Volltext: Illustrierte Kriegsbeilage Nr. 36 1915 (Nr. 36 1915)

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M. 36. 
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1915. 
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Von der Ciroler Grenze. 
Am Stilfser Joch. 
(Mit 3 Bildern.) Standort, anfangs August. 
Einem Hochtouristen, der in beneidenswerter Unkennt¬ 
nis des Weltkrieges seine Sommertour zu der berühmten 
Ortlergrnppe an der Westgrenze Tirols unternehmen 
und dabei auch der an 
den Eisenbahnstationen 
streng gehandhabten Pa߬ 
polizei entgehen würde, 
könnte es leicht zustoßen, 
daß er, nachdem er die 
höchsten Gipfel dieses Ge- 
birgsmassives erklettert, 
zwar zu Hause dann 
vieles von den gesehenen 
Naturschönheiten, aber 
nichts vom Kriege zu er¬ 
zählen wüßte. So tief im 
Frieden liegt das ganze 
„kriegsbedrohte" Land 
Tirol. Die Erscheinungen 
des Krieges in diesem 
Lande sind für einen 
Reisenden eigentlich sehr 
angenehm. So fehlt z. B. 
auf der Maria Theresia- 
Straße in Innsbruck und 
auf dem Waltherplatz in 
Bozen die übliche 
und 
in den 
man jetzt „die Lage", 
in den friedensfahrplan¬ 
mäßig verkehrenden Zügen 
ist die Gesellschaft höf¬ 
licher Offiziere weit 
genehmer als die jener 
Touristen, die eben von 
den höchsten Gipfeln her¬ 
untergestiegen sind, wo es 
bekanntlich an jedweder 
Wasch- und Badegelegen¬ 
heit mangelt. An Nah¬ 
rungsmitteln herrscht im 
ganzen Lande kaum 
Mangel und wenn der 
Innsbrucker Magistrat 
durch besondere Anord¬ 
nung den Konsum des 
Schlagobers beschränkt 
hatte, so geschah es sicher¬ 
lich mehr aus Vorsicht, 
als aus Not. Ernster schon 
sieht die Sache in Meran 
aus: Die Kurgäste sind 
weg und die schwarze 
Tafel am Musikpavillon 
der Elisabeth-Promenade, 
welche sonst nur Vergnü¬ 
gungsveranstaltungen an¬ 
zuzeigen pflegte, trägt 
eilten einzigen Zettel: den 
täglichen Kriegsbericht. 
Die Autofahrt durch das 
prachtvolle Vintschgau- 
tal, wo jedes Schloß ein 
Kunstwerk und jedes 
Stück Boden ein Paradies 
ist, sollte eigentlich jeder 
nehmen; denn erst dann 
tretuugsforderungen der 
wahren Lichte ihrer frechen Maßlosigkeit erscheinen. 
Wenn man die Fahrt von Spondinig, wo die 
Stilfferjochstraße gegen Süden abbiegt, noch einige Kilo¬ 
meter gegen Westen fortsetzt, gelangt man an bie Schwei¬ 
zer Grenze. Die mit bunten Fähnchen markierte Linie 
bezeichnet das Gebiet, für welches das kategorische „Rühr¬ 
michnichtan" der so rechtschaffen neutralen Schweizer 
Regierung gilt. Es ist das breite Tauferstal, welches 
in der Geschichte auch schon weniger friedliche Zeiten 
erlebt hat. Schon im 14. Jahrhundert wurde es zum 
ständigen Schauplatze der Kämpfe, welche die aufständischen 
Schweizer mit den Habsburgischen Truppen immer wieder 
ausfochten. Am Ende des 18. Jahrhunderts wurden da 
zwei Brigaden unter Laudon durch einen plötzlichen 
Vom österreichisch-italienischen Kriegsschauplatz: Frafoi in girof, im Hintergründe das Kotes Frafoi 
unserer Zeitgenossen unter¬ 
werden ihm die Gebietsab- 
italieuischeu Regierung im 
Ueberfall geschlagen. Heutzutage hat die Schweiz da 
Truppen zusammengezogen, fest entschlossen, ihre Neu¬ 
tralität zu wahren. Noch bemerkenswerter haben sich die 
Dinge an der Dreisprachenspitze gestaltet, jenem be¬ 
kannten Punkt an der Stilfferjochstraße, wo das deutsche, 
italienische und Mimische Sprachgebiet, sowie die Grenzen 
von drei Staaten zusammentreffen, von Oesterreich, Ita¬ 
lien und der Schweiz. In einer Höhe von beinahe 
3000 Meter steht da auf schweizerischem Gebiet ein statt¬ 
licher Gcisthof, von dessen Fenstern nunmehr das Schweizer 
Militär eines der köstlichsten Schauspiele genießen kaun. 
Da sich nämlich an dieser Stelle das Schweizer Gebiet 
wie ein Keil zwischen die beiden feindlichen hineinschiebt 
und nach den Grundsätzen des Völkerrechts auch der 
Luftraum oberhalb dieses Gebietes als neutral zu be¬ 
trachten ist, d. i. von den Geschossen der Streitenden 
nicht durchquert werden darf, kommt da den Schweizer 
Offizieren eine ebenso 
unterhaltende als nerven- 
anspannende Aufgabe zu, 
gut aufzupassen, ob die 
beiden Kriegführenden 
wirklich nur an ihrem 
Gasthof vorbei und nicht 
oberhalb desselben oder 
sogar hineinschießen, was 
den Inwohnern wohl am 
wenigsten wünschenswert 
erschiene. 
Wenn man, genau 
nach dem Baedeker, von 
Spondinig die Straße 
im Gebirge einschlägt, sind 
die Trümmer der von uns 
gesprengten Häuser in 
Gomagoi die erste Spur 
Krieges. Unmittelbar 
hinter der Front kann 
man in einem komfortablen 
Hotel übernachten, wobei 
jedoch gleich beim 
Frühstück Kanonenmusik 
zu hören bekommt. Ueber- 
Haupt verdienen die 
Quartiere in Tirol die 
wärmste Anerkennung. 
Die Kultur des Landes, 
eit regen Fremden¬ 
gefördert, hat in 
jeder, auch noch so hoch 
gelegenen Ortschaft die 
angenehmsten Unterkünfte 
erbaut, die jetzt den ver¬ 
schiedenen Kommandos 
sehr willkommen sind und 
ihnen das schwere Dasein 
im Hochgebirge erleichtern. 
Von Trafoi an beginnt 
der merkwürdigste Teil 
der Stilfferjochstraße durch 
die Kühnheit der Anlagen 
in Schlaugenwindungen, 
wie auch durch die herr¬ 
liche Aussicht auf den 
ganzen Ortlerblock, den 
höchsten Gipfel der Ost- 
alpen (3900 Meter). Die 
Straße selber erreicht die 
von 2780 Meter, 
mit die höchste fahr- 
Straße von ganz 
Europa. Sie ist nur 
wenige Wochen im Som¬ 
mer ganz schneefrei. Ihre 
ungeheure strategische Be¬ 
deutung leuchtet beim 
ersten Blick auf die Karte 
ein. Ein etwaiger Durch¬ 
bruch, der nach dem 
jetzigen Zustande der Be¬ 
festigungen so gut wie ausgeschlossen erscheint, würde 
da den Weg frei machen in das ganze Quellengebiet 
der Etsch, somit auch in das breite Viutschgautal, auf 
Meran, Bozen usw. Um so erfreulicher ist es, daß wir 
gerade an dieser Stelle gleich nach der Kriegserklärung 
einen so bedeutsamen Erfolg erzielt haben, daß wir 
die Kampflinie auf italienischen Boden verlegen konnten. 
Es war die Eroberung des Monte Seorluzzo, wo¬ 
mit den Italienern ein gewichtiger Beobachtungspuukt in 
einer Höhe von 3000 Metern entrissen wurde. Wohl
	        
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