ein rechter Schlanke! ist, lockert er erst 
den Handgriff und wie der Franzl dann zum Schwünge 
ausholen will, fällt ihm der Stock gerade auf die Zehen 
und der Griff bleibt ihm in der Hand. „Du bist ein 
dummer Bub'", sagt der boshafte Knecht.- „Geh' heim 
zu deiner Mutter und wein' dich aus!" 
Es ist wieder eine Zeitlang'gut und der Franzl 
hütet sich vor allen Schürhaken und Eisstöcken, wie 
der Fankel (böse Feind) vor dem Weihbrunnen. Im 
Herbst darauf ist er aber einmal beim Weigl, da macht 
die Großdirn gerade ein großes Faß zu. Wie der Franzl 
in die Stube kommt, sieht er zwischen Faß und Deckel 
einen Spalt, wo man gerade die Nase noch hineinstecken 
kann. Und weil es kein Eisstock, auch kein Schürhaken, 
sondern bloß ein Krautfaß ist, steckt er richtig die Nase 
in den Spalt. Er weiß nämlich nicht gewiß, ob in dem 
Faße wirklich Kraut ist; es können auch Mostäpfel sein. 
Aber jetzt dreht die Dirn geschwind an dem Schrauben¬ 
gewinde und die Nase ist eingezwängt. Der Franzl 
Wekiefüöerstcht über das Kampffeld an der nordwestlichen Iront öei Werdnn. 
schreit, als wenn er am Messer stecken täte und hat 
seitdem eine breite Nase. Die Dirn aber lacht ihn bloß 
aus und sagt: „Merk' dir's, man muß nicht überall 
seine Nase hineinstecken und kleine Buben brauchen nicht 
so viel zu wissen." 
Das läßt sich der Franzl wohl gesagt sein und 
wenn es etwas ist, wo man wieder Finger, Zehen oder 
Nase versehren könnte, fragt er erst lieber und schaut 
sich die Dinge mit den Augen an und nicht mit der 
Nase. Wenn ihn aber jemand zu einer Spitzbüberei 
oder sonst etwas haben will, wobei man Schaden 
nehmen könnte, bedankt sich der Franzl schön und sagt: 
„Die kleinen Buben brauchen nicht so viel zu wissen." 
Wie die Leute sehen, daß sie den Franzl nicht mehr 
foppen und an der Nase herumführen können, lassen 
sie ihn stehen. So kommt er ohne weiteren Spott und 
Schaden durch seine Kinder- und Schuljahre. 
Aber man bleibt nicht immer ein kleiner Ftanzl, 
sondern man wird auch einmal ein großer Franz, so 
groß und gescheit, daß man selber schon kleine Buben 
anschmieren könnte. Aber das tut unser Franzl nicht, 
weil er selber weiß, wie es ist, wenn man eine heiße 
Feuerzange anfaßt oder wenn einem ein Eisstock auf 
die Zehen fällt oder wenn man gar die Nase zwischen 
Faß und Deckel bringt. Der Franzl denkt sich vielmehr: 
„Auch die großen Buben brauchen nicht alles zu wissen." 
Denn jetzt gibt es allerhand Sachen, wo die großen 
Buben ihre Nasen hineinstecken. Die Feuerzange wird 
ein Wirtshaus, der Eisstock eine liederliche Gesellschaft 
und das Krautfaß ein Bierfaß. 
Der Franzl aber bleibt rechtschaffen bei der Ordnung 
und geht an den Wirtshäusern, wenn sie auch noch so 
gescheit reden und laut schreien drinnen, schön ruhig 
vorbei. Und daheim bei der Mutter ist's an Sonntag- 
Nachmittagen wohl ebenso schön wie auf dem Radfahrer¬ 
ball. Da hat man anderen Tages wieder frischen Mut 
und alles freut einen ganz anders, als wenn man 
einen wüsten und schweren Kopf hat. 
Einmal ist Tanzmusik im Pfarrdorf drüben. Die Musik 
tut so schön und der Franzl geht halt hinüber. Die 
Eltern haben neulich ein ernstes Wort mit ihm geredet. 
Sie sind alt und möchten ihm den Hof übergeben. Und 
es wäre ihnen recht, wenn er bald eine Hochzeiterin 
brächte. Die Hochzeiterinnen bekommt man aber auf dem 
Tanzboden, hatte er einmal gehört und geht hin. Wie 
er aber vor dem Wirtshause steht und das Gewergel 
hört, kommt es ihm so dumm vor, als wenn eine Me¬ 
nagerie von Affen närrisch geworden wäre. Ganz heiß 
weht es ihm aus 
der Türe entge¬ 
gen; vielleicht ist 
gar ein Schür¬ 
haken drinnen, au 
dem er sich die 
Finger verbren¬ 
nen könnte . . . 
Und tanzen kann 
er ja auch nicht, 
fällt ihm ein. Was 
täte er also drin¬ 
nen? Sich aus¬ 
lachen lassen wie 
ein kleiner Bub'? 
„Geh", denkt 
er sich, „die klei¬ 
nen Buben brau¬ 
chen nicht so viel 
zu wissen!" Dreht 
sich um und geht. 
Weil er sich aber 
vor den Eltern 
geniert, wenn er 
schon wiederheim¬ 
käme, macht er 
einen Umweg 
über das Frauen¬ 
brünnl. — Das 
Frauenbrünnl ist 
eine Kapelle im 
Walde, da betet er 
vor dem Muttergottesbilde, die Liebe Frau möchte ihm 
beistehen, daß er eine rechte Hochzeiterin findet. Und 
ganz leicht und froh geht er dann heim. — Jetzt meint 
ihr wohl, die Liebe Frau tut gleich ein Wunder dem 
guten Franzl zulieb. — Heute noch nicht. 
Aber, wie es schon sein will, am nächsten Sonntag 
geht der Franzl wieder dem Frauenbrünnl zu. Er denkt 
an gar keine Hochzeiterin, aber der Weg durch die 
Felder und dann durch den Hochwald hinauf ist jetzt 
im Frühjahre so schön, daß er gar nicht wüßt', wo er 
lieber hingehen möcht'. 
Wie er aber heute zum Frauenbrünnl hinaufkommt 
und ins Kirchlein hineingeht, ist's ihm, als ob zwei 
liebe Frauen darinnen wären, die himmlische und eine 
irdische. Weil aber die Erde dem Himmel dienen muß 
und alles Irdische zu Gottes Preis geschaffen ist, tut 
das Dirndl dort am Altare ganz recht, wenn sie der 
Himmelmutter einen Kranz von Efeu und Waldblumen 
um die Güldenkrone schlingt. 
Wie aber der Franzl so unvermutet vor ihr steht, 
erschrickt sie ein wenig; dann sagt sie: „Ich hab' der 
Lieben Frau ein paar Blümel gebracht, weil gar so 
viele blühen jetzt. Und kein Mensch denkt an die Mutter 
Gottes im Frauenbrünnl. Was suchst denn du da?" 
Der Franzl schaut erst eine Weile, ob er es sagen 
darf, was er gern möchte. Sie gehen mitsammen hinaus 
und draußen sagt er es ihr, der Weber-Rest.
	        
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