Volltext: Innviertler Kalender 1932 (1932)

Still! da kommt wieder einer! flüsterte die Mutter, wartet, 
ich stelle das sämplein in den Gang hinaus, damit sie uns 
nicht sehen. Ich wußte nicht, was sagen. 
wer? wer? 
Ein schwerer wagen ächzte und knarrte von der Straßen¬ 
seite her. Trübe Laternen baumelten am Gestell. Die Pferde¬ 
schellen läuteten leise. Etwas Dunkles, Ausgebeiztes, Massiges 
schwankte unten vorbei. Ich hörte einzelne Weiberstimmen und 
selten einen düsteren Baß hineinbrummen. Ein gcillenfeines 
Kindermärchen plärrte. Dann schoß ein Windstoß Überweg 
und ertränkte jedes andere Geräusch. In der nächsten pause 
tönte das wagenkreischen schon ferner, den Dorfhäusern zu. 
Fiber von hinten räderte ein weiteres Fuhrwerk nach. 
Drei wagen . . . ganz überladen . . . Rinder und Haus¬ 
rat, seufzte die Mutter. Die kitten laufen daneben. So wird s 
gehen bis zur Eisenbahnstation. Nein, jetzt fährt kein Zug, die 
ganze flacht müssen sie fuhrwerken und dann in den Zug und 
reifen, weit reifen, o noch viele solche flächte und Tage. 
wohin, Mutter? 
Nach Amerika. Sie haben keine Arbeit daheim. Ihre 
Heimat gibt ihnen nicht einmal Brot genug. In Amerika, heißt 
es, findet man Geld wie Heu. Aber schwer ist es doch, so von 
Dorf und Heim weg müssen. 
Meine Mutter atmete schwer, ich fühlte den Hauch auf 
der Stirne. 
Mir wurde schwer, als drückte ein Berg von Steinen auf 
mich. In dieser Nacht voll wind und Graus mußten diese 
Menschen aus ihren alten, warmen Stuben für immer und so 
weit fort! Uebers Meer, nach Amerika, fast ans Ende der wett. 
Und haben sie dort ein Haus? Nichts, keinen Fensterladen, 
©der eine kleine wiese? oder Geiß? Keinen Halm, kein Haar! 
Ins Ungewisse rollen sie, und andere Leute besetzen ihre lieben 
Bauernstuben, wie kann man so waghalsig und so dumm 
fein? Nur weil Amerika so groß ist und es so reiche Ameri¬ 
kaner gibt! G du lieber Himmel! 
Ich verstand noch nichts von der wirtschaftlichen Not, 
die so rücksichtslos die Landeskinder von der warmen, heiligen 
Däterfcholle in einen wildfremden Erdteil hinausjagt. Es waren 
zumeist Familien, die im Gebirge wohnten, die da auswanderten. 
Jahr für Jahr kam dieses Elend nun vor. Immer nachts, als 
schämten sie sich vor ihrer Erde, flohen sie. viele fanden sich 
dann überm Gzean leidlich zurecht, selten hatte einer geradezu 
Glück, schwitzen und sich abrackern mußten alle dreimal mehr 
als daheim. Die Alten starben, die Jungen bekamen eine neue 
harte Haut und vergaßen. 
So geht jetzt ins Bett, gebot die Mutter, und weckt mir 
den Kleinen nicht auf, sonst schreit er die ganze Nacht. 
Aus den Sohlen huschten wir wie Katzen zu unseren 
Betten, pst!
	        
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