Volltext: Illustrierte Kriegsbeilage Nr. 24 1915 (Nr. 24 1915)

Sonntag, 18. Kuli 
'Creue. 
H B. (Nachdr. Verb.) 
Seltsam — wie in diesem gewaltigen 
Völkerschicksal uralte Worte zu neuem 
Leben erwachen! Sie steigen wie die Schatten 
längst begrabener Riesen aus ihren Grüften, 
in die sie die menschliche Gedankenlosigkeit 
gelegt hat und wandeln unter uns in neu 
erstandener jugendlicher Krast. Und wir 
stehen voller Ehrfurcht vor ihnen und 
neigen unsere Herzen vor ihrer Größe. . ; 
Dann fassen wir ihre Hand und gehen 
mit ihnen den Kreuzesweg, den wir nach 
Gottes Willen gehen müssen. Es ist, als 
ob sich dann eine eherne Schulter neben 
der unseren unter das Kreuz lege und wir 
gehen, von einer geheimnisvollen Lebens¬ 
frische durchflossen, den mühseligen Berg¬ 
stieg durch das Dornengehege zum Gipfel: 
zu der ersehnten Freiheit! 
So ist das Wort von der deutschen ; 
Treue wieder zu neuem Leben erwacht, in 
diesen Tagen, als ein Volk, das lange von 
unserem Marke gezehrt hat, uns die Treue 
brach. Uns war, als verstünden wir jetzt 
erst die alten Lieder, die der deutsche Spiel¬ 
mann sang unter der Linde: von Genelun, 
dem Falschen, der den Recken Roland verriet, 
und von Sibich, dem Ungetreuen, der dem 
strahlenden Helden Dietrich in den Rücken 
fiel. So hat noch nie die alte, wehmütige 
Melodie von der Untreue, die alles Lachende 
und Schöne neiderfüllt zum Falle und zum , 
Auslöschen bringt, unser Herz bewegt, als 
in dieser bösen Zeit. Es war mir, als 
hörte ich die Stimme des ganzen Volkes 
klagen, da mir ein schlichtes Weib aus 
dem Arbeiterstand begegnete und mich 
fragte: „Kann das wirklich sein, daß die ———- 
Italiener jetzt gegen uns die Waffen er- _ - 
heben, nachdem sie in Jahrzehnten an ® - 
unserer Seite gestanden sind? " Und als ^ bn ^ 
ich nickte: „Ja, liebe Frau, da hilft alles bem öfterrei 
nichts! Mit dieser Wahrheit müssen wir Seekadett vc 
uns abfinden", da stiegen ihr die Tränen 
in die Augen: „Ach, das Herz tut einem 
so weh, als müßt's zerspringen!" Es war nicht die 
Sorge um Mann und Kind oder um Haus und Habe, 
sondern der unsäglich bittere Schmerz, den jeder Redliche 
empfindet, wenn die menschliche Treulosigkeit seinen 
Glauben an menschliche Redlichkeit auslöschen will. Es 
war etwas von dem urecht deutschen Gedanken, den ein 
Lied der deutschen Studenten ausspricht: „Fürwahr, es 
muß die Welt vergehen, — vergeht das feste Männer¬ 
wort!" Die Welt geht aus ihren Grundfesten, wenn das 
gegebene Wort nicht mehr heilig ist — und dies schlichte 
Weiblein trug Leid, schwer, trüb und herb, um das Zer- 
Morn österreichisch-italienischen Kriegsschauplatz: Kirche 
und Iriedyof von S. Wanro Bei Görz. 
Im Friedhofe die Gräber der Gefallenen der österreichischen 6. Feld¬ 
kompagnie, LIR. 37. 
Wom österreiWch-itatienischen Kriegsschauplatz: Grab der 
gefallenen österreichischen Mstziere in S. Mauro Lei Hör;. 
Hauptmann Frimel, Leutnant Bercar und Fähnrich Dubsky und Massen¬ 
grab der gefallenen Mannschaft, alle der 6. Feldkompagnie, LIR. 37.
	        
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