Volltext: Zeitschrift des Münchener Alterthums-Vereins XIV und XV Jahrgang (XIV. / XV, Jahrgang / 1903/04)

ANTIKE GESCHNITTENE STEINE. 
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mit beiden Händen nach den Seiten auseinander¬ 
zieht. Vor ihr schwebt ein kleiner Eros zu ihrem 
gesenkten Haupte empor, um sie zu bekränzen (der 
Kranz ist nicht mehr ganz deutlich). Ein eng¬ 
lischer Gelehrter, der den Ring demnächst geson¬ 
dert publizieren wird, sieht in dem Mädchen Danae, 
die den Goldregen in ihrem Gewände auffängt, 
eine Deutung, die wegen des ausgebreiteten Hima- 
tions nicht unwahrscheinlich ist. Das Mädchen 
sieht auf das Gold hinab, das ihr in den Schoss fällt. 
7.—11. Vierseitiges Prisma von blassem Kar¬ 
neol, an der Spitze (8. 11) zum Anhängen durch¬ 
bohrt; an jeder Seite und unten eine Darstellung. — 
7. Ein vornehmer Perser sitzt auf einem lehnen¬ 
losen Stuhl mit kurzen gedrechselten Beinen, über 
den eine karrierte Decke gelegt ist. Er trägt die 
volle persische Tracht, Plosen und Aermeljacke, um 
die Schultern eine zweite Jacke mit leer herabhän¬ 
gendem Aermel, auf dem Kopf die sogenannte 
phrygische Mütze mit den drei lang herabhängenden 
Laschen, von denen die beiden vorderen um den 
Mund geschlungen sind. Am rechten Bein lehnt 
der gespannte Bogen. In den Händen hält er einen 
Pfeil, an welchem er entlang visiert, ob er gerade 
ist, ein öfter vorkommendes Motiv. — 8. Auf ihn 
zu tritt eine Perserin, die ihm einen Kranz und 
einen Trinkbecher darbringt. Sie trägt ein weites, 
feinfaltiges Gewand mit langen Aermeln, die am 
Oberarm ganz eng, am Handgelenk ganz weit sind, 
genau wie die Mode von 1903. Ein langer Zopf, 
der am unteren, ganz dünnen Ende ein Schleif- 
chen trägt, fällt bis über die Taille herab. Die 
Gestalt ist an Busen und Rückseite ausserordent¬ 
lich üppig entwickelt, wie stets auf diesen persisch¬ 
griechischen Steinen (vgl. Furtwängler I, XI, 9, 
10 u. a.). — 10. Perser in gleicher Kleidung 
wie 7,, hält Speer und Bogen bereit, also wohl 
ein Vasall oder Diener des Sitzenden. — 11. Per¬ 
serin, gekleidet wie 8., hält in der Linken eine 
kleine Kanne, auf den spitzen Fingern der Rech¬ 
ten eine kleine Schale, vielleicht ein Räucherge- 
fäss. Die vier Seiten schildern uns also den Hof¬ 
staat eines persischen Grossen. — 
9. Taube, mit den Flügeln schlagend, vielleicht 
das Wappentier des Siegelinhabers. — Der Stein 
ist persisch-griechisch des 5. Jahrhunderts und ge¬ 
hört zu jener oben genannten, sehr interessanten 
Gruppe von Steinen, die von Künstlern der klein¬ 
asiatischen Griechenstädte im Auftrag und für den 
Geschmack der Perser gearbeitet sind. (Vgl. Furt¬ 
wängler III, S. 116 fg.) Die Gegenstände sind per¬ 
sisch, Auffassung und Technik aber ganz griechisch. 
Die weiche Flächigkeit des Schnittes ist mit den 
reingriechischen Steinen 1 und 5 zu vergleichen. 
12. Skarabaeus von Karneol. Zwei Fuchs¬ 
hunde sind an eine jonische Säule gebunden, 
mit Stricken, die von den Voluten des Kapitells 
ausgehen. Die ungewöhnlich langen und dicken 
Schwänze sehen ganz wie Fuchsschwänze aus. 
Dr. Arndt macht mich darauf aufmerksam, dass es 
eine antike Hundegattung gab, Alopekis genannt, 
die angeblich durch Kreuzung von Fuchs und Hund 
entstanden war. Näheres sehe man bei Pauly- 
Wissowa, Realencyklopaedie der klassischen Alter¬ 
tumswissenschaft unter dem Wort Alopekis. Unser 
Stein ist die erste bekannte Darstellung der Fuchs¬ 
hunde. 
13. Skarabaeoid von dunkelrotbraunem Kar¬ 
neol, durchlocht zur Aufnahme eines Bügels (vgl. 
Furtwängler III, S. 137). Schreitender Bulle. 
Strenge Profilansicht, sodass nur ein Horn sicht¬ 
bar ist. Griechisch des 5. Jahrhunderts. (Dieser 
Stein ist in meinem Besitz.) 
14/15. Runder Karneol, Unterseite (14) flach, 
Oberseite (15) gewölbt. — 14. Stehender Hirsch, 
jenseits von ihm eine Palme. — 15. Biene in 
Oberansicht. Der Hirsch neben der Palme und 
als Gegenbild die Biene sind die ständigen Münz¬ 
bilder der Stadt Ephesos. Da nun auch der Stil 
des Steins der weichen jonischen Art entspricht, 
so ist es eine sehr wahrscheinliche Vermutung Dr. 
Arndts, dass dieser Stein in Ephesos geschnitten 
worden ist. Und zwar dem grosszügigen Stil nach 
im 5. Jahrhundert v. Chr. Allerdings besteht das 
Münzzeichen im 5. Jahrhundert stets nur aus dem 
Vorderteil eines Hirsches neben der Palme; erst 
seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. wird der Plirsch 
ganz abgebildet. (Vgl. British Museum, Catalo- 
gue of Greek coins, Jonia Taf. 9 fg.) Doch ist 
das kein Einwand gegen die Datierung unseres 
Steines ins 5. Jahrhundert, da das offizielle Wap¬ 
pen aus dem ganzen Hirsch bestanden haben wird 
und auf der älteren Münzserie nur abgekürzt er¬ 
scheint. Auf den ältesten kleinen Elektronmünzen 
von Ephesos ist überhaupt nur ein halber Hirsch 
da, ohne die Palme, und zwar hier ganz offenbar 
aus Raummangel (British Museum, Catalogue Jonia 
Tf. III, n). — Die analoge Uebereinstimmung 
eines syrakusanischen Münzbildes mit einem Stein¬ 
schnitt bespricht Furtwängler III, S. 126 (I, Tf. 9, 
49) und vermutet nach Evans Vorgang, in dem 
Steine „das Siegel eines öffentlichen Beamten von 
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