Volltext: Illustrierte Kriegsbeilage Nr. 32 1915 (Nr. 32 1915)

12. September 
6ebHinls8illt 
Soli». 
Nach einer wahren Be¬ 
gebenheit erzählt. 
Von M. v. Bonl. 
(Schluß.) (Nachdr. Verb.) 
„Bitte Herr Leut¬ 
nant!" Der Telephonist 
stand noch immer in 
Positur. 
„Nichts! Es braucht 
nichts! Es ist alles in 
Ordnung!" Und Bran¬ 
denberg griff in die 
Tasche, um sein Zi¬ 
garettenetui hervorzu¬ 
ziehen. 
Der Patrouillen¬ 
führer aber legte das 
Telephon beiseite. — 
In diesem Augen¬ 
blick geschah etwas 
Seltsames. Gerade vor 
dem Schützengraben 
tauchte die Gestalt eines 
Reitersaus. Ein junger 
Ulane war's in tadel¬ 
loser Ausrüstung. Das 
rotgoldene Licht der 
Abendsonne strömte 
über seine blonden 
Haare und über die 
wallende Mähne seines 
Pferdes. Keinen nahen¬ 
den Hufschlag hatte 
moorigen Boden. Es 
Erde gewachsen. 
Wom türkisch - ägyptischen Kriegsschauplatz: An einer Hase. 
man 
war, 
gehört 
als sei 
auf dem 
der Reiter 
weichen, 
aus der 
Brandenberg wollte ihn anreden, wollte fragen, wo¬ 
her er komme und was er suche. Da hob der Reiter die 
Rechte empor mit einer eigentümlichen Bewegung, die 
Bitte und Befehl zugleich war. Und ganz fülle war's 
jetzt im Graben. Und mitten in diese Stille hinein 
klingt jetzt des Reiters Stimme in kurzem, klarem 
Bilder aus Südtirol: Das Denkmal des Mädchens 
von Spinges in Muchenstein. 
Kommandoton: „Alle Mann zurück!" Endlich die ersehnte 
Botschaft! Brandenberg läßt sich's nicht zweimal sagen. 
Im Nu ist er aus der Deckung gesprungen und stürmt 
dem Hügel zu, hinter dem er sein Bataillon weiß. 
Seine Leute ihm nach. 
Nun ist er droben. Da schaudert ihn! Nein, seine 
dunkle Ahnung hat ihn nicht betrogen. Vom Bataillon 
keine Spur mehr! Weit und breit kein hechtblauer Rock. 
Ein Blick nach der anderen Seite. Regt sich nicht 
twas dort in der Ferne? Schnell den Feldstecher 
in die Augen! Gerechter Himmel! Kosaken sind's! 
vielleicht drei Sotnien! In gestrecktem Trabe 
ommen sie heran. Kaum zwei Kilometer sind sie 
toch entfernt. 
„Herr Leutnant, da hat schon wieder ein Schuft 
>as Telephon durchschnitten!" meldet der Pa- 
rouilleusührer Leiter, der ein paar Schritte den 
Düget hinabgelaufen ist. 
Der Leutnant hört's. Er weiß, sie sind von 
Verrat umlauert. Aber noch ist's Zeit! „Bor- 
oärts, Leute, es gilt euer Leben!" 
Sie stürzen über den Hügel; sie laufen. Ueber 
;rasige Bodenwellen und sumpfige Senkungen! 
Der Hügel, der ihnen vorhin ihr Bataillon ver- 
lorgen hat, ist zwischen ihnen und dem Feinde; 
ler schützt und deckt ihre rasche Flucht. Endlich 
airnmt ein Eichenwald die Fliehenden aus. Keuchend, 
chweißtriesend werfen sie sich nieder auf den 
buchten, mit falbem Laub bedeckten Boden. Aber 
Der Leutnant gönnt ihnen keine Ruhe. Man weiß 
nicht, ob die feindlichen Reiter sie nicht doch er¬ 
späht haben, ihnen nicht doch auf den Fersen 
sind. „Schnell eine Deckung ausgehoben, eine be¬ 
festigte Stellung gesichert! Daira dürft ihr rasten, 
Kinder!" 
Inzwischen ist's Nacht geworden. Durch die 
Waldkronen schimmern blasse Sterne. Ganz still 
ist's ringsum. Nur, daß diese Stille nichts Un¬ 
heimliches hat! Nein, dieses tiefe Schweigen be¬ 
weist, daß der Feind den wackeren Jägern nicht 
auf der Spur ist, daß er wohl gar nicht ahnt, 
welche Beute ihm entkommen ist. 
Die Soldaten kauern in ihrer Deckung. In 
halblautem Tone reden sie miteinander. Sie reden 
von dem, was sie eben erlebt haben. Wie schlimm 
es ihnen hätte ergehen 
können, wie glücklich 
sie entkommen sind! 
Auch vom Ulanen 
reden sie, der den Be¬ 
fehl gebracht hat: „Alle 
Mann zurück!" Sie 
alle haben ihn gesehen 
und gehört, und sie 
wissen, daß sie seiner 
Botschaft ihre Rettung 
danken. Sonderbar, 
daß es gerade ein 
Ulane gewesen war. 
Einige von den älteren 
Leuten, die sonst nicht 
viel von daheim weg¬ 
gekommen waren,haben 
diese Waffe nie gesehen. 
Ein Glück, daß der 
wackere Reiter von un¬ 
gefähr vorbeigesprengt 
ist und das zerstörte 
Feldtelephon bemerkt 
hat und die verlassene 
Mannschaft im Schüt¬ 
zengraben. 
Hin und her reden 
die Leute vom Ulanen. 
Endlich zündet sich der 
blondbärtige Passeirer 
sein kurzes Pfeifchen 
an und sagt in gemüt¬ 
lichem Tone, als handle 
es sich um die ein- 
Ach was, den wird uns 
fachste Sache von der Welt: 
halt der Schutzengel geschickt haben!" 
In einer Ecke des Schützengrabens lehnt Leutnant 
Brandenberg. Er hört, was seine Leute sagen. Er wider¬ 
spricht nicht; er lächelt auch nicht. Er schweigt. In der 
ersten Erregung, nach erhaltenem Befehle, hat er nur 
daran gedacht, feine Jäger in Sicherheit zu bringen; 
Das Andre Kofer-Denkmal am Werge Isel. 
Wr. 32. 
Sonntag, 
MW«
	        
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