Volltext: Nr. 76 (76. 1920)

Nr. 76 
Jüdische Nachrichten 
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2. Jugendfürsorge, Berufsberatung und -Vermitt¬ 
lung, Förderung der Chaluzbewegung, Unterstützung 
jüdischer Jugendorganisationen, die geistigen und kör¬ 
perlichen Interessen des Judentums1 dienen. 
3'. Abendkurse, Vortragszyklen, Hebräischunter¬ 
richt. Dfö bereits ' bestehenden Hebräischkurse müssen 
als Institution von der Gemeinde übernommen werden. 
Ausgestaltung der Bibliothek und der Lesehalle. 
4. Tatkräftige Förderung und Unterstützung jüdi¬ 
scher Turn- und Sportvereine.- 
5. Besoldungsreform der Beamtenschaft, Dienst¬ 
pragmatik, Sozial- und Krankenversicherung. 
6. Schaffung einer jüdischen Rechtsschutzstelle. 
7. Abschaffung der Beschränkungen des passiven 
Wahlrechtes. 
8. Evidenz und Statistik der Angehörigen der Ge¬ 
meinde, Organisation der Provinzjudenschaft, die durch 
gewählte Vertrauensmänner in einen innigen Kontakt 
gebracht werden soll und Schaffung einer übergeord¬ 
neten Organisation sämtlicher jüdischen Gemeinden, vor¬ 
läufig im Rahmen der österreichischen Republik. 
Wir hoffen uns in diesem Sinne eine ersprießliche 
gemeinsame Arbeit im Interesse unserer Gemeinde und 
im Interesse unseres Volkstums." 
R g Aus dem jüdischen Leben. § § 
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Harding über die Pogrome. Das „Jüdische Tagblatt'* 
in New York hat vor der Präsidentenwahl die beiden 
Kandidaten Harding und Cox telegraphi,sch befragt, 
was sie imj Falle ihrer Wahl für die verfolgten Juden in 
Osteuropa tun wollten. Harding antwortete, daß er die 
Greueltaten gegen die Juden verdamme. Cox hingegen1 
drückt sich allgemein für alle unterdrückten und ver¬ 
folgten Völker aus. Letzterer fügt .hinzu, daß Amerika 
bisher nicht eingreifen konnte, weil es den Friedensver¬ 
trag noch nicht ratifiziert hätte. Das „Jüdische Tag¬ 
blatt" findet beide Antworten ungenügend. 
In Lodz brannte das größte jüdische Theater Euro¬ 
pas ab. 200 Artistenfamilien sind brotlos geworden. 
Grenztragödie. Laut eine Meldung der Warschauer 
„Hozophira" spielen sich jetzt an der ukrainisch-rumä¬ 
nischen Grenze längs des Dnjestr ununterbrochen die 
furchtbarsten Szenen ab. Tausende jüdischer Familien 
sind an den ukranischen Häfen des Dnjestr angesam¬ 
melt und bemüht, Ausreisemöglichkeiten nach Palästina 
zu erlangen. Viele dieser unglücklichen Wanderer wer¬ 
den von den auf der rumänischen Seite postierten Grenzr 
Soldaten einfach niedergeschossen oder in den Fluß ge¬ 
worfen. Die rumänische Regierung verweigert diesen 
Palästina-Wanderern das Betreten rumänischen Ge¬ 
bietes. 
Herbert Samuels Mutter ist in London im Alter von 
84 Jahren gestorben. 
Sozialisten erschießen und Juden henken! So lautet 
das Programm der ^berühmten" Orgesch. Ein Mitglied 
dieser monarchistischen Heimwehr hat eini Dokument 
verloren und dieses ist in den letzten Tagen veröffent¬ 
licht worden. In diesem Dokument gibt die 26. Alarm¬ 
kompagnie der Orgesch Verhaltungsmaßregeln für den 
Fall eines Kampfes. Es heißt da unter anderem: „Bei 
Links-Putschen: Werden die Mannschaften von sozia¬ 
listisch angehauchtem Pöbel beleidigt, sei es auch nur 
durch Worte, so sind diese roten Elemente niederzu¬ 
schießen, in leichteren Fällen mit dem Gummiknüttel 
tüchtig zu verprügeln, insbesondere sind die Schläge auf 
den Kopf zu konzentrieren." Man) hat hier nicht nur 
Verhaltungsmaßregeln für Linksputsche, sondern, nach¬ 
dem die Heimwehren vorgeben, „unpolitisch" zu sein, 
auch für Rechtsputsche. Bei Rfechtsputschen wird der 
Mannschaft anbefohlen: „Sozialistenführer und größere 
Schreier in der Wohnung gleich erschießen. Die Juden 
festnehmen und in den vierten Reserveplatz führen, wo 
sie samt und sonders gehenkt werden. Eher noch mit 
Sozialdemokraten Erbarmen haben als mit den Juden." 
Neues aus Palästina. 
Anerkennung des jüdischen Nationalkomitees in 
Palästina. Der Oberkommissär für Palästina, Sir Her¬ 
bert Samuel, hat die jüdische Abgeordneten Versammlung 
und das jüdische Nationalkomitee in Palästina, deren 
Zweck die Durchführung der jüdisch-nationalen Autono¬ 
mie innerhalb des palestinensischen Gemeinwesens ist, 
anerkannt unter der Voraussetzung, daß dadurch die 
Mandatsbestimimungen des türkischen Friedensvertrages 
nicht verletzt werden und daß nur eigene Angelegen¬ 
heiten der jüdischen Bevölkerung Palästinas behandelt 
werden sollen. Das Nationalkomitee beschloß, eine Be¬ 
steuerung der Juden Palästinas vorzunehmen. (Z. K.) 
Englands Vertreter im Völkerbund. Nach einer von 
der „Zionistischen Korrespondenz" weitergegebenen 
Meldung des „Haarez" (Jerusalem) teilte Bonar Law 
im Unterhause mit, daß zu Vertretern Englands im 
Völkerbunde die Herren Balfour, Burnes und Fisher 
ernannt sind. Alle drei Herren bezeichnet das Blatt als 
bekannte Zionistenfreunde, was mit Rücksicht auf die 
bevorstehende Fertigstellung des Völkerbundsmandats, 
für Palästina von besonderer Bedeutung sei. (Z. K.) 
Deutsche Chaluzim in Palästina. Wie der „Haarez" 
laut „Zionistischer Korrespondenz" meldet, langten in 
Jaffa wiederum zwei Schiffe des Lloyd Triestino mit 
Chaluzim an. Unter ihnen/, schreibt das Blatt, sind vor 
allem die deutschen Chaluzim zu erwähnen. „Sie stechen 
von den anderen Chaluzim durch ihr Auftreten und 
durch ihre Arbeitswilli gkeit ab. Meist handelt es sich 
um Studenten, die die deutschen Universitäten verlassen 
haben, um sich in Palästina landwirtschaftlicher Arbeit 
zu widmen. In ihrem Idealismus erinnern sie vielfach an 
die alten Bilu, sie haben aber noch den Vorzug, daß sie 
sich längere Zeit in Deutschland für die landwirtschaft¬ 
liche Arbeit vorbereitet haben." (Z. K.) 
Herbert Samuel und die jüdische Orthodoxie. Dei 
Oberkommissär von Palästina, Sir Herbert Samuel, hat 
kürzlich das auf dem Berge Zion befindliche orthodoxe 
Erziehungsinstitut „Bäte Machssee" besucht, wo er von 
Rabbiner Horowitz im Namen des Amsterdamer Kolel 
feierlich begrüßt wurde. Beim Abschied ersuchte der 
Oberkommissär den Rabbiner Horowitz, der sich auf 
eine längere Reise nach dem Auslande begibt, dem ortho¬ 
doxen Judentum im Exil seinie besten Wünsche, sowie 
die Hoffnung auszudrücken, daß sie ihn in seiner Arbeit 
unterstützen mögen. (Z.-K.) 
Hebräische Terminologie für die Rechtswissenschaft. 
Die Leitung der in Palästina von der Regierung eröff¬ 
neten Kurse für Rechtswissenschaft wandte sich, wie die 
„Zionistische Korrespondenz" meldet, an den Halaschon 
mit der Bitte, eine Kommission zur Ausarbeitung einer 
hebräischen Terminologie für die Rechtswissenschaft zu
	        
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