Volltext: Illustrierte Kriegsbeilage Nr. 32 1916 (Nr. 32 1916)

Sonntag, tz. August 
Das Eiserne Kreuz. 
Skizze von SOI. Karl, (Nachdruck verboten,) 
Es war am Abende vor dem Sturme auf Belgrad. 
In einem Unterstände saßen zwei bayerische Unter¬ 
offiziere, Anton Schwaiger, ein Degenfelder, und Hugo 
Frankl, ein Augsburger. 
Sie rauchten ihre kurzen Pfeifen und der Augs¬ 
burger meinte: „Man könnt' dich wirkli beneiden, 
Schwaiger, wenn man dich anschaut. Das Eiserne erster 
und zweiter — das tuat's!" 
„Na, na, Frankl!" wehrte er bescheiden ab. „Streich' 
mi doch net gar so aussa! So arg is's ja net! Freist 
hat's hübsch a Arbeit kost, dös stimmt! Aber du wirst's 
a noch kriagn, verlaß di drauf! Vielleicht morgen schon." 
„Moanst also, daß wir wirklich ins Feuer kemma?" 
„Freist! Siagst ja alle Vorbereitungen! Paß nur 
auf, Frankl, morgen geht's den Serben aufs Gnack!" 
Der Frankl stochert in seiner Pfeife. 
„Js a höchste Zeit, daß ma dera Bagasch endst 
's Gnack bricht! Dö müaßn Hieb kriagn, daß wir a 
Ruah Habit für alle Zeit!" 
„Und du holst dir bei der Gelegenheit das Kreuz!" 
Frankl nickte und stopfte Tabak in die Pfeife. 
„Hoffentli! — Hoaßt dös, wenn's unser Herrgott 
will und i sonst guat draus kimm. Woaßt, Schwaiger, 
bevor i 's Eiserne net hab', möcht' i net amal in Urlaub 
gehn. I hab's meinen Leut'n versprochen dahoam." 
Die Nachtschatten senkten sich auf die stillen Felder. 
Draußen rauschten die Wellen der Donau und über 
die fernen Mauern Belgrads stieg der Mond herauf. 
Da hüllten sich die beiden Unteroffiziere in ihre 
Mäntel und legten sich zu kurzem Schlafe nieder. 
Eine stille Wehmut kommt über ihn. 
„So hat's also auch ihn erwischt! . . . Armer Kerl! 
Und koa Kreuz noch net . . . Wie steht's mit uns, 
Schwester? Guat net, was?" 
„Sie brauchen große Ruhe, Schwaiger", sagt sie 
milde, „dann kann's noch gut werden. Ihr Kamerad 
aber " 
Sie sagt nichts mehr und zuckt nur die Achseln. 
Die Fahnen der Verbündeten flatterten über Belgrad 
Das Serbenheer floh zurück ins Innere des Landes- 
Rauch und Pulverdampf durchzog die Straßen und die 
klaffenden Mauern verkündeten, wie furchtbar die Ar¬ 
tillerie gewirkt hatte. 
Auf blutiger Walstatt in und um Belgrad lagen 
die Gefallenen und Verwundeten. 
Darunter auch die beiden bayerischen 
Unteroffiziere . . . 
Sanitätsmannschaften rückten an. 
Als sie zu den beiden Bayern kamen, 
fanden sie, daß noch Leben in ihnen 
war. Und da legten sie die Tap¬ 
feren auf ihre Bahren und schafften 
sie nach rückwärts in die Automobile. 
Im Garnisonsspitale zu Temesvar 
stand der Chefarzt vor den Betten 
der Neuangekommenen. Als er zu 
den zwei Bayern kam, machte er ein 
bedenkliches Gesicht und sagte zu der 
Schwester: „Hier wird nicht mehr 
viel zu machen sein. Besonders bei 
dem einen da — er deutete auf 
Frankl — sind die Stunden gezählt." 
Die Nacht der Bewußtlosigkeit lag 
über Schwaiger und Frankl. Und im 
Körper wütete das Fieber. 
Schwaiger war der erste, der 
wieder zu sich kam. Die Schwester 
stand gerade bei ihm. Er blickte sie 
groß an und sagte: „Wo bin i . . . 
was is's mit mir?" 
„Im Spitale und bei hilfsbereiten 
Menschen. Verzagen Sie nicht, es 
wird schon wieder gut werden." 
Da kehrt sein Erinnerungsvermö- 
gen wieder. 
„Ach ja . . . jetzt weiß ich'- 
draußen ..." 
Er schließt wieder die Augen. Das Fieber schüttelt 
ihn. Die Schwester macht ihm Umschläge. 
Wieder weicht die Bewußtlosigkeit. Da bemerkt er 
den Nachbarn zu seiner Linken. 
„Dös is do . . . dös is do . . . der Frankl? . ." 
Die Schwestör nickt. „Unteroffizier Frankl, Ihr 
Kamerad. Man hat Sie beide zugleich gebracht." 
Großadmiral Kaus. 
Da wußte er, daß sein Kamerad dem Tode verfallen 
war . . . 
Der Tag verging. Als de? Ehesarzt nm Abend nach¬ 
schaute, fand er Schwaiger besser und bei Besinnung. 
Da machte er dem Schwerverwundeten Hoffnung 
und Mut. 
„Na, Unteroffizier, es geht ja vorwärts! Nur Ruhe, 
äußerste Ruhe!" 
Ueber Schwaigers Gesicht zog ein freudiges Leuchten. 
Gm Kriegsrat im Kauptquartier des Zaren. 
Der russische Kaiser mit seinen bekanntesten Generalen. Bon rechts nach links im Vordergründe sitzend: 
General Iwanow, General Klembosky, General Brussilow, der Zar, General Kuropatkin, General Korielzinski, 
General Ewert, General Alexejew. 
vor Belgrad 
Aber dann blickte er hinüber zu seinem Kameraden, der 
noch immer bewußtlos war. 
„Wie steht's mit meinem Kameraden, Herr Doktor?" 
„Leider nicht gut! Doch vielleicht können wir noch 
Hoffnung haben." 
Und er machte weiter seine Runde. 
Die Nacht senkte ihre Fittiche in den Krankensaal. 
Die verhüllten elektrischen Lampen verbreiteten ge¬ 
dämpftes Licht. 
Der Schwaiger lag in schwachem Schlummer. Plötz¬ 
lich wachte er auf. 
Was war das? Hat- nicht sein Nachbar gerufen? 
Er horcht und sieht hinüber. Und deutlich hört er wieder: 
„Das Kreuz . . . i muaß' habn . . . i geh' net hoam 
ohne Kreuz!" 
Er redete im Fiebertraume. 
Das Kreuz, das Kreuz! Ja, du Tapferer bekommst 
es gewiß! Schwaiger hat es deutlich gesehen, mit welcher 
Bravour er im Sturme seinen Zug geführt. Dafür ist 
ihm das Eiserne sicher! Aber, ob er die Ueberreichung 
desselben noch erlebt, das ist eine andere Frage. Wie 
tut ihm sein Kamerad doch so leid, mit dem er die 
Strapazen des Feldzuges so lange geteilt! Wie gerne 
möchte er ihm helfen! Wenn er könnte! 
Er wandte sich zur Seite und da bemerkte er an 
der Mauer seinen Waffenrock. Und darauf steckte das 
Eisenkreuz der ersten und aus dem Knopfloch blickte 
das Bändchen der zweiten Klaffe hervor. 
Ein Gedanke blitzt auf in ihm. Er kann seinem 
Kameraden helfen! Wenigstens kann er ihm den letzten 
Augenblick versüßen. Er hat zwei Eiserne Kreuze. Wie 
wenn er ihm eines davon in die Hand geben würde? 
Aber schon verwirft er den Gedanken wieder. Ist 
ja doch umsonst. Ec ist ja bewußtlos und sein Leben 
zählt nach Stunden. Und doch kann er von dem Ge¬ 
danken nicht lassen. Es könnte immerhin möglich sein, 
daß er, wenn auch nur auf kurze Zeit, das Bewußtsein 
wieder erlangen würde. Und wie groß möchte dann die 
Freude sein! Die letzte im Leben! 
Da fällt ihm aber ein, daß die Sache keinesfalls 
so leicht geht. Er darf ja nicht das Bett verlassen und 
kennt den strengen Befehl des Arztes, vollständig Ruhe 
zu bewahren. Soll er die «Schwester rufen? 
Er sieht um sich. Weit hinten im Saale hatte die 
Schwester zu tun. Da überlegt er nicht mehr lange. 
Mit vieler Mühe langt er nach der Holzrolle, die 
über dem Bette hängt, zieht sich auf und erreicht das 
Kreuz. Dann versucht er, aufzustehen. Es ging schwer, 
aber er brachte es zusammen. Ein paar wankende Schritte 
und sein Kamerad hat das Eiserne 
Kreuz erster Klasse in der rechten, 
heißen Hand. 
Jetzt eilt aber schon die Schwe¬ 
ster herbei. Todernst ist ihr Gesicht. 
„Schwaiger, um Gottes willen, 
was machen Sie da?" 
Den hat bereits die Schwäche 
übermannt. Sie bringt ihn ins Bett. 
Sein Gesicht war um einen Ton 
blässer. Und plötzlich kam es rot 
und hell aus seinem Munde. 
„Auch das noch! Ein Blutsturz! 
Armer Bayer!" 
Sie schellte nach dem Arzte. Der 
kam und schüttelte den Kopf. 
„Was hat er nur gemacht? Sein 
Zustand war doch besser. Jetzt ist er 
verloren." 
Die Schwester sagt, was sie be¬ 
merkt hatte. Der Arzt blickt nach 
dem bewußtlosen Frankl. Der lag 
ruhig da und unter seiner rechten 
Hand lag das Eiserne Kreuz. 
Wieder verwunderte er sich. 
„Was das wohl zu bedeuten 
hat? Der Mann kommt ja schwer¬ 
lich mehr zum Bewußtsein. Aber 
lassen Sie ihm nur ruhig'das Kreuz." 
Er wendet sich wieder zu Schwai¬ 
ger und trifft seine Anordnungen. 
Der Zeiger der Saaluhr rückte langsam vor. All¬ 
mählich brach der Morgen an und die ersten Strahlen 
lugten durch die hohen Fenster. 
Da wachte ein Todgeweihter auf. Der Unteroffizier 
Frankl. Suchend irrten seine Augen herum. Eben ging 
die Schwester vorüber. Sie bemerkte es und freudig 
sagte sie zu ihm: „Ist Ihnen wieder etwas leichter, 
Frankl?" — Er steht sie an und sagt tonlos: „Ja ... 
ich glaub' schon . . ." 
— ——8 i — 
Ar. 32.
	        
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