Volltext: Aus dem Garten Österreichs (Oberösterreich). (Folge 7 / 1926-27)

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Lambach. 
„Bcnediktus auf den Bergen", sagt das mittel(ateinifd)e 
Sprüchlein. Hier hat St. Benedikt seine Heimstatt gut gewählt: von 
da oben blickt man in ein herrliches Land, auf und auf grün, von 
graziös gezeichneten Bergketten eingefasst. 
Ich trete in das Stift ein; angenehme kühle weht mir ent 
gegen. Lin freundlicher Pater übernimmt das Nmt, mich herum 
zuführen. Ls gibt sehr viel in dem Stift zu sehen. Vor allem die 
schöne Kirche in vornehmen Barockstil mit wertvollen Bildern, dann 
in der Sakristei alte, kirchliche Gewänder; in den Kreuzgängen 
kostbare Gemälde, sodann der Festsaal, vor dessen Zensiern breit 
ästige Bäume rauschen, die ihre grünen Lichter auf die verzierten 
wände werfen. 
Zuletzt geleitet mich Pater Bernard in das musikalische Archiv. 
Da begann ich in meiner alten, schlechten Gewohnheit in den 
Folianten nachzustöbern, wie ich aufschaue, bin ich allein, mein 
Führer must sich leise entfernt haben. 
Doch, da geht die Tür auf; die dunkle ehrwürdige Gestalt 
Pater Bernards und hinter ihm, tuschelnd und lachend — ein 
Flachskopf, zwei Flachsköpfe — drei, fünf, sieben — eine ganze 
Schar, prachtbuben sind es, mit runden, blühenden Gesichtern. 
Sie stellen sich im Halbkreis vor mir auf, Pater Bernard stellt sie 
vor „Unsere Sänger". Lr hat sie heraufgeführt, um ein kleines 
Konzert zu improvisieren. 
Lr gibt den Ton an. Und die jungen Stimmen beginnen 
pianiffimo: „Linsam treibt ein morscher Linbaum." — wunderbar, 
fast geisterhaft klingt das — sind's wirklich die pausbackigen 
Jungen, die es fingen? Tönt nicht die süste weise aus einer anderen 
Welt herab? — 
Schon zu Lude? Ich must mich besinnen, dast ich Beifall 
schuldig bin. Die Buben warten darauf. „Leicht jetzt was Lustig's?" 
meint der Lhorführer, ein groster, dunkeläugiger Bursche. 
Ich weist nicht mehr, wie das Lied hiest. Offenbar hatten es 
die Knaben besonders gern. Ls war im Dialekt, sie brachten es 
frisch und schneidig heraus und jodelten, dast es eine Lust war. 
Zum Schlust meinte Pater Bernard, nun sollt ich sie noch 
im grosten Stil singen hören. Sie sängen stets beim Hochamt in 
der Stiftskirche und machten es gewöhnlich recht gut. 
Lr verteilte groste schwarze Bücher mit Notschnitt, die Kinder 
blätterten die Seite auf, die er angab, machten sehr ernste Ge 
sichter und begannen. Die Komposition war austerordentlich ein 
fach, und doch ergriff mich der Hymnus diesmal mehr als alle 
anderen Male, wo ich ihn hatte von grosten, geschulten Lhören vor 
tragen hören. Die Stimmen machten es aus. Sie waren wie über 
irdisch, aber anders als beim ersten Lied. Sie waren der leid 
gewordene Glaube! 
„Aber," bemerkte Pater Bernard, „mit dem Dies irae werden 
wir doch nicht aufhören? Noch ein Mailied, nicht wahr?" Die 
Frühlingsgeister sind schon bereit, in vollem Neigen loszubrechen.
	        
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