Volltext: Innviertler Kalender 1939 (1939)

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Das Schweigegeld 
Eine heitere Geschichte aus Oesterreich von Franz Turba 
Drei Sachen hat der Krameihuber für sein Leben gern: Das 
Geld, seine Pfeife und das Reden. 
Zum Krameihuber Martin kommt im Sommer der Rechts- 
miwalt Dr. Bierhansl auf das Land. Der Rechtsanwalt ist bei dem 
Kramelhuber recht leutselig, geht den ganzen Tag in der kurzen Le¬ 
derhose herum, begleitet den Bauer auf das Feld, auf die Wiese in 
den Wald und tut ganz so, als ob er sich nirgends so wohl 'als 
auf dem Dorfe fühlen könnte. 
Im Herbst beim Abschied ladet Dr. Bierhansl den Bauer zu 
einem Äkjuch in die Stadt ein. Der Rechtsanwalt meint, die Stadt 
ist weit und der Winter noch fern, die Bahnfahrt kostet Geld und 
die Emladung wird darum bald vergessen sein. Aber der Kramel¬ 
huber sagt „ja", meint „ja" und teilt im Oktober in einem Briefe 
dem Dr. Bierhansl seine bevorstehende Ankunft mit. 
Verflixt, jetzt beginnt der Rechtsanwalt seine voreilige Einla¬ 
dung _zu bereuen. Denn in der Stadt geht natürlich Dr. Bierhansl 
mcht tn der Lederhose herum, im Herbst interessiert es ihn nicht, wie 
die Kartoffeln auf dem Felde behandelt werden müssen, er trägt im 
Wmter einen seinen Gesellschaftsanzug, raucht Zigarren und in 
semem Hause verschmäht man sogar die Verwendung von künstlichen 
Riechstoffen nicht. 
, weitn jetzt der Krameihuber mit seiner alten, nimmermüden 
Dorfpfeife in dieses Haus einfällt und draußen auf der Straße 
oder in Gesellschaft anderer Leute mit seinem breiten Reden anhebt! 
Also den Gebrauch der Pfeife kann man dem Martin während 
ferner Anwesenheit in der Stadt schon abgewöhnen, denn erstens 
gibt es Zigarren und dann mutz man den Kramelhuber zum Speisen 
einladen und während des Essens hat der Rauchtabak Schonzeit. 
Denn der Kramelhuber liebt für sein Leben gertl auch ein gutes ’uttd 
reichliches Essen. 
Aber das viele Reden, das Erzählen und Fragen! Und gar wenn 
Dr. Bierhansl seinen Gast, wie dieser es wünscht, in den Tiergarjten 
führt und dort der Martin blr/eit und laut verschiedene belehrende 
Unterweisungen einholt und dazwischen seine eigene Meinung zum 
Besten gibt. 
Nein, nein, den Drang zum Fragen und Erzählen, das Bedürf¬ 
nis zu reden mutz man dem Martin während seines Aufenthaltes 
auf der Stratze und im Tiergarten unterbinden, vollständig unter¬ 
binden. 
„Sie, Herr Kramelhuber," fragt Dr. Bierhansl, als der Besu¬ 
cher m der Wohnung sitzt, „möchten Sie sich nicht während Ihres 
Aufenthaltes bei uns etwas verdienen?" 
„Verdienen?" wiederholt der Bauer und nimmt für einen 
Augenblick die Pfeife aus dem Mund.
	        
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