Volltext: Illustrierte Kriegsbeilage Nr. 44 1915 (Nr. 44 1915)

Auf den Höhen von Spinges. 
Wahre Begebenheit aus den Tiroler Befreiungskriegen, erzählt 
von Ra pH. Mai r. (Nachdr. Verb.) 
„Tiroler, auf! Der Feind ist nah!" 
„Wir sind schon auf, sind alle da! 
Wir sind gerüstet allesamt!" 
„Zieht aus! zieht aus fürs Vaterland!" 
(Altes Tiroler Schützenlied.) 
I. 
Es war der Abend des 2. April 1797. Die Sonne, 
das holde Gestirn des Tages, hatte sich den ganzen 
Tag über in weiße Schneewolken gehüllt; denn sie wollte 
Die kräftigen Bergsöhne kämpften mit Löwenmut und 
wahrer Todesverachtung und auch das zarte Geschlecht 
pflückte sich seine Lorbeeren, indem Frauen und Mädchen 
den ermatteten Schützen Labung und Stärkung über¬ 
brachten und die Heldenjungfrau Katharina Lanz in 
der höchsten Gefahr selbst eine Heugabel ergriff und 
auf der Friedhofsmauer mit dieser Mordwaffe dem 
Vaterlande ihre Dienste leistete. 
Jetzt erklangen nur noch in der Ferne einzelne 
Jauchzer der siegreichen Landstnrmer, welche den Feind 
noch bis in die Ebene gegen; Mühlbach hinunter ver¬ 
folgten, welches Wagestück ein paar wackere Kämpen 
mit kurzen Kniehosen, ledernem Hosenträger und der 
breiten ledernen Leibbinde um die Mitte, den Stutzen 
über die Schulter geworfen; auf dem Kopse faß der 
schmucke Sarnerhut mit einer Spielhahnfeder daraus. 
„Donnerwetter", brummte Prosuuser vor sich hin 
und wischte sich mit der breiten Hand den Schweiß von 
der Stirne; „das war heute ein hitziger Tag! Keine 
einzige Kugel hab' ich mehr in der Tasche, meine letzte 
hab' ich in dem Graben da drunten verschossen; so ein 
französischer Gelbschnabel hatte grad mich aufs Korn 
genommen und feine Kugel flog nur fausthoch über 
meinen Kops hinaus. Na, na, denk' i mir, diesen Gruß 
nicht zusehen, wie das kaisertreue Bergvolk Tirols auf 
den Höhen von Spinges im mörderischen Kampfe mit 
dem Feinde um seine Freiheit rang. 
Schweigend sank der Abend nieder und ein scharfer 
Nordwind trieb schon einzelne Schneeflocken daher, ein 
Anzeichen, daß der Himmel sich anschickte, über die 
auf dem Felde der Ehre gefallenen Krieger barmherzig 
ein weißes Leichentuch zu breiten. 
Da lagen sie friedlich nebeneinander — Freund 
und Feind, Franzosen und Landstürmer! 
„Jetzt schweigen die Herzen —- 
regungslos, kalt; 
Ob sie erst jauchzten, ob brachen in 
Schmerzen — jetzt ist's ver¬ 
hallt!" 
Heilige Todesstille herrscht jetzt 
aus dem Kampfplatz, denn — der 
Tod ist der beste Friedensstifter! 
Am zahlreichsten liegen die Lei¬ 
chen unterhalb der Kirchhofsmauer 
von Spinges; dort wogte der Kampf 
am blutigsten, da eine tapfere Schar 
Landstürmer dreimal eine sechsfach 
überlegene Feindesmacht zurückwarf. 
Hesterreichisches Schlachtschiff „Erzherzog Karl". 
mit dem Tode bezahlen mußten; rauchende Trümmer 
bezeichneten den Weg, den die Franzosen bei ihrem 
Rückzüge nahmen, da sie in ihrer Wut einzelne Gehöfte 
in Brand steckten. 
Schon war die Dämmerung weit vorgerückt und der 
Schneefall und das Schneewehen wurde heftiger; da 
kam ein einsamer Wanderer in schnellem Laufschritte die 
Landstraße von Mühlbach gegen Spinges herauf. Es 
war der Laudftürmer Johann Profuufer, Sohn des 
Kieserbauern in Sarntal, eine hohe, stämmige Gestalt 
Bilder aus Dalmatien: Wocche bi Kattaro. 
kann ich dir wohl erwidern. Flugs leg' ich meinen 
Stutzen an — pumps! — die Kugel aus dem Tiroler 
Stutzen traf ihr Ziel bester als das französische Blei! 
Der Rotkropf legte sich auf den weichen Rasen nieder 
und hat jedenfalls das Aufstehen vergessen! Hab's in 
meinem Eifer gar nicht bemerkt, daß meine Landsleute 
jenseits des Grabens schon umgekehrt sind unb ich nur 
mehr allein die Teufelsbande da hinuntertreibe; hätten 
meine Feinde dies geahnt und gewußt, daß ich jetzt 
noch dazu ohne Pulver und Blei bin, so hätten sie 
wohl etwa Kehrt gemacht und mir 
durch einen feurigen Gruß das 
Lebenslicht ausgeblasen; aber — 
ich jauchzte und schrie, als ob min¬ 
destens eine halbe Kompagnie Land- 
stürmer hinter ihnen wäre; na, wie 
die Hasenfüße Schritt nahmen, daß 
sie fast überpurzelteu!" 
Profuufer lachte hell auf, daun 
aber zog er feine kurze Lodenjoppe 
fester zusammen zum Schutze seines 
schweißtriefenden Körpers gegen den 
schneidig kalten Aprilwind; er spähte 
nach rechts und links und konnte 
nur mehr mit Mühe die Fußspuren 


Mr. 44. 
Sonntag, 5. Aezernver
	        
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