Volltext: Illustrierte Kriegsbeilage Nr. 11 1915 (Nr. 11 1915)

„Jst's denn gar so gefährlich, ehr 
Pater?" 
„Gewiß! Krakau ist gefallen! Der 
selbst auf der Flucht nach Schlesien; dort will 
er sich bei verläßlichen Freunden verbergen. 
Auf uns aber, auf den Klarenberg, haben es, 
wie man vernimmt, die schwedischen Geier zu 
allererst abgesehen; das Schimmern der heiligen 
Schätze hat ihr Auge berückt." 
„Sie sollen nur kommen!" rief flammenden 
Auges Graf Zamoiski und schlug sein schweres 
Schwert klirrend auf den Boden; „wir werden 
sie gastlich empfangen nach altpolnischer Sitte!" 
„Und mit Blntschrift werden wir ihnen 
unsere Meinnng auf ihre Schädeldecken hin¬ 
schreiben", setzte ergänzend des Grafen mutiges 
Töchterlein bei. 
Wohl prallte da einen Schritt weit zurück 
der starke Held Kordecki, und riß seine Augen 
weit auf, und starrte staunend das erglühende 
Mägdelein an, dem sicherlich niemand solch 
scharfgeschliffene Worte zugetraut hätte. 
„Was? Wie? Hör' ich recht? Eine neue 
Jungfrau von Orleans!" sprach er staunend, 
nicht ohne einen leisen Auslug gemütlichen 
Spottes. 
Der Ton seiner Stimme wurmte die hitzige 
Poleutochter. 
„Herr Prior, bitte, spart Eure Stichel¬ 
reden! — Wahrhaftig, mich gelüstet es nicht 
darnach, es in allem und jedem jener Helden¬ 
jungfrau nachzutun; nur die Lieb' zum Vater 
ist's, die mich an seine Seite bannt, die mich 
aufruft, ihm beizustehen, wenn der Donner der 
Stücke dräuend an sein Ohr schlägt. Und 
auch der heiligen Mutter Gottes will ich dienen 
auf meine Weife, und sie nicht bloß anrufen 
mit Rosenkranz und Händefalten und mit lauten 
Gesängen, sondern will ihr, wenn's draus an¬ 
kommt, auch ein Tröpslein warnten Herzblutes 
aufopfern, vergossen im Kampfe für ihr Heilig¬ 
tum. Also, Herr Prior, spottet nicht weiter; 
es ist mein letztes Wort; und so bitte ich denn 
um Helm und Küraß." 
Und eine halbe Stunde hernach spiegelte die Sonne, 
die unterdessen Herrin der Nebel geworden, ihr Bild, 
hundertfach gebrochen, in einem blankgeputzten Harnisch, 
der sich schützend über eine Mädcheubrust gelegt. 
Staunend richteten sich aller Blicke auf die schmucke 
Maid und manch beifälliges Gemurmel wurde laut. 
Zur selben Zeit aber galoppierte schwer keuchend 
ein gehetztes Roß auf jener schlechten, verwahrlosten 
Straße dahin, die über die kahlen Hügel vom Süden 
her gegen Czenstochau führt. Wohl vom Herzen gerne 
hätte der einsame Reiter fein abgemattetes Rößlein ver¬ 
schnaufen und rasten lassen und ihm Zeit gegönnt, sich 
an den spärlichen Grashalmen am Straßenrande zu er¬ 
laben, aber eine hochwichtige Botschaft, die er dem Prior 
der Jasnagora zu überbringen hatte, trieb ihn zu immer 
neuer Grausamkeit, ob auch die Flanken des gequälten 
Tieres schon von blutigen Wülsten starrten. 
„Lieber eilt Roß zuschanden reiten, als Hunderte 
von Menschenkindern ungewarnt der drohenden Gefahr 
überlassen!" 
So zerrte sich denn, gepeitscht und geschlagen, der 
müde Hengst mit dem letzten Reste seiner Kräfte über 
den steilen Berg empor. Aber niemand schien auf sein 
Nahen zu achten. Vergebens hatte sich schon seit längerer 
Aas berühmte marianische Gnadenöikd von Kzenstochau 
Wusftslh-Wosen. (Zur Erzählung.) 
Zeit der Reiter bemüht, durch fortgesetztes Winken ein 
Zeichen zu geben; aber der Trubel, der soeben dort droben 
herrschte, das arge Gewoge in Hosen und Hallen machte 
all sein Winken erfolglos; schon donnerten die Hufe des 
schweren Rosses auf der Zugbrücke. 
„Die Schweden kommen!" rief da der Fremdling 
mit weithin schallender Stimme. Da packte nun freilich 
jählings Schrecken und Augst die beklommenen Herzen. 
„Die Schweden kommen!" rief der Ritter aufs neue, 
„wo ist der Pater Prior?" 
Solches rufend, sprang er vom Rücken seines treuen 
Pferdes, und ward, während sich Dutzende um ihn 
scharten, in wildem Gedränge dorthin geführt, wo noch 
der Provinzial mit Prior Kordecki stand, um verschiedene 
Befehle zu erteilen. 
„Die Schweden kommen, Herr Prior; zwei Meilen 
von hier stehen ihre Zelte, morgen früh schon können 
sie da fein!" 
Da galt es nun freilich, rasch zu handeln und 
den Kopf nicht zu vertieren. 
Zuerst ergriff Prior Kordecky das Wort: 
_ „Ehrwürdiger Vater", so sprach er zu seinem Pro¬ 
vinzial voll ernsten Nachdruckes, „Euer ist die Sorge 
'Öls??? 
Kin vierökättriges Hlerwimdeten-Kkeeölatt. 
Von links nach rechts: Ungar, $ole, Deutscher, Oesterreicher. 
(Aus dem Spitale der barmh. Schwestern in Linz.) 
um unser verehrtes Gnadenbild! Fliehet damit 
ehe es zu spät wird." — — ' 
Mitten in den Lärm hinein klangen als¬ 
bald laute Glockenklänge von den alten Türmen 
herab. Es galt, die Bewohner der Jasnagora 
zusammenzurufen, auf daß sie Abschied nähmen 
von dem geliebten Bilde der Gucidenmutter 
Bald war die große Kirche gefüllt, und aller 
Bltcke wandten sich noch einmal Schutz und 
Segen erflehend zum hochverehrten, alten Bilde 
„£> Mütterlein, lieb' Miitterlein, komm 
wieder!" so klang es von den Lippen, so tönte 
es in den Herzen. Und so innig, so feurig 
waren diese Gebete, daß nicht wenige das leb¬ 
hafte Empfinden dabei hatten, als müßten sie 
unbedingt erhört werden, und daß es ihnen 
vorkam, als hörten sie während des allerletzten 
Segens, der ihnen mit dem heiligen Bilde 
gegeben wurde, die trostreiche Versicherung 
vom Altare her: „Ja, ich werde wiederkommen." 
Alle Brüstungen und Wälle, alle Erker 
und Mauern, die gegen Westen blickten, waren 
kurz daraus von Hunderten und aber Hunderten 
dicht besetzt. Denn jeder wollte noch dem schei¬ 
denden Bilde nachsehen, ihm einen letzten Gruß 
nachsenden zum herzlichen Abschied. Ganz droben 
aber, auf der Zinne des höchsten Turmes stand 
ein Mägdlein in Eisengewanden, den schwarzen 
Lockenkopf in schwärzere Sturmhaube gehüllt; 
sich über die Mauerkrone lehnend, schwenkte sie 
ein großes, weißes Tuch; sie schwenkte es, als 
der kleine Zug von Reisigen über die Brücke 
hastete, sie schwenkte es, als der Trupp unten 
in der Ebene scharfen Trab anschlug, um möglichst 
bald nach Schlesien zu kommen, sie schwenkte 
es, als nur mehr eine verschwindende Staub¬ 
wolke in weiter Ferne die enteilenden Freunde 
verriet, ja auch dann, als alles schon verzogen 
und verflogen war, blieb sie noch eine geraume 
Zeit auf ihrem luftigen Standorte und grüßte 
. und winkte mit ihrem Tuche. 
Am darauffolgenden Tage, am 18. No¬ 
vember 1655, rückten tatsächlich die Schweden 
gegen Czenstochau vor und begehrten Uebergabe 
der Festung; es waren ihrer aber etwa 10.000 Mann, 
eine gewaltige Masse gegen die geringe Zahl der Ver¬ 
teidiger. 
Vor dem Festungstore des Klarenberges stand ein 
Trompeter; neben ihm ein Rittmeister aus dem Schweden- 
Heere; beide hoch zu Roß; und eine weiße Fahne flatterte 
in den Händen des Sprechers. 
„Im Namen des tapferen Schwedengenerals Bur- 
chard Müller fordere ich die Uebergabe des Klosters und 
der Kirche, die Auslieferung aller Schätze, und gebe dafür 
der ganzen Besatzung freien, ungestörten Abzug. Im 
Weigerungsfälle wird der Berg gestürmt und alles dem 
Boden gleich gemacht." 
„Geh' hin zu deinem tapferen General Burchard 
Müller", so lautete die prompte Antwort, „und vermelde 
ihm ehrenhaften Gruß, und mache ihm zu wissen, daß 
der nächste Parlamentarier, der sich bei uns zeigt, um 
uns zur Uebergabe zu bewegen, an einem zwanzig Meter 
hohen Galgen über dem Stadttor zur öffentlichen Be¬ 
sichtigung aufgehängt wird. Den Klarenberg aber mag 
der General stürmen, wenn ihn danach gelüftet." 
So also begann die denkwürdige Belagerung der 
Jasnagora. Kordecki hielt Heeresschau und zählte die 
Seinen, welch eine ungleich kleinere Schar gegen das 
III. Grsahkompagnie, II. Zug vom Infauterie-Wegiment Ar. 14. 
(Phot. Hebsacker, Leonfelden.)
	        
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