Volltext: Illustrierte Kriegsbeilage Nr. 3 1916 (Nr. 3 1916)

Gewissen, Exzellenz!" 
brauste der Gouver- 
Der Deutsche sah ihn verachtungs¬ 
voll an. 
„Ihr schlechtes 
»Herr " 
nenr auf. 
Der Deutsche streckte ihm abwehrend 
beide Hände entgegen 
„Exzellenz, schreien Sie nicht! Meinen 
Sie, daß das Telegramm, welches Sie 
heute erhalten haben, unbekannt geblieben 
sei? Es liegt ganz in Ihrem Interesse, 
alles zn vermeiden, was Sie aufgeregt 
zeigt. Ich empfehle Ihnen eine gleichmäßig 
heitere Ruhe. Jene Ruhe, welche der Aus¬ 
fluß eines Gewissens ist, das rein ist. Und 
mit der Sie jetzt draußen den Auftrag 
geben werden, mir einen Auslandspaß 
auszufertigen. Denn die Zugsverbindungen 
jetzt im Kriege sind sehr schlecht und gar 
leicht könnten Sie jene” Frist verpassen, 
welche Ihnen gesetzt ist!" 
Der Deutsche verschränkte die Arme 
über der Brust und sah den Gouverneur 
ernst und eindringlich an. 
Dieser senkte den Blick. 
„Aber wer bürgt mir dafür, daß Sie auch Wort 
halten werden?" fragte er zögernd. 
Der Deutsche hielt ihm die Hand hin. 
„Das Ehrenwort eines Deutschen wird Ihnen ge¬ 
nügende Bürgschaft fein." 
Der Gouverneur holte tief Atem. 
Dann schlug er in die dargebotene Hand ein, schellte 
und befahl dem eintretenden Beamten: 
Mederanföan einer von den Aussen zerstörte« Brücke 
nnsere Moniere. 
dnrch 
Gefolgsleuten sammelten und auf ein paar 
Wochen in den Beutekrieg zogen. Diese 
halb mittelalterliche, echt arabische Beduinen¬ 
taktik war gegen die kleinen französischen 
Expeditionskorps der Fremdenlegion in 
Marokko und Algerien ausreichend, versagt 
aber natürlich bei größeren Unternehmun¬ 
gen, wie sie die Konzentration des nord¬ 
afrikanischen Islams gegen die Italiener 
im Tripoliskrieg mit sich brachte. Hier 
schuf eilte Zusammenkunft Enver Paschas 
mit dem Senussi-Lcheich Wandel: türkische 
Offiziere organisierten das Massenaufgebot 
der Senussi und blieben strategische Be¬ 
rater des Ordens. 
Die Senussi spielen im Orient eine 
ähnliche Rolle wie die Kreuzfahrerheere. 
Noch heute ziehen sie mit dem Schlachtruf 
der alten Kalifen ins Feld: „Vorwärts! 
Das Paradies liegt im Schatten eurer 
Schwerter!" Ihre Bewaffnung ist ausge¬ 
zeichnet und sie dürften an 100.000 mo¬ 
derne Gewehre ins Feld stellen können. 
I>er Königspakast in Mnkarest. 
„Dieser Herr hier erhält unverzüglich einen Aus¬ 
landspaß. ©eine Abreise ist in jeder Weise zu unter¬ 
stützen und im nächsten Petersburger Zug ein Abteil 
erster Klasse für ihn zu reservieren!" 
Vierzehn Tage später saß der Deutsche in Berlin 
im Kreise seiner Bekannten und erzählte den Fall. 
„Mensch", ries man erstaunt ans, „woher in aller 
Welt hattest du die Beweise?" 
Der Gefragte lächelte. 
„Beweise? Hatte ich keine. Was ich hatte, war nur 
eine Gewißheit. Die Gewißheit, daß der Gouverneur 
wie alle russischen Gouverneure gestohlen hatte. Auf 
diese Gewißheit baute ich meinen Plan." 
„Und die Depesche?" 
„Rührte von einem mir befreun¬ 
deten Grusinier her, mit dem ich die 
ganze Geschichte, ehe ich meine un¬ 
freiwillige Reise nach Sibirien an¬ 
treten mußte, abgekartet hatte." 
„Und wenn es schief gegangen 
wäre?" 
Der andere schüttelte lächelnd den 
Kops. 
„Das wäre nur möglich gewesen, 
wenn der Gouverneur ein reines Ge¬ 
wissen gehabt hätte. Dieser Fall aber 
war unvenkbar. Deshalb riskierte ich 
nichts." 
Oie Senussi - ftrmee» 
Die Senussi, denen der jüngste 
Vorstoß gegen Tripolis und in aller¬ 
letzter Zeit ein Angriff gegen Aegypten 
so glänzend gelang, waren, wie aus¬ 
drücklich in den Berichten hervorgehoben 
wurde, gut organisiert. Diese kriegerische 
Organisation des Ordens ist erst eine 
Errungenschaft der letzten Jahre, in 
letzter Linie veranlaßt durch den Tri¬ 
poliskrieg Italiens. Ursprünglich find 
die Senussi bekanntlich eine religiöse 
Brüderschaft, deren Sendboten vom marokkanischen 
Maghreb bis zn den Inseln Hinterindiens eine außer¬ 
ordentlich erfolgreiche Propaganda entfalteten. Daß ihre 
Feindschaft gegen die christlichen Völker bei Oesterreichern 
und Deutschen eine Art Ausnahme macht, erfuhr Ger¬ 
hard Rohlfs schon 1876 auf seiner verunglückten Ge¬ 
sandtschaftsreise nach Wadai. Als die Karawane vor 
den heute noch geheimnisvollen Oasen von Kusra über¬ 
fallen und ausgeplündert war, 
wurde sofort auf Befehl des Se- 
nnssi-Scheichs alles noch Erreich¬ 
bare zurückerstattet, als bekannt 
war, daß es sich um eine preußische 
Expedition handle. 
Hinter diesem Wohlwollen steckt 
ein Stück Münzgeschichte. Im nord- 
afrikanischen Orient ist nämlich seit 
mehr als hundert Jahren der so¬ 
genannte Maria-Theresien-Taler 
die beliebteste Münze, die heute 
noch, lediglich zum Export nach 
Libyen, Tripolis usw. in Oester¬ 
reich geprägt wird; die Vorliebe 
für das Geldstück hat sich auf das 
Volk der Herrscherin übertragen, 
deren Bild es ziert. Dazu kommt, 
daß die preußischen Siege von 1870/71 über die wegen 
ihrer Gewaltherrschaft in Algier und Tunis — neben 
Marokko den Hauptstützpunkten des Senussitums — 
verhaßten Franzosen in der ganzen Welt des Islams 
bekannt wurden. Schon die Vorschriften feines Stifters 
Sidi Muhamed es Senussi verpflichteten den Orden, 
jeden Glaubenskämpfer zu unterstützen und überall Land 
zu Niederlassungen zu erwerben. Das letztere wurde sehr 
wichtig, weil der Orden dadurch und durch fromme 
Schenkungen überaus reich wurde und die „Schaujas" 
oder Klöster die Mittelpunkte bildeten, von denen feine 
Macht ausging. 
Die Organisation des Senussi-Ausgebotes geschah 
früher landschaftlich, indem in den betreffenden Bezirken 
Marabut" oder Heiliger den Krieg verkündete, 
ein 
Höerkeutnant Aörster 
des k. k. Landwehr-Infanterie- 
Regimentes Linz Nr. 2, 
gefallen am nördl. Kriegsschauplatz. 
worauf die einzelnen Geschlechter oder Clans sich mit ihren 
Gebirgsstraße im vusgarifch-seröischen Grenzgebiete. 
heimliche Sodaten. 
Von Elsbeth Düker. (Nnchdr. Verb.) 
In ihrem gemütlichen Wohnzimmer am kleinen 
Domhofe, dessen Häuser sich zu einer geschlossenen Reihe 
um das alte Gotteshaus scharen, als wollten sie der 
neuen Zeit wehren, 
zu nahe heranzu¬ 
treten, saß die ver¬ 
witwete Frau Mül¬ 
ler am Schreib¬ 
tische. Da trat 
Mariechen, das in 
ihren Diensten be¬ 
reits ergrauende 
Dienstmädchen, ins 
Zimmer und sagte 
bedauernd: 
„Es ist wieder 
kein katholischer 
Soldat." Sie meinte 
die Einquartierung, 
die schon zum dritten 
Male im Hanse 
wechselte. 
„Wie schade!" 
sagte die Witwe 
und schrieb weiter 
an ihrem Briefe, 
indessen Mariechen 
für den Soldaten in der Küche einen Tops voll Tee 
kochte und später, wie allemal, mit dem Manne dort 
das Abendbrot einnahm 
Das alte Mariechen sorgte immer gut für ihre 
Feldgrauen, fragte nach ihren Wünschen und gab ihnen 
abends auch manches zu lesen, was gute Gedanken an¬ 
regen konnte, — sogar einen schön gebundenen Ave 
Maria-Jahrgang. Dann ließ sie keinen bekannten Soldaten 
fortziehen, dem sie nicht ein schlichtes Stopfkissen in den 
Tornister gegeben hatte. Das ist ein kleiner Kopskissen- 
Bezug von buntem Waschstoff, der an einer Seite nur 
eine % Meter weite öefftttmg hat, die mit zwei Bändern 
geschlossen werden kann. 
In dieses leere Kiffen-Inlett stopft 
der Soldat an Ort und Stelle Laub, 
Gras oder Heu, das ihm im Schützen¬ 
graben zum dürftigen Lager hoch¬ 
willkommen und, vor dem Abmarsch 
entleert, leicht im Tornister zu tragen 
ist. Mariechens Mütterlichkeit, die sich 
bei den neuen Pflichten und Aufgaben, 
die ihr eintöniges Leben reicher und 
froher werden ließen, schnell entwickelte, 
wurde sogar erfinderisch. Hatte sie doch 
dem zuletzt nach Rußland abziehenden 
Soldaten eine Unterjacke genäht, die 
inwendig ganz mit alten, lmntfeidenen 
Flecken benäht war, die von Frau 
Müllers alten seidenen Blusen stamm¬ 
ten. Da das seidene Unterzeug, das 
der beste Schutz gegen Läuse sein soll, 
zu teuer war, schenkte Mariechen dem 
Soldaten diese Jacke, die er überrascht 
und erfreut annahm. 
So zeigten sich in vielen Stücken 
Mariechen sowohl wie ihre Herrin, die 
auch ihren Geldbeutel oft in Anspruch 
nehmen mußte, besonders bei Versor¬ 
gung ihrer abziehenden Quartier¬ 
gäste als ein biederes Paar jener
	        
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