Volltext: Illustrierte Kriegsbeilage Nr. 11 1916 (Nr. 11 1916)

Sonntag, 12. Wärz 
(Nachdruck verboten.) 
Mr. 11. 
Des Beiden Braut. 
Kriegsskizze von M. H. Karl. (Nachdr. uei-a.) 
In den regnerischen Frühmorgen hinein klingt ganz 
leise und zaghaft das Kirchtnrmglöcklein. Es rüst bittend 
und mahnend zur Frühmesse. Ringsum ist es noch dun¬ 
kel. Aus den Fenstern der Häuser bringt noch der Lampen¬ 
schein. Hie uitb ba treten Menschen, erst vereinzelt, dann 
mehr, ans bett Türen auf die Straße, wickeln sich fest 
in Mäntel unb Tücher, bettn es ist ein kalter Morgen, 
unb schreiten zur Kirche hinauf, bie oben auf einer Höhe 
am Marktplatz liegt. 
Elfriebe Rhein hat auch beim Ruf ber Glocke ihr 
Elternhaus verlassen unb schreitet gedankenvoll zwischen 
bett anderen Menschen einher. 
|)eute trieb sie ein besonderes Anliegen zum Früh- 
gottesbieust. 
Franz hatte gestern geschrieben. Franz ist ihr Ver¬ 
lobter. Sie liebt bett braven, jungen Mattn mit ber ganzen 
Inbrunst ihres jungen, reinen Herzens. 
Wenige Wochen nur noch waren von betn Tage ent¬ 
fernt gewesen, wo ihr Verlobter sie an bett Altar führen 
ttnb ber Priester bett Segen des Himmels auf bas junge 
Paar herabflehen sollte, als gleich einem Donnerschlag 
bei heiterem Sonnenschein bie Kriegstrompeten burch 
bas Land schmetterten. 
War das Abfchiebnehmen entsetzlich hart und schmerz¬ 
lich gewesen! Ans einmal so viel Glück und Hoffnung 
vernichtet! Doch nein, nicht die Hoffnung wurde zerstört; 
sie ist geblieben, obschon mit Franz das Glück in den 
Krieg zog. 
Viele Monate sind seit jener Abschiebsstunbe ins Land 
gezogen. Die Blätter knospeten und sprangen, unb bie 
Blumen blühten unb verwelkten wieber. Längst ist bie 
Schwalbe, die im Nistkästchen am Nußbaum vorm Haus 
von Elfriebe gepflegt würbe, gen Süden gezogen, weil 
der Herbst mit feiner Kälte sie davontrieb. Jetzt wohnt 
Elfriedens Schützling jenseits der Grenze, bei des Vater¬ 
landes Feinben. Ihn stört nicht Europas Krieg unb 
Trauer. Wenn des Winters Leid vorüber ist, bann wirb 
bie Schwalbe wieder zurückkehren. 
Die Heimkehr ihres Verlobten war seit dem ver¬ 
hängnisvollen Augusttage, wo Franz 
gegen die Feinde zog, Elfriedens ein¬ 
zige große Hoffnung. 
Vom Winter hoffte sie, er würde 
ihn ihr zurückbringen, unb als sich bie 
Hoffnung nicht erfüllte, ba setzte sie 
neues Vertrauen darauf, die Zeit der 
Blumen und Blüten würde dem Kriege 
ein Ende bereiten. 
Dann kam der Sommer, der Herbst- 
wind bläst über die fahlen Felder, und 
immer noch nicht ist der Ersehnte in 
die Heimat gekommen. 
Wohl traf gestern ans dem fernen 
Osten folgender Brief ein: 
„Meine liebe, liebe Elfriede! 
In einem russischen Kloster liege 
ich. Ich bin verwundet. Eine Kugel 
schlug mir durch die Lunge. Ich 
glaube, ich muß sterben. — Weine 
nicht. Wenn ich sterben muß, dann 
ist es auch für Dich gewesen. Sei un¬ 
verzagt, Elfriebe — stark — eine 
bentsche Jungfrau — Unb Deine neue 
Hoffnung fei das Wiedersehn im Him¬ 
mel — wo das Endziel aller Hoff¬ 
nung ist." * 
Seinen Namen hat er wahrscheinlich nicht mehr am 
Schluffe des Briefes niederschreiben können. — — 
Mit betn Briefe sank Elfriede fassungslos auf einen 
Stuhl und stöhnte und schluchzte nun, bis endlich ihren 
reinen, blauen Augen die erlösenden Tränen kamen. Und 
bann hat sie lange geweint — lange Stunben bes Abends 
— bie ganze Nacht. — -— Erst am Morgen kehrte 
allmählich wieber bie Ruhe unb Fassung in ihr Herz 
zurück. Dann ging sie zur Kirche, wo sie an jebem Morgen 
für bie Erhaltung bes Verlobten flehte. Wo anders auch 
soll sie Zuflucht und Trost finden! Auch heute kniet sie 
wieder vorne, ganz nahe bem heiligen Orte, aus dem 
ein überströmenber Quell bes Erbarmens zu ben Gläu¬ 
bigen fließt. 
In tiefe Attbacht unb stumme Ergebung versunken 
sitzt sie ba, unb ihre Seele führt eine geheimnisvolle 
Sprache mit bem Herrn, in besten Hand auch bes Ver¬ 
lobten Leben steht. 
„Gib ihn mir zurück! Erhalte sein junges Leben! 
Du weißt, wie ich ihn liebe! Sei ihm besonders jetzt 
Sevastiani-Kirchkei« in Andorf. 
(Zum Artikel: Ein Denkmal aus schwerer Zeit.) 
zur Seite mit deiner Gnade, jetzt, wo vielleicht sein Auge 
dem Erlöschen nahe ist", flüstern flehenb ihre Lippen. 
Unb ba sie so spricht, steigt es in ihrem Herzen 
wieber heiß unb weh auf. 
„Laß ihn nicht sterben, Allmächtiger!" entrinnt es 
zitternb ihrem Muitbe. 
Die Kirchenbesucher sittb schon längst wieber fort, ba 
kniet Elfriebe noch immer an bem heiligen Ort, tief, tief 
in Gebanken versunken. 
Auf einmal schaut sie auf. 
Himmlischer Friebe unb eine vergärende Ergebenh eit 
breitet sich über ihr Gesicht, als sie ausruft: 
„Nimm ihn! Nimm ihn zu Dir, wenu's zu seinem 
Wohl geschieht!" 
Dann erhebt sie sich unb kehrt mit Kraft und Mut 
zu ihren Eltern zurück. 
Kaum ist sie im Elternhause angelangt, da bringt 
der Briefträger wieder einen Brief ins Hans. 
Gefaßt und mit einer Vorahnung reißt sie den Um¬ 
schlag ab und lieft; lieft Wohl ein dutzendmal, Zeile um 
Zeile ben kurzen Inhalt burch. 
Ein stechenber Schmerz bringt in ihre Schläfe. Sie 
greift mit der Hand darüber, wie wenn sie etwas fort¬ 
wischen wollte. 
Am Fenster stand sie. Und müde sinkt ihre Hand 
mit dem Briese herab. 
Fest drückt sie bie Sippen aufeinander, um die es 
wie verhaltenes Weh zuckte. 
Franz ist tot. Die Klvsterverwaltung teilte es kurz 
und schonend mit. 
Sein Körper ruhe im ruhigen, einsamen Kloster¬ 
garten. 
Elfriede meinte nicht. Sie stützt die Hände aufs 
Fensterbrett, unb ihre schönen, treuen Augen blicken irr 
uitb ohne Glanz ins Weite — die reinen, unschuldigen 
Augen, bie Franz so gern hatte. Unb bann reckt 
sich ihr Körper, und entschlossen schreitet sie ins Neben¬ 
zimmer, der Mutter zu sagen, daß Franz im Himmel ist. 
Ein Denkmal aus schwerer Zeit. 
(Filialkirche zum heiligen Sebastian in Andorf.) 
Mit Abbildung.) 
Kinsegnnng österreichischer Soldaten (Linzer Landwehr) in Brünn vor ihrem Ans 
marsch ins Aeld. 
Aber gleich faßt sie sich wieder, unb eine Heilige Er¬ 
gebung kommt über sie. 
Sie bett kt an den Schlußsatz im Heldenbrief: „Und 
Deine neue Hoffnung fei das Wiedersehen im Himmel 
— wo das Endziel aller Hoffnung ist." -—— 
Wiedersehen int Himmel! Wie schön muß das sein! 
Das Leben ist nicht lang, balb wirb es bahin sein. 
Dann ist sie ja bei ihm. Warum soll sie benn klagen 
unb murren? Wie ber Höchste es bestimmt hat, so wirb's 
wohl gut sein. 
Die Veranlassung zum Bau der Sebastiaui-Kirche in 
Andors reicht zurück in bas Jahr 1634. Es war eilte recht 
traurige Zeit. In beutschen Lauben tobte ber Dreißig¬ 
jährige Krieg. Im Gefolge waren ansteckenbe Krankheiten 
unb Hungersnot. Nachher Beschreibung 
von Lamprecht, bie im Jahre 1876 in 
ber katholischen Preßvereinsbrnckerei in 
Linz erschien, waren im Lanbgerichte 
Schärbing über 40 Ortschaften von 
berartigen Krankheiten heimgesucht. 
Auch Auborf würbe davon ergriffen. 
Auf fürstlichen Befehl — unser Lan¬ 
desteil gehörte damals zu Bayern — 
wurde jenseits ber Prattt im Rieb ein 
eigener Friebhof für bie an anstecken- 
ben Krankheiten Verstorbenen errichtet. 
Da erwachte in ber Pfarrgemeinbe ber 
Gebanke, eine Kirche zu erbauen zu 
Ehren bes Märtyrers Sebastian, um 
baburch Gottes Strafgericht abzuwen¬ 
den. Der bamalige Pfarrer Melchior 
En ber es leitete unter feinen Pfarr- 
holben eine Sammlung von Haus zu 
Haus ein. Der Lanbrichter von Schär¬ 
bing, Isaak von Leoprechting, 
unterstützte bas Unternehmen in jeber 
Weise. 
Ant 20. März 1635 erteilte Herzog 
Max I. von Bayern bie Bewilligung 
zum Baue. Am Mariä Heimsuchungs¬ 
tage 1635 ließ ber Baumeister Bar¬ 
tholomäus 35 is carbi nach voran¬ 
gegangenem Gottesbienste mit ber Maurerarbeit an¬ 
fangen. Der 28. August 1638 war ber Tag ber feier¬ 
lichen Einweihung. An Festen der Gottesmutter und an 
anderen hohen Festen pilgerten Andächtige in größeren 
und kleineren Schoren zur Sebastiani-Kirche nach An* 
dorf, so daß sich die Kapelle balb als zu klein erwies. 
1652 würbe biefelbe an ber Sübseite ausgebrochen unb 
burch einen Anbau erweitert. In biesem wurde dann der 
vierte Altar errichtet. Bemerkt sei noch, daß mit bem 
Baue biefer Gelöbniskirche auch bie pestartigen Krank- 
»fl«
	        
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