Nr. 44
Jüdische Nachrichten
Obzwar wir bei dem kleinen Beamtenkörper die
Heikelkeit der Personal angelegenheiten, die eine ver¬
trauliche Behandlung: erfordert, würdigen, erscheint es
uns doch nicht angebracht, daß das ganze Präliminare
unter Ausschluß der Öffentlichkeit zur Besprechung ge¬
langt. Dabei müssen wir aber auch konstatieren, daß die
Mitglieder der Kultusgemeinde sich anscheinend nicht
bewußt sind, wie wichtig die Publizität der Verhandlun¬
gen selbst bei einem so kleinen Verwaltungskörper wie
ihn eine Provinzkultusgemeinde vorstellt, ist, denn sonst
müßten sie den Beratungen des von ihnen gewählten
Vorstandes mehr Aufmerksamkeit schenken. Eine solche
Anteilnahme könnte die Tätigekit des Vorstandes nur
günstig beeinflussen. Wie soll der Wähler, der seine
Stimme ernst nimmt, eine Entscheidung über seinen Ver¬
treter fällen können, wenn ihm dessen Tätigkeit im Ver¬
waltungskörper gar nicht bekannt ist.
Eine zionistische Rrovinztagung in Linz. Im Einver¬
ständnis mit dem zionistischen Landeskomitee in Wien
wird Donnerstag den 25. und Freitag den 26. Dezember
1. J. in Linz eine zionistische Provinztagung stattfinden.
Es wird derselben bereits allerorts das größte Interesse
entgegengebracht, und sind aus den verschiedensten Orten
Delegierte angemeldet, so aus Graz, Innsbruck, Wiener-
Neustadt, Salzburg, Amstetten, Steyr, Weidhofen usw.
Ferner werden eine Eeihe von prominenten Persönlich¬
keiten aus Wien anwesend sein. Auf das Arbeitsprogramm
und die Bedeutung der Tagung soll noch in ausführlicher
Weise zurückgekommen werden.
Verlobune. Herr Wilhelm Eibuschütz hat sich
mit Fräulein Hella Klauber verlobt.
Todesfall. Im hiesigen Garnisonsspital Nr. 4 starb
am 4. Dezember 1919 der im 25. Lebensjahre stehende
und aus Budapest gebürtige Korporal des Inf.-Eegts.
Nr. 38, Herr Josef Berger. All den Strapazen einer
dreijährigen sibirischen Kriegsgefangenschaft stand¬
haltend, wurde er, nach Linz überführt, knapp am Ziele
seiner Sehnsucht und Wünsche, vom Tode ereilt. Das
Leichenbegängnis fand am Mittwoch, den 10. Dezember
1919 von der Leichenhalle des israelitischen Friedhofes
aus statt.
Steyr.
Berichtigung. Zu der unter dem Schlagwort „Aus
einer kleinen Kille . . ." in Nr. 42 unseres Blattes ge¬
brachten Notiz gingen uns mehrere aufklärende Schrei¬
ben zu, die den Sachverhalt klarstellen und nehmen wir
Herne zur Kenntnis, daß die Kultusgemein de Steyr un¬
ter den vorliegenden Verhältnissen tatsächlich nicht- in
der Lage war, eine Vermietung eines Raumes an jenen
Kriegsinvaliden durchzuführen.
St. Pölten.
Trauung. Am Dienstag, den 9. Dezember fand hier
die Trauung des Herrn Alfred Schimmerling, Re-
alitätenbesitzer aus Steyr, mit Frl. Gisela H o 1 z e r aus
Petzenkirchen statt.
Baden.
Vermählung. Donnerstag, den 4. Dezember fand
hier die Vermählung des Herrn Dr. Alexander K r i-
s t i a n p o 11 e r mit Frl. Ida Biegeleisen statt. |
Wien.
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Verlobung.'9Am 8. d. hat sich Herr Leo Stein mit
Fräulein Kassner verlobt.
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Bücher und Zeitschriften.
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Sämtliche hier besprochenen und angeführten Druck
werke sind am schnellsten zu beziehen durch das Litera¬
tur- und Kunstreferat des Volksvereines „Zion" in Linz
(Max Sonn, Stockhofstraße 11, Sonntag 9 bis 11 Uhr
Bethlehemstraße 26).
Dr. L. Weinberg: „Das jüdische Palästina". Die
soeben im Verlag „Jüdische Rundschau" erschienene
Schrift gibt, von der englischen Deklaration vom 2. No¬
vember 1917 ausgehend, ein Bild von den politischen
Zielen des Zionismus, wie sie durch die umwälzenden Er¬
eignisse dieser Zeit Gestalt gewonnen haben und durch
die Arbeit für den Aufbau des jüdischen Palästina in
die Wirklichkeit sich umzusetzen beginnen. Die Bedeu¬
tung der jüdischen Arbeit der letzten 30 Jahre in Pa¬
lästina wird in das rechte Licht gerückt und die Ent¬
wicklung der palästinensischen Verhältnisse in der
Kriegsperiode, besonders nach der englischen Besetzung,
zum Ausgangspunkt genommen für eine Darlegung, der
großen Möglichkeiten und der daraus sich ergebenden
Aufgaben in wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Be¬
ziehung, die in absehbarer Zeit zu einem starken jüdi¬
schen Volkszentrum führen müssen. Die Schrift orien¬
tiert über die großen Probleme, die durch den bevorste¬
henden Aufbau des Landes aktuell geworden sind, Pro¬
bleme, die das Land stellt und die durch die Besonder¬
heit des künftigen Menschenmaterials aufgeworfen wer¬
den und weist auf die besonderen Lösungen, die aus der
Zusammenstimmung von Volk und Land sich ergeben,
hin. Hervorgehoben seien in dieser Hinsicht die Ab¬
schnitte über die palästinensische Landwirtschaft und
über die Rolle, die voraussichtlich die intensive Garten¬
wirtschaft in der Entwicklung des jüdischen Palästina
spielen wird, wobei die besondere Bedeutung berührt wird,
die dem Gartenbau für die Schaffung einer gesunden
Verbindung städtischen Lebens mit ländlicher Betätigung
zukommt. In dem Abschnitt über den kulturellen Auf¬
bau wird die Tätigkeit der neuen nationalen Unferrichts-
ausschusses (Vaad hachinuch) als eines Wahrzeichens für
die kommende Entwicklung herausgehoben und auf die
Vorarbeiten aufmerksam gemacht, die der Schaffung der
jüdischen Universität in Jerusalem gewidmet sind.
Artur Landsberger, Wie Satan starb (Georg
Müller Verlag, München). Ein sehr spannend geschrie¬
bener Unterhaltungsroman, der manchmal mit starker
Übertreibung, aber vielleicht besser als ein moralisieren¬
des Buch dem deutschen Volk den Spiegel vorhält, wo
es den Grund für seine Notlage zu suchen hat. Die
Exzesse alldeutscher 'Überhebung sind ebenso humorvoll
geschildert, wie die allgemeine Korruption, bis dann
das Buch in einer Apotheose auf die Liebe ausklingt.
Karl E111 i n g e r, Der Widerspenstigen Zähmung
(Georg Müller Verlag, München 1919, kart. 4 Mk.).
„Die Arbeit", Organ der zionistischen Volkssozia¬
listischen Partei. Hapoel Hazair. Inhalt : Zur Frage der
zionistischen Weltkonferenz. Wilhelm Stapel: Antise¬
mitismus. James P. Warbasse: Die Bedeutung der
Genossenschaftsbewegung. Aus Palästina: Zur Lage der
Arbeit, Zur Gegenwart. A. D. Gordon: Von drau¬
ßen. Markus Reiner: Präludien zum Aufbau des Lan¬
des Israel. Ans der Bewegung. Berichte.