Volltext: Nr. 68 (68. 1920)

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Jüdische Nachrichten 
Hr. 68 
»• • • I11 'der Sehnsucht nach Erfüllung der Palästina- 
Iloflnung erkennen wir ein soziales und religiöses Be¬ 
dürfnis. Wir werden alle Bestrebungen zur Erfüllung 
dieses Ideales nach Kräften fördern. Wir wünschen und 
hoffen, daß diejenigen Elemente im Judentum, die in 
ihrer dermaligen Heimat sich nicht wohl fühlen, in Pa¬ 
lästina eine gesicherte Heimstätte finden. . . 
Ereilich in einem Punkte kann die Veröffentlichung 
der neuen Partei schon heute nicht unwidersprochen blei¬ 
ben!. Sie jongliert etwas unklar und verwirrend mit dem 
Begriffe der ^ „österreichischen Staatsbürgerschaft". Bei 
der Unorientiertheit des größten Teiles unserer jüdischen 
Bevölkerung über die zionistische Galuthpolitik malt man 
den schwarzen Mann an die Wand, indem man gleich¬ 
sam zionistische Gesinnung und österreichische Staats¬ 
bürgerschaft als unvereinbare Dinge erklärt. Es wäre 
gilt und würde dem bevorstehenden) Wahlwerben in die 
Kultusgemeinde viel von seinen!, möglichen scharfen For- 
meji nehmen, wenn auch hier mehr Klarheit gezeigt 
würde. Auch sonst' werden sich von zionistischer Seite 
unschwer Schwächen und Widersprüche „aufzeigen lassen. 
Die neue Vereinigung aber, und "insbesondere die 
Vertreter, die sie in die Kultusgemeinde entsenden wird, 
iiat nun Gelegenheit, zu zeigen, daß sie ihr Programm 
zu verwirklichen gewillt ist. Wenn die in der neuen 
Partei organisierten Nicht'zio/nisten sich an ihre jetzt, 
niedergelegten Tendenzen dem Sinne ihrer Worte nach 
halten, so kann es nur ein erfreuliches und förderndes 
Zusammenarbeiten. geben. 
Das palästinische Verkehrsproblem. 
V on, Hugo 0 r n s t e i n, Innsbruck. 
IL 
Aber auch im Verkehr mit der Außenwelt bleiben 
vorstehende Grundsätze in Geltung. Planmäßige r, 
sc h r i 11 weiser Aus b au d er V e r keh r sm i 11 e 1, 
& ciiaf f u n g r e g e 1 m! ä ß i g e r V erkeh r s v e r bi n- 
düngen unter besonderer Berücksichtigung der Bedürf¬ 
nisse Palästinas sind die Aufgaben, der wir unsere Auf¬ 
merksamkeit widmen müssen. 
Für den Verkehr Palästinas mit der Außenwelt sorgt 
zu Lande die Mandatarmaeht Großbritannien. 
Zur See kann Palästina sich nur durch Schaffung 
einer eigenen Handelsflotte die nötige Entwicklungsfrei¬ 
heit sichern. Schon kreuzt ein eigenes jüdisches Handels¬ 
schiff die Küstengewässer, ein verheißungsvoller Anfang, 
der rasch und planmäßig ausgebaut werden muß. Denn 
andere Staaten werden das wirtschaftlich rückständige 
Palästina nur im Anhang an Fahrten nach Ägypten oder 
der kleinasiatischen Küsten besuchen. Palästina aber 
braucht direkte Fahrten nach: a) Kleinasien—Konstan¬ 
tinopel—Odessa, b) Athen—Saloniki, c) Brindisi—Spa- 
lato—Triest—Venedig, d) Messina—Neapel—Livtfrno— 
Genua—Marseille und e) Alexandrien—Malta—Tunis— 
Alger Gibraltar—Ostküste Spaniens bis Barcelona— 
Palermo—Alexandrien, f) Malta—Gibraltar—New-York, 
wobei die Konten a und c als die dringlichsten erscheinen. 
Ehe aber an den Ausbau von Schiffahrtslinien ge¬ 
schritten wird, heißt es mit Hilfe der gegenwärtig vor¬ 
handenen erkrh rsmittel einen regelmäßigen Per so¬ 
il e n-,' G Ii t e r u ncl N achrichten dienst zwischen 
den Galuthl ändern und Palästina zu schaffen. 
Da hat für den Verkehr der jüdischen Hauptsiedlungs¬ 
länder in Mitteleuropa und Palästina die Jüdisch- 
Palästinensische Reise- und Transport-Ge- 
s e I m h a £ t m. b. II W i e n, II., P r a t e r s t r a ß e 9 
verdienstvolle Vorarbeit geleistet. 
Aber noch fehlt dem Unternehmen jene Ausdehnung 
welche es befähigt, allen gebotenen Ansprüchen zu ent¬ 
sprechen, nämlich einen r e g e 1 mi ä ß i g e n Person e n- 
G ii t e r- u n d N a c h r i c h t e n d i e n s t durchzuführen! 
In kürzester Zeit sollen die großen Auswanderung^ 
transiporte einsetzen, und das Unternehmen, das den 
jeweiligen Bedürfnissen um einen Grad vorauseilen soll, 
ist nur deshalb für seine Aufgabe noch nicht gerüstet, 
weil seine finanziellen Kräfte noch nicht derart gestärkt 
sind,^ daß sie es ermöglichen, seimen Aufgaben vorzu¬ 
arbeiten. 
Nur die tatkräftige, rasche Unterstützung aller Zio¬ 
nisten ist nötig, nicht nur um das Unternehmen zu stär¬ 
ken, sondern vornehmlich um die zionistischen Ziele über¬ 
haupt verwirklichen zu helfen. In zwei Formen ver¬ 
mögen wir das Unternehmen zu fördern: durch finan- 
z i e 11 e Bete i 1 i g u n g, wobei die gewidmeten Beträge 
kein Geschenk, sondern eine Geschäftssache sind. Gerade 
die jetzige Zeit, welche so gar keinen Überblick in die 
Zukunft gestattet, läßt es waschenswert erscheinen, 
einen Teil seines Vermögens meinem Unternehmen an¬ 
zulegen, dessen Gedeihen unter allen Umständen schon 
durch die Tüchtigkeit und den Weitblick seines Leiters 
gesichert ist und das gleichzeitig eine nationale Pflicht¬ 
erfüllung gegen seine Mitjuden bedeutet. 
; Hie Geschäftswelt vermag das Unternehmen noch in 
einer zweiten Form dadurch zu unterstützen, daß sie 
wenigstens einen Teil ihrer geschäftlichen Aufmerksam¬ 
keit auf den regelmäßigen Verkehr mit Palästina lenkt. 
Die Einfuhr von Wein, Oliven, öl, Feigen, Datteln, 
. Orangen und Zitronen, vielleicht auch von Tee und 
Kaffee, von Palästina-Andenken (Bezalelgegenständen) 
u^jl ähnliches, die Ausfuhr von Holz- und Eisenwaren, 
landwirtschaftlichen Geräten, Küchengeräten, Werk¬ 
zeugen! und Maschinen für Handwerker u. a. würden die 
Grundlagen zu einem regelmäßigen und damit billigen 
Güterverkehr geben. Dieser Warenverkehr kann um so 
leichter eingeführt werden, als die Jüd.-Palästinenisische 
Reise- und Transport-Gesellschaft m. b. H. in Jaffa ein 
Hauptbüro eingerichtet hat, das zweifellos in der Lage 
sein wird," Interessenten mit Bat und Tat an die Hand 
zu gehen. Gerade wir in Deutschösterreich vermögen dein 
genannten Unternehmen unsere besondere Aufmerksam¬ 
keit zu widmen und gleichzeitig damit am wirkungs¬ 
vollsten dem praktischen Zionismus zu dienen. Sowohl 
der Verfasser dieses Aufsatzes als auch das Hauptbüro 
in Wien sind gerne bereit, weitere Aufklärungen zu 
geben und Gesch äf ts-Bet ei ligungs-AnmJeldu n gen ent¬ 
gegenzunehmen . 
Est wird kaum einen geeigneteren Weg geben, unsere 
schlechte Valuta als vollwertige Kraft in den Dienst des I 
Zionismus zu stellen. 
Die gelbe, Gefahr. 
In diesen Tagen der sommerlichen Hitzferien scheint 
die Pamphletliteratur Hochkonjunktur zu haben. Daß 
dabei die antisemitischen Hetzflugschriften das Haupt¬ 
kontingent darstellen, erscheint uns weiter nicht verwun¬ 
derlich. Daß aber die Geistesexkremiente von Irrsinni¬ 
gen ohne Gegenmaßnahmen der politisch-sanitären Be¬ 
hörden die ohnehin ungesunde Luft derart verpesten 
dürfen, ist ein trauriges Zeichen für die Ohnmacht der 
berufenen Faktoren, die dadurch mißhandelte Pre߬ 
freiheit.
	        
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