Volltext: Innviertler Kalender 1932 (1932)

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wir wandten uns nach der Mutter am Zensier um. 
Und Md froh, daß ihr so eine schöne warme Stube und 
ein gutes Bett habt . . . und . . . und mich! 
Unter dem Eindruck des nächtlich Erlebten und noch 
mehr dieses letzten kleinen Wortes liefen wir zur geliebten 
Mutter zurück, drückten uns wie junge fjündlein an sie, suchten 
ihre Hände, ihren Hals, ihre schmalen Mangen zu erreichen 
und Hetzen nicht ab, bis sie uns säst mit Schelten und Drohen 
in die Kammer scheuchte. Fiber ich sah sie noch lange durch 
die halboffene Tür, wie sie am Zensier stand und in die flacht 
hinaushorchte. IDarum bleibt sie noch dort? Sie friert ja, 
dachte ich und wußte keinen Bescheid. 
Später hatte ich die antwort. Meine Mutter dachte an 
die weiten, wüsten Straßen der IDelt, auf die eine solche un¬ 
heimliche flacht herabfällt, und spitzte ihr feines Ghr und 
lauschte einem paar Schuhe nach, deren Gang sie gut kannte, 
die sie hineinwünfchte und so gerne von müden Füßen gelöst 
und für lange unter das Bett gestellt hätte, wo, unter welchen 
Lüsten und Wolken weilte ihr Mann zu dieser Stunde? Dachte 
er auch noch, wenn ihn fror, an eine heimatliche Stube? ©der 
war fein Herz ganz erfroren und hatte Frau und Kinder 
völlig vergessen? 
Daier unser, flüsterte sie, der du bist im Himmel. Geheiligt 
werde dein Name. Zukomme uns dein Reich! Zukomme ihm, 
dem dach- und stubenlofen Vagabunden, dein Reich! 
❖ 
Ein andermal, da die Mutter mich aus dem Schlaf auf¬ 
rüttelte, fragte ich bange, ob es denn irgendwo brenne. Ja! 
und wie! flüsterte die Mutter feierlich (Oben am Himmel brennt 
es Komm nur flink und schau! Unser langmütiger Herrgott 
hat ein Feuer angezündet, das Blinden die Flügen öffnen müßte. 
Mit zitternden Knien und mich schwer an den Rock der 
Mutter klammernd trippelte ich in die Stube hinaus an jenes 
Zweite Fenster, das gegen das Dorf, den Kirchturm und die 
Berge schaute, und gewahrte sogleich nordöstlich über den Ge- 
birgsmaffen im eisigen, dunkelblauen Mpenhimmel ein Gestirn, 
das weder dem Mond noch einem Stern, sondern einem 
zitronengelben Klecks glich mit langem, züngelndem Schwanz, 
gerade als hätte der liebe Gott, nachdem er mit feiner Meister- 
feder die Gestirne an den Himmeldeckel geschrieben hatte, aus 
Spaß oder versehen oder auch aus Herrgottsgrimm einen 
letzten leuchtenden Tropfen feiner Tinte mit einem weiten 
Schnörkel über das Schriftstück verspritzt. 
nein, uns dünkte dieses besondere Feuerzeichen nicht 
luftig. Es lachte nicht gutmütig wie Gevatter Mond und 
tröstete nicht wie der heilige Hbendftern. Es zuckte, blitzte, 
schreckte und schien am Schweif bläulich zu schwelen wie ein 
Drache. Man spürte sogleich, daß es nicht als Freund am 
Himmel spazierte. Es war eine Drohung. Totenstill glühte es
	        
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