Volltext: Innviertler Kalender 1932 (1932)

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geheimnisvolle Jaden halten dich an dieser großen Uolksfamilie fett und 
geben dir Stand und fialt bei aller Wandelbarkeit deines äußeren Lebens. 
So schlingt die Muttersprache ihr Band um all unsere deutschen Uolks= 
genossen, die über die ganze Erde zerstreut sind und sie dürfen sich 
überall, auch mitten in fernster fremde, verbunden fühlen mit ihrem 
Uolkstum. 
jflber noch ein anderes, ein noch geheimnisvolleres, wunderbares, 
heiliges Band knüpft die Muttersprache zwischen dir und deinem Uolk. 
Deine Muttersprache ist viele Jahrhunderte alt. So wie deine Mutter sich 
eintt über deine Wiege beugte und dir erste, süße deutsche saute zu¬ 
flüsterte, zulachte und zujubelte, so faß deine JThne an deiner Mutter 
Wiege, so laßen deine Urahnen vor Hunderten von Jahren an den 
Wiegen deiner Uoreltern, deren Blut noch heute ungemindert in deinen 
Adern rinnt, und flüsterten und jubelten und beteten über ihnen in den¬ 
selben deutschen tauten, ln den schlichten, einfachen Worten deiner 
Muttersprache, ganz besonders in deiner Mundart, sprechen deine Uer¬ 
fahren zu dir, durch sie wirst du über Jahrhunderte hinweg mit deinem 
Uolke verbunden. 
Diese heilig-teure Muttersprache nahmen untere Uoreltern vor 160 
Jahren mit nach Rußland. Sie war das fetteste Band, das sie alle um¬ 
schloß, das sie aber auch mit der Vergangenheit ihres Uolkes verband, 
daß sie sich ihres Zusammenhanges mit dem deutschen Uolkstum bewußt 
blieben. Tn den Kirgitenfteppen, taufende von Mellen von der alten 
deutschen ßeirnat getrennt, wurde ihnen ein altes Gut ums andere ge¬ 
nommen, ihr Bildungs- und Schulwesen allmählich unterwühlt. So schwand 
eine Erinnerung an die alte Beimat nach der anderen, kaum sichtbar noch 
waren die friden zwischen ihnen und dem deutschen Uolk. Aber sie 
hielten ihre Muttersprache rein .... ln dieser Sprache riefen sie den 
Damen Bottes über ihren Hindern an, lehrten sie ihre Kinder beten und 
ihre Bedanken und Befühle ausdrücken — und so blieben sie deutsch 
und fühlten sich als Deutsche! Mit Stolz und Würde tragen sie im 
russischen Uölker- und Sprachenmeer ihren deutschen Damen bis in die 
Gegenwart Das Zaubermitiel, das ihnen neben ihrem Glauben dies 
Selbstbewußtsein, diese Kraft gegeben hat, war die Muttersprache! So 
hatten sie Stand und Ball — in ihrem Glauben, in ihrem Uolkstum. 
Wurzellos ist erst, wer in feiner Muttersprache sein Uolkstum auf¬ 
gegeben bat. €r ist auch in Wahrheit heimatlos, mag es ihm vielleicht 
auch äußerlich noch so gut geben, mag fein Uerrat ihm anscheinend Segen 
bringen, früher oder später wird er seines Uerrats inne, früher oder 
später tiifft ihn der fruch dieses Uerrates. So manchen dieser wurzellosen 
Deutschen trifft man im Auslande. Deutsche find’s nicht mehr, denn sie 
haben ihre Muttersprache vergessen und müssen sich daher abwenden von 
ihrem Uolke. Zu einem anderen Uolkstum aber gehören sie auch nicht, 
trotz ihres krampfhaften Bemühens. Die anderen werden in ihnen doch 
nur das sehen, was sie find: Abtrünnige, Eindringlinge in fremdes 
Uolkstum, Charakterlose! 
„Wer feine Mutterfprach’ 
Setzt einer fremden nach, 
Ueber den kommt die Rach’ 
Und fremd’ Ungemach . ..
	        
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