Volltext: Illustrierte Kriegsbeilage Nr. 21 1915 (Nr. 21 1915)

Sonntag, 27. Juni 
Der Feind, 
Skizze von M. Herbert. 
(Schluß.) 
Das Wort von der 
Feindesliebe und der 
Heilandvergebnng am 
Kreuze hat ein neues 
Tor aufgerissen für 
ihre Gedanken. Das 
alte Weiberl fängt an, 
wieder zu ihrem Selbst 
zurückzukehren, ans der 
Tiefe ihres armen, 
zerfetzten Wesens steigt 
langsam und siegreich 
die eingeborene Mutter¬ 
güte empor. Die Er¬ 
starrte erwacht zum 
Leben. 
Von der stillen, 
nachdenklichen Gerech¬ 
tigkeit ihres Mannes 
fliegt ein Funken in 
ihr verdüstertes Ge¬ 
müt und steckt die Fak- 
kel der Erkenntnis an 
Freilich können 
die armen Gefangenen 
nichts für den grä߬ 
lichen Krieg und die 
Missetat ihrer Lands¬ 
leute, freilich hat sie 
unrecht gehabt, den 
Elenden zu fluchen Won der tirolisch-italienischen Grenze: Kortina d'Arnpezz«, 
und Steine nachzu¬ 
werfen. Wie kann man denn das Verbrechen an Un- ni 
schuldigen rächen! Gott mag's ihr verzeihen. — ö 
Immer tiefer geht sie in sich, bis sie auf den weichen Q 
Grund ihrer Seele gerät, bort, wo verborgen die Wasser p 
des Lebens stehen. ä 
Wieber sittb bie Franzosen am Bahndamm an ber Z 
Arbeit. Wieder leuchten die grellen Farben ihrer Montur ö 
in die fahlen Herbnsarben hinein und erzählen von dem ö 
fernen, furchtbaren Menschenmorden. Der junge Mensch, Q 
den die Burgel mit dem Steine traf, schiebt den Karren g 
mit Steinen mühsam entlang; hart und ungewohnt fe 
kommt ihn die Arbeit an. Seine Stirne ist mit einem pj 
weißen Verband zugebunden, ber schreit einen Vorwurf S 
gegen bie Burgel hinüber. — Ach, wie blaß, rnübe unb Ö 
traurig er aussieht unb ist boch auch einer Mutter Kinb. Q 
Die betet wohl für ihn, die hat schlaflose, bange Q 
Nächte um seinetwillen, hält ihn für gestorben unb be- ^ 
graben. Das srembe Leib wacht auf unb will ben h 
Weg zum Herzen ber Bnrgel finben. Sie wehrt sich qe 
nicht mehr bagegen, 
sie läßt es ein. „Selig 
sinb bie Barmherzigen, 
jmSB® bettn sie werden Barm- 
Herzigkeit erlangen", 
tönt es über ihr. 
jjSHIW- Die Alte hat die 
pMfV' Haue in die Furche 
geworfen, ihr Auge 
folgt den Bewegungen 
des Fremden. Schwach 
IgfeL ist er, alles wird ihm 
||||||^g schwer; er schwankt im 
Gehen, ist vielleicht 
in einem Schloß ba- 
heim unb muß hier 
ASM« karren. Jetzt fällt er 
vor Schwäche in die 
Knie, weil bie Last 
für feinen zarten 
Rücken zu groß ist; 
ba löst sich ein Tropfen 
Blut aus ber Binde 
>lnd fließt über bas 
schneeblasse junge Ge- 
if^lissTi] Hcht. Er wischt's ab 
uitb schiebt ben Karren 
weiter; er ist nicht 
wehleibig — man sieht, 
er will stärker scheinen, 
als er ist. 
Merkwürbig, wie 
genau bie Burgel das 
alles erschaut, sie, bie 
wochenlang nicht hörte 
noch sah, was um sie geschehen. Eine Zeit noch zögert sie 
und kann nicht schlüssig werden; aber plötzlich gibt es 
ihr einen Ruck. Sie greift nach dem Weidenkorb neben 
sich, Brot und Milch ist drin. 
Mit ihren schweren Nagelschuhen, an beiten bie rote 
Lehmerbe in zähen Klumpen hängt, stapft die Alte durch 
die aufgeworfene Ackerscholle zum Bahndamm hinüber. 
Der Posten, der mit dem aufgesteckten Bajonette vor 
bett Gefangenen hin und her schreitet, will sie zurück¬ 
weisen, aber der Lorenz war sein Kamerad und er kennt 
die Weberburgel. „Nur dem Buben ebbes bringen, den 
wo ich gestern mit bem Steine troffen hab’." Es ist ein 
reuiges Flehen in ber alten, zitternben Stimme — unb 
sie bars passieren. 
Nun steht sie vor dem blassen, fremden Jungen der 
feindlichen Raffe. Milch und Brot bietet sie ihm, das 
Beste, das sie hat. 
Denn wir sind Menschen unb Christen. 
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(Flachdruck 
ufrboten.) y 
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Unserm Kaiser! 
(letzt laß es Dir, mein Kaiser, sagen, 
(Jetzt in den schwersten aller Zagen, 
Daß wir find Demi 
Sin mutvoll und ergeben üragen, 
So ist es pflicht statt zagen, klagen — 
So soll es feint 
(Jetzt laß es neu Dir, Vater, künden, 
Daß wir uns treu zusammenfinden 
Seim Schlachtgebraus, 
Denn Lieb’ und üreu’ uns alle binden, 
Wie es die feuchten Slicke künden, 
ftn Rabsburgs Raus! HermineProkhko. 
J)ie Priester aller Nationen im Kriege. 
Von links nach rechts: 1. Ein österreichischer Feldkurat bei der Abnahme der Beichte eines Verwundeten. 2, Ein Priester in einer eroberten 
belgischen Stadt als Sanitätsperson. 3. Ein französischer Feldpriester betet sein Brevier. 4. Ein englischer Priester begleitet einen verwundeten 
belgischen Krieger beim ersten Ausgang. 5. Ein italienischer Abbe, der die Truppen zu Pferde ins Feld begleitet.
	        
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