Volltext: Illustrierte Kriegsbeilage Nr. 22 1915 (Nr. 22 1915)

Sonntag, 4. Juli 
Ws der Brand entfachtet 
Von Hermine Proschko. (Nachdr.verb.) 
In Tirol. Im Heumonat 1914! Die Blumen glichen 
kleinen Königen; alle hatten sie Taukrönlein auf den 
Köpfchen; im Sonnenlicht schienen die Kelche wie aus 
Diamanten zusammengefügt. Goldige Zitronen¬ 
falter und Heckenweißlinge umflatterten, im Luft¬ 
zuge sich anmutig wiegend, Halme und Gräser. 
„Singende" Bienen sogen von Löwenzahn und 
Geißblatt Honigseim. Amseln taten's den Nachti¬ 
gallen gleich im klangvollen Triller; wie Lockrufe 
tönte es von den buschigen Wipfeln herab, Rot¬ 
kelchen, die lieben, kleinen, antworteten auf den 
grünen Sträuchern. Häßliche Krähe, weshalb 
störst du das Meister-Duo mit deinem Klagegetön? 
Ein Trauermantel flatterte just zur Ringelblum' 
— Gilgenkraut pflegt sie der Volksmund auch zu 
benennen, die Ringel- oder Totenblum' —, die 
das Landvolk zu Kränzen flicht für die, welche 
die Brücke zur Ewigkeit bereits überschritten haben, 
ein gefahrvoller Steig, unten gähnender Abgrund 
und weit, weit oben ein wunderherrlicher Strahl, 
und nur Gott vermag uns zu helfen, uns aufzu¬ 
schwingen zu diesem Lichte, wie wir noch keines 
vorher geschaut. .. 
Die Glocken begannen zu singen ... Ein 
Preislied dem Schöpfer! Weshalb ward mir plötz¬ 
lich so weh ums Herz? Warum diese Bangigkeit? 
Das Duo auf Wipfel und Strauch verstummte. 
Wo waren die kleinen Sänger nun? Wo die 
zarten Falter? 
Nur die Krähe kreischte weiter und der Trauer¬ 
mantel flatterte in seinem dunklen Kleide zwischen 
den hellen Blumen der Wiese. 
„Grüsch Gott!" Ein Tiroler Bursch rief mir's 
herzhaft entgegen. 
Und ich zurück dasselbe. Dem Sepp, dem Sohn 
unseres Hauswirtes, galt der Gegengruß. „Was 
gibt's?" 
„Einrücken!" 
Für wen galt es einzurücken? Meinte der 
Bursch damit etwa seinen Herrn Göden, den alten, 
kranken Andres, zu dessen Einrücken die Eulen 
schon das Präludium unheimlich leise und doch 
dem feinen Ohre hörbar, anzustimmen begannen? 
Nicht so war's gemeint; ein anderes Einrücken. 
Der Sepp sollte einrücken mit Kugelstutzen und Tor 
„Weil ich's unserem kaiserlichen Herrn schuldig bin, 
das Reich wider den Feind zu schützen." 
„Feind?" Nicht gut hatte ich's vernommen. 
„Krieg ist." 
„Wo? Bei den Chinesen?" 
hohen Felsengraten des Kaisergebirges mit schwerem 
Flügelschlag herüberflog. 
Dem Adler galt's. Jetzt verstand ich's. 
In einer Stunde durchflog es das ganze Berg- 
stäötlein, daß die Feinde eindringen wollen ins Heimat¬ 
reich, daß es gelte, sie mut- und kraftvoll abzuwehren, 
— und dann ein leises Schluchzen da und dort. 
So auch bei der Miniftrmitin. 
Die „Ministrantin", die Jella (eigentlich Ga¬ 
briele), damit ist die Witfrau eines ehemaligen 
Mesners aus der Umgegend gemeint, die einen 
Sohn hatte, der auch einrücken mußte; die schluchzte: 
„Mein einziges Kind!" 
Und dann in der Waldkapelle, dort kniete die 
Burgei; die hat einen Bräutigam, den Schmied« 
I gesellen aus dem Nachbarnestlein, einem Wald- 
dörfel im Felsenkranz, einen Wackeren, der des 
Waisenkindes „Ein und Alles", seine ganze Lebens¬ 
hoffnung war. „Will's hoffen", hatte sie mir 
eines Tages frohgemut zugerufen, als ich sie 
lächelnd fragte, ob sie bald die Seine werden 
wird. Und nun galt's einzurücken! 
O du mein Gott! 
Und die Dritte: die kleine Traudel von der 
schueeumkränzten Schutzhütte oben, deren Vater 
Bergführer war, ein noch jugendkräftiger Aelpler, 
für den es auch galt, einzurücken! 
Sohn, Bräutigam, Vater! 
Und ich wußte nicht, wie es kam, daß ich 
plötzlich bei der Kirchhofmauer stand. Die eiserne 
Tür knarrte — der Wind tat es — sie öffnete 
sich, als ob eine unsichtbare Hand sie aufgetan 
hätte. „Herrgott!" flehte ich und ich trat ein in 
das Totenkirchlein „zu Unserer Lieben Frau" und 
trat hin zur Gottesmutter: 
Jungfrau du im Sternenfchein, 
Breite deine Arme aus 
Und beschütz' mein kleines Haus, 
Alle, die ich nenne mein, 
Jungfrau du im Sternenfchein. 
So fingen sie's dort. 
Es läßt sich so traut beten in der „Frauen¬ 
kirch'" im Kranz der Grabhügel, wenn die Orgel 
^ der Pfarrkirche nebenan sanft herübertönt und 
Der Sepp zuckte die Achseln, als wollt' er sagen: der milde Sonnenstrahl das Bild umfchimmert, mit 
's könnt' just auch dort was los fein, aber es rang sich dem der Altar hier so wunderbar geschmückt ist. Ein 
schwer ans seiner Brust heraus: „Bei uns!" Sein Blick Bild ist es, welches der Besten einer geschaffen hat, die 
streifte ein Adlerpaar, das just von den schier Himmel- je den Pinsel geführt haben, der Lukas Cranach. 
Wischof Emmerich Wjelik, 
päpstl, geheimer Ehrenkämmerer, apostol. Feldvikar rc., erhielt das geistliche 
Berdienstkreuz am weiß-roten Bande. Bischof Bjelik steht im 65. Lebens- 
jähre und hat sich auch literarisch betätigt. 
Moskau: Ansicht des Stadtteiles an der Moskwa; im Kintergrimde der Krems.
	        
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